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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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und Abgaben, von denen sämmtliche deutsche Ströme jetzt befreit sind (die
Elbe zuletzt, seit 1. Juli 1870), die größte Schuld, eben so wenig ist die
Concurrenz der Eisenbahnen allein dafür verantwortlich zu machen: sondern
der trostlose Zustand der Ströme selbst, ihre zunehmende Versandung und
die Berflachung des Fahrwassers haben am meisten dazu beigetragen." --
Der einen Hauptursache für diese Erscheinung, der EntHolzung der Höhen,
welche sich an dem Laufe des Stromes hinziehen, tritt die Regierung neuer¬
dings zwar entgegen, allein mehr als dies hat die UnVollkommenheit der jetzt
üblichen Flußregulirung diese so schwer wiegende Thatsache geschaffen. Die
durch Buhnenbau beabsichtigte Geradlegung des so tausendfach gekrümmten
Schlangenlaufes der Ströme hat vielfach das Gegentheil der beabsichtigten
Wirkung zur Folge gehabt, nämlich das Wasser zu schnell abfließen, die Ver¬
sandung der Ströme zunehmen, das verengte Fahrwasser aber nicht tiefer
werden lassen. (E. Meyer, a. a. O.)

"Diese Sachlage", folgert Meitzen, "weist also unbedingt auf Kanalbauten,
d. h. Kanalisirung der Flüsse hin. Offenbar können die an sich günstig ge¬
legenen Stromlinien nur durch dieses Mittel praktisch völlig brauchbar ge¬
macht werden. Gut gebaute Kanäle sind unbestritten das radicale Heilmittel
für die vorhandenen Uebelstände: denn die Kanalisirung vermag mit
wenig Wasser dauernd gleichmäßige Wasserstande von hin¬
reichender Tiefe zu schaffen. Ein Kanal hebt den durch das Gefälle
bedingten Abfluß fast ganz auf; sein Wasserverlust durch Verdunstung, Durch-
sickerung u. tgi. ist verhältnißmäßig gering, und in Deutschland vermögen
bei der sommerlichen Regenmenge von etwa 215 Caer. (86 Zoll), obwohl
zwei Drittel davon verdunsten, selbst sehr kleine Gewässer die Ansprüche der
Kanäle zu befriedigen. Jeder unserer Ströme kann so bis nahe an
seine Quellen schiffbar gemacht werden, und es giebt genügende
Punkte, über welche sich nach den Hauptrichtungen auch in den süddeutschen
Gebirgen die kanalisirten Ströme zu zusammenhängenden Kanalsystemen,
ähnlich den französischen, verbinden lassen würden." Fügen wir noch hinzu,
daß die Technik des Kanalbaues auf sehr hoher Stufe steht: wer in Frank¬
reich oder in der Schweiz gereist hat, dem wird das Schauspiel, einen Kanal
über den andern hinweg spazieren zu sehen, nichts Neues mehr sein.

6. Den ungemeinen Nutzen der Kanäle glauben wir somit in ein so
Helles Licht gesetzt zu haben, daß der Schluß gerechtfertigt erscheint: An¬
genommen die Kanalanlagen wären an sich nicht rentabel, so würde es im
öffentlichen Interesse geboten erscheinen, Staatsmittel s. tora xsräu auf sie zu
verwenden. Allein es läßt sich zeigen, daß die Eisenbahnen die Rentabilität
der Kanäle auf die Dauer nicht aufgehoben haben.

E. Wiß, der 14 Jahre in den Bereinigten Staaten gelebt hat und


Grenzboten til. 187-1, 22

und Abgaben, von denen sämmtliche deutsche Ströme jetzt befreit sind (die
Elbe zuletzt, seit 1. Juli 1870), die größte Schuld, eben so wenig ist die
Concurrenz der Eisenbahnen allein dafür verantwortlich zu machen: sondern
der trostlose Zustand der Ströme selbst, ihre zunehmende Versandung und
die Berflachung des Fahrwassers haben am meisten dazu beigetragen." —
Der einen Hauptursache für diese Erscheinung, der EntHolzung der Höhen,
welche sich an dem Laufe des Stromes hinziehen, tritt die Regierung neuer¬
dings zwar entgegen, allein mehr als dies hat die UnVollkommenheit der jetzt
üblichen Flußregulirung diese so schwer wiegende Thatsache geschaffen. Die
durch Buhnenbau beabsichtigte Geradlegung des so tausendfach gekrümmten
Schlangenlaufes der Ströme hat vielfach das Gegentheil der beabsichtigten
Wirkung zur Folge gehabt, nämlich das Wasser zu schnell abfließen, die Ver¬
sandung der Ströme zunehmen, das verengte Fahrwasser aber nicht tiefer
werden lassen. (E. Meyer, a. a. O.)

„Diese Sachlage", folgert Meitzen, „weist also unbedingt auf Kanalbauten,
d. h. Kanalisirung der Flüsse hin. Offenbar können die an sich günstig ge¬
legenen Stromlinien nur durch dieses Mittel praktisch völlig brauchbar ge¬
macht werden. Gut gebaute Kanäle sind unbestritten das radicale Heilmittel
für die vorhandenen Uebelstände: denn die Kanalisirung vermag mit
wenig Wasser dauernd gleichmäßige Wasserstande von hin¬
reichender Tiefe zu schaffen. Ein Kanal hebt den durch das Gefälle
bedingten Abfluß fast ganz auf; sein Wasserverlust durch Verdunstung, Durch-
sickerung u. tgi. ist verhältnißmäßig gering, und in Deutschland vermögen
bei der sommerlichen Regenmenge von etwa 215 Caer. (86 Zoll), obwohl
zwei Drittel davon verdunsten, selbst sehr kleine Gewässer die Ansprüche der
Kanäle zu befriedigen. Jeder unserer Ströme kann so bis nahe an
seine Quellen schiffbar gemacht werden, und es giebt genügende
Punkte, über welche sich nach den Hauptrichtungen auch in den süddeutschen
Gebirgen die kanalisirten Ströme zu zusammenhängenden Kanalsystemen,
ähnlich den französischen, verbinden lassen würden." Fügen wir noch hinzu,
daß die Technik des Kanalbaues auf sehr hoher Stufe steht: wer in Frank¬
reich oder in der Schweiz gereist hat, dem wird das Schauspiel, einen Kanal
über den andern hinweg spazieren zu sehen, nichts Neues mehr sein.

6. Den ungemeinen Nutzen der Kanäle glauben wir somit in ein so
Helles Licht gesetzt zu haben, daß der Schluß gerechtfertigt erscheint: An¬
genommen die Kanalanlagen wären an sich nicht rentabel, so würde es im
öffentlichen Interesse geboten erscheinen, Staatsmittel s. tora xsräu auf sie zu
verwenden. Allein es läßt sich zeigen, daß die Eisenbahnen die Rentabilität
der Kanäle auf die Dauer nicht aufgehoben haben.

E. Wiß, der 14 Jahre in den Bereinigten Staaten gelebt hat und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/177>, abgerufen am 22.07.2024.