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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Der Karlismus sei ein Ding für sich, das den Papst und seine Trabanten in
der Presse nichts angehe. Nur dem gläubig-katholischen Prätendenten schenke
man seine Sympathie :c. Ebensowenig hat der Ultramontanismus natürlich
mit dem Kissinger Attentat zu thun, oder solches als intellectueller Urheber
auf dem Gewissen. Auch seine Verbündung mit allen Umsturzelementen, mit
den geschworenen Feinden Deutschlands und der Schweiz sei eine Verleumdung,
sagen die schwarzen Redacteure.

Es ist wirklich recht lehrreich, die Wahrheit und Wahrhaftigkeit dieser
Abwehrversuche gegen die allgemeinen Anklagen der in- und ausländischen
Presse an einer kleinen schweizer Zeitung nachzumessen, die unter entschieden
liberaler, ja radikaler Maske ein sehr verbreitetes Organ des Ultramontanismus
am Oberrhein bildet. Es ist dies die in dem behäbigen Städtchen Klingnau
(der zweiten Eisenbahnstation zwischen Waldhut und Zürich) erscheinende
"Botschaft." Format 4 Seiten Großoctav, Erscheinen dreimal wöchentlich,
Alter und Auflage nicht nachweisbar. Verbreitung in den vormals öster¬
reichischen Vorlanden längs des Oberrheins, die seit Anfang des Jahrhunderts
zwischen Baden und der Schweiz nach dem Rheinlauf getheilt wurden, wie
gesagt erheblich. Die liberale Maske des Blattes hat die heute in ihrer
großen Mehrzahl altkatholische Bevölkerung dieser Landstriche bis jetzt, trotz
der ungeheuchelt ultramontanen Ziele dieser Zeitschrift, als treue Abonnenten
erhalten. Vielfach kann man die "Botschaft" in öffentlichen Lesezimmern
friedlich neben den "Katholischen Blättern", dem in Otter erscheinenden "Or¬
gan des Schweiz. Vereins freisinniger Katholiken" antreffen.

"Die Botschaft" hat bei ihrem nimium Format und ihrem geringen
Umfang natürlich -- so sollte man wenigstens meinen -- an die Welthändel
des Auslandes nur wenig Raum zu vergeben. Namentlich können die Kämpfe
in Spanien -- so sollte man annehmen -- bei ihrem den Ideen und Be¬
strebungen des Schweizervolkes fernabliegenden Interesse, den kostbaren Raum
der "Botschaft" nur soweit in Anspruch nehmen, als zur objectiven Aufzäh¬
lung der spanischen Tagesereignisse erforderlich ist. Indessen wer so urtheilt,
schießt weit vom Ziele. Die letzten Nummern der "Botschaft" -- von den
früheren nicht zu reden, von denen dasselbe gilt -- behandeln die spanischen
Kämpfe mit einer karlistischen Behaglichkeit, mit einer begeisterten Wärme,
als ob sich unter den Fahnen des Bourbonen die Söhne aller Pfarrersköchin¬
nen der Umgegend, und alle jene verlorenen Knechte schlügen, die trotz des
schweizerischen Bundesgesetzes, welches das Reislaufen und den Solddienst bei
fremden Herren mit dem Verlust des schweizer Bürgerrechts ahndet, der kar¬
listischen Werbung gefolgt sind. Ihre Thaten werden gefeiert, als handle es
sich um heilige nationalschweizerische Kriegsfahrten. Ja, etwas noch wunder¬
bareres ist hinzuzufügen. Der "Botschaft" erlauben selbstverständlich ihre Mit-


Der Karlismus sei ein Ding für sich, das den Papst und seine Trabanten in
der Presse nichts angehe. Nur dem gläubig-katholischen Prätendenten schenke
man seine Sympathie :c. Ebensowenig hat der Ultramontanismus natürlich
mit dem Kissinger Attentat zu thun, oder solches als intellectueller Urheber
auf dem Gewissen. Auch seine Verbündung mit allen Umsturzelementen, mit
den geschworenen Feinden Deutschlands und der Schweiz sei eine Verleumdung,
sagen die schwarzen Redacteure.

Es ist wirklich recht lehrreich, die Wahrheit und Wahrhaftigkeit dieser
Abwehrversuche gegen die allgemeinen Anklagen der in- und ausländischen
Presse an einer kleinen schweizer Zeitung nachzumessen, die unter entschieden
liberaler, ja radikaler Maske ein sehr verbreitetes Organ des Ultramontanismus
am Oberrhein bildet. Es ist dies die in dem behäbigen Städtchen Klingnau
(der zweiten Eisenbahnstation zwischen Waldhut und Zürich) erscheinende
„Botschaft." Format 4 Seiten Großoctav, Erscheinen dreimal wöchentlich,
Alter und Auflage nicht nachweisbar. Verbreitung in den vormals öster¬
reichischen Vorlanden längs des Oberrheins, die seit Anfang des Jahrhunderts
zwischen Baden und der Schweiz nach dem Rheinlauf getheilt wurden, wie
gesagt erheblich. Die liberale Maske des Blattes hat die heute in ihrer
großen Mehrzahl altkatholische Bevölkerung dieser Landstriche bis jetzt, trotz
der ungeheuchelt ultramontanen Ziele dieser Zeitschrift, als treue Abonnenten
erhalten. Vielfach kann man die „Botschaft" in öffentlichen Lesezimmern
friedlich neben den „Katholischen Blättern", dem in Otter erscheinenden „Or¬
gan des Schweiz. Vereins freisinniger Katholiken" antreffen.

„Die Botschaft" hat bei ihrem nimium Format und ihrem geringen
Umfang natürlich — so sollte man wenigstens meinen — an die Welthändel
des Auslandes nur wenig Raum zu vergeben. Namentlich können die Kämpfe
in Spanien — so sollte man annehmen — bei ihrem den Ideen und Be¬
strebungen des Schweizervolkes fernabliegenden Interesse, den kostbaren Raum
der „Botschaft" nur soweit in Anspruch nehmen, als zur objectiven Aufzäh¬
lung der spanischen Tagesereignisse erforderlich ist. Indessen wer so urtheilt,
schießt weit vom Ziele. Die letzten Nummern der „Botschaft" — von den
früheren nicht zu reden, von denen dasselbe gilt — behandeln die spanischen
Kämpfe mit einer karlistischen Behaglichkeit, mit einer begeisterten Wärme,
als ob sich unter den Fahnen des Bourbonen die Söhne aller Pfarrersköchin¬
nen der Umgegend, und alle jene verlorenen Knechte schlügen, die trotz des
schweizerischen Bundesgesetzes, welches das Reislaufen und den Solddienst bei
fremden Herren mit dem Verlust des schweizer Bürgerrechts ahndet, der kar¬
listischen Werbung gefolgt sind. Ihre Thaten werden gefeiert, als handle es
sich um heilige nationalschweizerische Kriegsfahrten. Ja, etwas noch wunder¬
bareres ist hinzuzufügen. Der „Botschaft" erlauben selbstverständlich ihre Mit-


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[0221] Der Karlismus sei ein Ding für sich, das den Papst und seine Trabanten in der Presse nichts angehe. Nur dem gläubig-katholischen Prätendenten schenke man seine Sympathie :c. Ebensowenig hat der Ultramontanismus natürlich mit dem Kissinger Attentat zu thun, oder solches als intellectueller Urheber auf dem Gewissen. Auch seine Verbündung mit allen Umsturzelementen, mit den geschworenen Feinden Deutschlands und der Schweiz sei eine Verleumdung, sagen die schwarzen Redacteure. Es ist wirklich recht lehrreich, die Wahrheit und Wahrhaftigkeit dieser Abwehrversuche gegen die allgemeinen Anklagen der in- und ausländischen Presse an einer kleinen schweizer Zeitung nachzumessen, die unter entschieden liberaler, ja radikaler Maske ein sehr verbreitetes Organ des Ultramontanismus am Oberrhein bildet. Es ist dies die in dem behäbigen Städtchen Klingnau (der zweiten Eisenbahnstation zwischen Waldhut und Zürich) erscheinende „Botschaft." Format 4 Seiten Großoctav, Erscheinen dreimal wöchentlich, Alter und Auflage nicht nachweisbar. Verbreitung in den vormals öster¬ reichischen Vorlanden längs des Oberrheins, die seit Anfang des Jahrhunderts zwischen Baden und der Schweiz nach dem Rheinlauf getheilt wurden, wie gesagt erheblich. Die liberale Maske des Blattes hat die heute in ihrer großen Mehrzahl altkatholische Bevölkerung dieser Landstriche bis jetzt, trotz der ungeheuchelt ultramontanen Ziele dieser Zeitschrift, als treue Abonnenten erhalten. Vielfach kann man die „Botschaft" in öffentlichen Lesezimmern friedlich neben den „Katholischen Blättern", dem in Otter erscheinenden „Or¬ gan des Schweiz. Vereins freisinniger Katholiken" antreffen. „Die Botschaft" hat bei ihrem nimium Format und ihrem geringen Umfang natürlich — so sollte man wenigstens meinen — an die Welthändel des Auslandes nur wenig Raum zu vergeben. Namentlich können die Kämpfe in Spanien — so sollte man annehmen — bei ihrem den Ideen und Be¬ strebungen des Schweizervolkes fernabliegenden Interesse, den kostbaren Raum der „Botschaft" nur soweit in Anspruch nehmen, als zur objectiven Aufzäh¬ lung der spanischen Tagesereignisse erforderlich ist. Indessen wer so urtheilt, schießt weit vom Ziele. Die letzten Nummern der „Botschaft" — von den früheren nicht zu reden, von denen dasselbe gilt — behandeln die spanischen Kämpfe mit einer karlistischen Behaglichkeit, mit einer begeisterten Wärme, als ob sich unter den Fahnen des Bourbonen die Söhne aller Pfarrersköchin¬ nen der Umgegend, und alle jene verlorenen Knechte schlügen, die trotz des schweizerischen Bundesgesetzes, welches das Reislaufen und den Solddienst bei fremden Herren mit dem Verlust des schweizer Bürgerrechts ahndet, der kar¬ listischen Werbung gefolgt sind. Ihre Thaten werden gefeiert, als handle es sich um heilige nationalschweizerische Kriegsfahrten. Ja, etwas noch wunder¬ bareres ist hinzuzufügen. Der „Botschaft" erlauben selbstverständlich ihre Mit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/221>, abgerufen am 22.07.2024.