Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von Bekanntschaften, wo nicht von Koterieen, keineswegs nur von der
Tüchtigkeit der Leistungen ab. Soll demnach die Gehaltszulage immer blos
von dem Gerufenwerden abhängen? Daß dem bisher meistentheils so war,
gehört zu den widerwärtigsten Seiten des Universitätslebens. Nothwendig
ist damit die Gelegenheit und der Anreiz zu einer Verwerthung der Rufe ge¬
geben, die sich an der Hand thatsächlicher Erfahrungen bitter kritisiren ließe.

Ebendeshalb erscheint es, wenn auch nicht als eine Abstellung aller Mi߬
stände, doch als ein relativer Fortschritt, einen anständigen Minimalgehalt der
verschiedenen Prosessorenklasscn festzusetzen. Würde zugleich ein System von
Alterszulagen angenommen, so würde das Marchandiren mit Rufen noch
mehr verschwinden, und das wäre ein Segen für den Professorenstand. Daran
ist natürlich niemals zu denken, daß alle Professoren nach gleichen Kategorien
gleichmäßig bezahlt werden sollen. Das ist bei keiner Universität möglich.
Stets werden einzelne hervorragende, oder für die Universität besonders werth¬
volle Kräfte mehr erhalten, als andere. Dagegen ist Nichts zu sagen. Allein
andererseits sollte man doch dafür sorgen, daß das übliche Heraufschrauben
der Gehalte aus Anlaß der Berufungen erspart und daß nicht die übliche
Ungerechtigkeit forterhalten bleibe, Lehrer, welche vollständig ihre Schuldigkeit
thun, ruhig bei den armseligsten Gehalten zu belassen, solange ihnen die Ge¬
legenheit fehlt, mittelst eines Rufes ein paar Hundert Thaler mehr heraus¬
zudrücken. Wie unwürdig man den höchsten Zweig des Lehrerstandes be¬
handelt, wenn man so verfährt, bedarf kaum der Erwähnung.

In Jena steht eine ganze Reihe von Professoren auf Gehalten, die man
heut zu Tage kaum noch für möglich halten sollte. Wir haben konstatirt,
daß der Durchschnitt des Gehalts ordentlicher Professoren noch nicht einmal
den Durchschnittssatz der Gymnasiallehrergehalte erreicht. Die Gymnasial¬
lehrer bessert man auf, die Volksschullehrer nicht minder, sogar beträchtlich.
Wer denkt an die Professoren der Universität? Man hat wohl einzelne
kleine Aufbesserungen vorgenommen, aber in jenem unzulänglichen Maaße,
dessen oben gedacht wurde. Die ordentlichen Lehrer, welche nicht neu berufen
sind, oder nicht in neuer Zeit einen Ruf genossen haben, stehen so ziemlich
alle noch unter 1000 Thaler. Und neben ihnen sind andere berufen worden,
werden noch täglich berufen, denen ungleich höhere Gehaltssätze bewilligt
werden müssen. Auf solche Weise entsteht eine Ungleichheit, die unmöglich
ohne nachtheilige Folgen abgeht. In dem engen Kreise einer kleinen Uni¬
versität und einer kleinen Stadt wird es demnächst eine bevorzugte Klasse
der wenigstens relativ günstig Gestellten und der Paria's geben. Der Gegensatz
wird sich tief in das sociale Leben hinein erstrecken, das gedeihliche Zusammen¬
leben zerstören und schließlich seine Früchte auch in dem collegialischen und
Amtsleben tragen. Man braucht Keinem das Gefühl elenden Neides gegen


Grenzboten lit. 1874. 38

von Bekanntschaften, wo nicht von Koterieen, keineswegs nur von der
Tüchtigkeit der Leistungen ab. Soll demnach die Gehaltszulage immer blos
von dem Gerufenwerden abhängen? Daß dem bisher meistentheils so war,
gehört zu den widerwärtigsten Seiten des Universitätslebens. Nothwendig
ist damit die Gelegenheit und der Anreiz zu einer Verwerthung der Rufe ge¬
geben, die sich an der Hand thatsächlicher Erfahrungen bitter kritisiren ließe.

Ebendeshalb erscheint es, wenn auch nicht als eine Abstellung aller Mi߬
stände, doch als ein relativer Fortschritt, einen anständigen Minimalgehalt der
verschiedenen Prosessorenklasscn festzusetzen. Würde zugleich ein System von
Alterszulagen angenommen, so würde das Marchandiren mit Rufen noch
mehr verschwinden, und das wäre ein Segen für den Professorenstand. Daran
ist natürlich niemals zu denken, daß alle Professoren nach gleichen Kategorien
gleichmäßig bezahlt werden sollen. Das ist bei keiner Universität möglich.
Stets werden einzelne hervorragende, oder für die Universität besonders werth¬
volle Kräfte mehr erhalten, als andere. Dagegen ist Nichts zu sagen. Allein
andererseits sollte man doch dafür sorgen, daß das übliche Heraufschrauben
der Gehalte aus Anlaß der Berufungen erspart und daß nicht die übliche
Ungerechtigkeit forterhalten bleibe, Lehrer, welche vollständig ihre Schuldigkeit
thun, ruhig bei den armseligsten Gehalten zu belassen, solange ihnen die Ge¬
legenheit fehlt, mittelst eines Rufes ein paar Hundert Thaler mehr heraus¬
zudrücken. Wie unwürdig man den höchsten Zweig des Lehrerstandes be¬
handelt, wenn man so verfährt, bedarf kaum der Erwähnung.

In Jena steht eine ganze Reihe von Professoren auf Gehalten, die man
heut zu Tage kaum noch für möglich halten sollte. Wir haben konstatirt,
daß der Durchschnitt des Gehalts ordentlicher Professoren noch nicht einmal
den Durchschnittssatz der Gymnasiallehrergehalte erreicht. Die Gymnasial¬
lehrer bessert man auf, die Volksschullehrer nicht minder, sogar beträchtlich.
Wer denkt an die Professoren der Universität? Man hat wohl einzelne
kleine Aufbesserungen vorgenommen, aber in jenem unzulänglichen Maaße,
dessen oben gedacht wurde. Die ordentlichen Lehrer, welche nicht neu berufen
sind, oder nicht in neuer Zeit einen Ruf genossen haben, stehen so ziemlich
alle noch unter 1000 Thaler. Und neben ihnen sind andere berufen worden,
werden noch täglich berufen, denen ungleich höhere Gehaltssätze bewilligt
werden müssen. Auf solche Weise entsteht eine Ungleichheit, die unmöglich
ohne nachtheilige Folgen abgeht. In dem engen Kreise einer kleinen Uni¬
versität und einer kleinen Stadt wird es demnächst eine bevorzugte Klasse
der wenigstens relativ günstig Gestellten und der Paria's geben. Der Gegensatz
wird sich tief in das sociale Leben hinein erstrecken, das gedeihliche Zusammen¬
leben zerstören und schließlich seine Früchte auch in dem collegialischen und
Amtsleben tragen. Man braucht Keinem das Gefühl elenden Neides gegen


Grenzboten lit. 1874. 38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131999"/>
          <p xml:id="ID_1134" prev="#ID_1133"> von Bekanntschaften, wo nicht von Koterieen, keineswegs nur von der<lb/>
Tüchtigkeit der Leistungen ab. Soll demnach die Gehaltszulage immer blos<lb/>
von dem Gerufenwerden abhängen? Daß dem bisher meistentheils so war,<lb/>
gehört zu den widerwärtigsten Seiten des Universitätslebens. Nothwendig<lb/>
ist damit die Gelegenheit und der Anreiz zu einer Verwerthung der Rufe ge¬<lb/>
geben, die sich an der Hand thatsächlicher Erfahrungen bitter kritisiren ließe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135"> Ebendeshalb erscheint es, wenn auch nicht als eine Abstellung aller Mi߬<lb/>
stände, doch als ein relativer Fortschritt, einen anständigen Minimalgehalt der<lb/>
verschiedenen Prosessorenklasscn festzusetzen. Würde zugleich ein System von<lb/>
Alterszulagen angenommen, so würde das Marchandiren mit Rufen noch<lb/>
mehr verschwinden, und das wäre ein Segen für den Professorenstand. Daran<lb/>
ist natürlich niemals zu denken, daß alle Professoren nach gleichen Kategorien<lb/>
gleichmäßig bezahlt werden sollen. Das ist bei keiner Universität möglich.<lb/>
Stets werden einzelne hervorragende, oder für die Universität besonders werth¬<lb/>
volle Kräfte mehr erhalten, als andere. Dagegen ist Nichts zu sagen. Allein<lb/>
andererseits sollte man doch dafür sorgen, daß das übliche Heraufschrauben<lb/>
der Gehalte aus Anlaß der Berufungen erspart und daß nicht die übliche<lb/>
Ungerechtigkeit forterhalten bleibe, Lehrer, welche vollständig ihre Schuldigkeit<lb/>
thun, ruhig bei den armseligsten Gehalten zu belassen, solange ihnen die Ge¬<lb/>
legenheit fehlt, mittelst eines Rufes ein paar Hundert Thaler mehr heraus¬<lb/>
zudrücken. Wie unwürdig man den höchsten Zweig des Lehrerstandes be¬<lb/>
handelt, wenn man so verfährt, bedarf kaum der Erwähnung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1136" next="#ID_1137"> In Jena steht eine ganze Reihe von Professoren auf Gehalten, die man<lb/>
heut zu Tage kaum noch für möglich halten sollte. Wir haben konstatirt,<lb/>
daß der Durchschnitt des Gehalts ordentlicher Professoren noch nicht einmal<lb/>
den Durchschnittssatz der Gymnasiallehrergehalte erreicht. Die Gymnasial¬<lb/>
lehrer bessert man auf, die Volksschullehrer nicht minder, sogar beträchtlich.<lb/>
Wer denkt an die Professoren der Universität? Man hat wohl einzelne<lb/>
kleine Aufbesserungen vorgenommen, aber in jenem unzulänglichen Maaße,<lb/>
dessen oben gedacht wurde. Die ordentlichen Lehrer, welche nicht neu berufen<lb/>
sind, oder nicht in neuer Zeit einen Ruf genossen haben, stehen so ziemlich<lb/>
alle noch unter 1000 Thaler. Und neben ihnen sind andere berufen worden,<lb/>
werden noch täglich berufen, denen ungleich höhere Gehaltssätze bewilligt<lb/>
werden müssen. Auf solche Weise entsteht eine Ungleichheit, die unmöglich<lb/>
ohne nachtheilige Folgen abgeht. In dem engen Kreise einer kleinen Uni¬<lb/>
versität und einer kleinen Stadt wird es demnächst eine bevorzugte Klasse<lb/>
der wenigstens relativ günstig Gestellten und der Paria's geben. Der Gegensatz<lb/>
wird sich tief in das sociale Leben hinein erstrecken, das gedeihliche Zusammen¬<lb/>
leben zerstören und schließlich seine Früchte auch in dem collegialischen und<lb/>
Amtsleben tragen.  Man braucht Keinem das Gefühl elenden Neides gegen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten lit. 1874. 38</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0305] von Bekanntschaften, wo nicht von Koterieen, keineswegs nur von der Tüchtigkeit der Leistungen ab. Soll demnach die Gehaltszulage immer blos von dem Gerufenwerden abhängen? Daß dem bisher meistentheils so war, gehört zu den widerwärtigsten Seiten des Universitätslebens. Nothwendig ist damit die Gelegenheit und der Anreiz zu einer Verwerthung der Rufe ge¬ geben, die sich an der Hand thatsächlicher Erfahrungen bitter kritisiren ließe. Ebendeshalb erscheint es, wenn auch nicht als eine Abstellung aller Mi߬ stände, doch als ein relativer Fortschritt, einen anständigen Minimalgehalt der verschiedenen Prosessorenklasscn festzusetzen. Würde zugleich ein System von Alterszulagen angenommen, so würde das Marchandiren mit Rufen noch mehr verschwinden, und das wäre ein Segen für den Professorenstand. Daran ist natürlich niemals zu denken, daß alle Professoren nach gleichen Kategorien gleichmäßig bezahlt werden sollen. Das ist bei keiner Universität möglich. Stets werden einzelne hervorragende, oder für die Universität besonders werth¬ volle Kräfte mehr erhalten, als andere. Dagegen ist Nichts zu sagen. Allein andererseits sollte man doch dafür sorgen, daß das übliche Heraufschrauben der Gehalte aus Anlaß der Berufungen erspart und daß nicht die übliche Ungerechtigkeit forterhalten bleibe, Lehrer, welche vollständig ihre Schuldigkeit thun, ruhig bei den armseligsten Gehalten zu belassen, solange ihnen die Ge¬ legenheit fehlt, mittelst eines Rufes ein paar Hundert Thaler mehr heraus¬ zudrücken. Wie unwürdig man den höchsten Zweig des Lehrerstandes be¬ handelt, wenn man so verfährt, bedarf kaum der Erwähnung. In Jena steht eine ganze Reihe von Professoren auf Gehalten, die man heut zu Tage kaum noch für möglich halten sollte. Wir haben konstatirt, daß der Durchschnitt des Gehalts ordentlicher Professoren noch nicht einmal den Durchschnittssatz der Gymnasiallehrergehalte erreicht. Die Gymnasial¬ lehrer bessert man auf, die Volksschullehrer nicht minder, sogar beträchtlich. Wer denkt an die Professoren der Universität? Man hat wohl einzelne kleine Aufbesserungen vorgenommen, aber in jenem unzulänglichen Maaße, dessen oben gedacht wurde. Die ordentlichen Lehrer, welche nicht neu berufen sind, oder nicht in neuer Zeit einen Ruf genossen haben, stehen so ziemlich alle noch unter 1000 Thaler. Und neben ihnen sind andere berufen worden, werden noch täglich berufen, denen ungleich höhere Gehaltssätze bewilligt werden müssen. Auf solche Weise entsteht eine Ungleichheit, die unmöglich ohne nachtheilige Folgen abgeht. In dem engen Kreise einer kleinen Uni¬ versität und einer kleinen Stadt wird es demnächst eine bevorzugte Klasse der wenigstens relativ günstig Gestellten und der Paria's geben. Der Gegensatz wird sich tief in das sociale Leben hinein erstrecken, das gedeihliche Zusammen¬ leben zerstören und schließlich seine Früchte auch in dem collegialischen und Amtsleben tragen. Man braucht Keinem das Gefühl elenden Neides gegen Grenzboten lit. 1874. 38

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/305
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/305>, abgerufen am 22.07.2024.