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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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dessen Bedingungen von fast allen Schriftstellern als unbillig, ungroßmüthig
und maßlos verschrieen worden sind. Mit Recht tritt der Freiherr von
Schroartzenau in seinem Werke über Bourbon diesem landläufigen Urtheil
entgegen. "Franz gab Burgund zurück, eine Provinz, auf welche der Kaiser
die gerechtesten Ansprüche hatte; er entsagte der Lehnsherrlichkeit über Flandern
und Artois, d. h. bei dem Machtverhältnisse des Lehnsherrn (Franz) zum
Lehnsträger (Karl) einer bloßen Förmlichkeit; er gab seine zweifelhaften An¬
sprüche auf Mailand auf, das sich thatsächlich ja schon in des Kaisers Hand
befand; er restituirte dem Herzoge von Bourbon seine Stammlande, ohne ihn
bezüglich der Ansprüche auf die Provence zu befriedigen. Wo zeugen so
mäßige Bedingungen von übermäßiger Härte?" Außerdem wurde ein Bündniß
zwischen Spanien und Frankreich geschlossen; Bourbon entsagte der Hand der
ihm verlobten Königin-Wittwe Eleonore von Portugal, welche der Kaiser
dem Könige Franz vermählte und ihr, abgesehn von der Aussteuer, seine An¬
sprüche auf Macon, Auxerre und Bar für Seine mitgab.

Am 18. März 1526 wurde Franz I. auf der Bidafsoabrücke zu Fuen-
terabia gegen seine beiden, zu Geißeln bestimmten Söhne ausgewechselt. So¬
bald er das französische Ufer betrat, warf er sich auf ein bereitstehendes
türkisches Pferd und brach fortsprengend in den jubelnden Ruf aus: "^<z suis
Is no^! i-uis 1e lip)'!*) -- Der große Ringkawpf zwischen Spanien und
Frankreich schien beendet. Aber es schien nur so! Einige Stunden vor
Unterzeichnung des Madrider Friedens hatte König Franz in Gegenwart der
anwesenden französischen Großen die notarielle Erklärung niedergelegt: "daß
er den Tractat gegen seinen Willen und nur zum Scheine annehme, daß er
ihn als erzwungen und nichtig betrachte und entschlossen sei, ihn nicht zu er¬
füllen." -- Unmittelbar darauf schwur er dem Kaiser, "wieder als Kriegs¬
gefangener nach Spanien zurückzukehren, wenn binnen sechs Wochen die
Übergabe Burgunds und binnen vier Monaten die völlige Ratifikation der
Fri^densbedingungen nicht erfolgt sei." Der lioi Mutiliwinmö brach diesen
Eid ohne Zögern. Die allgemeinen polnischen Verhältnisse ermuihigien ihn
dazu, und der Neu-Auebruch des Krieges in Italien lehrte, daß die Gefangen¬
nahme eines Souverains nur dann Werth hat. wenn man auch Herr seines
Reiches ist, daß ein Sieg nur dann Früchte trägt, wenn man ihn verfolgt,
und namentlich uns Deutschen zeigt dies Schauspiel im Spiegel der Vergangen¬
heit anschaulich und klar, wie wohl König Wilhelm that, als er nach Tetan
keinen voreiligen Frieden mit Frankreich schloß.





") Sandoval.

dessen Bedingungen von fast allen Schriftstellern als unbillig, ungroßmüthig
und maßlos verschrieen worden sind. Mit Recht tritt der Freiherr von
Schroartzenau in seinem Werke über Bourbon diesem landläufigen Urtheil
entgegen. „Franz gab Burgund zurück, eine Provinz, auf welche der Kaiser
die gerechtesten Ansprüche hatte; er entsagte der Lehnsherrlichkeit über Flandern
und Artois, d. h. bei dem Machtverhältnisse des Lehnsherrn (Franz) zum
Lehnsträger (Karl) einer bloßen Förmlichkeit; er gab seine zweifelhaften An¬
sprüche auf Mailand auf, das sich thatsächlich ja schon in des Kaisers Hand
befand; er restituirte dem Herzoge von Bourbon seine Stammlande, ohne ihn
bezüglich der Ansprüche auf die Provence zu befriedigen. Wo zeugen so
mäßige Bedingungen von übermäßiger Härte?" Außerdem wurde ein Bündniß
zwischen Spanien und Frankreich geschlossen; Bourbon entsagte der Hand der
ihm verlobten Königin-Wittwe Eleonore von Portugal, welche der Kaiser
dem Könige Franz vermählte und ihr, abgesehn von der Aussteuer, seine An¬
sprüche auf Macon, Auxerre und Bar für Seine mitgab.

Am 18. März 1526 wurde Franz I. auf der Bidafsoabrücke zu Fuen-
terabia gegen seine beiden, zu Geißeln bestimmten Söhne ausgewechselt. So¬
bald er das französische Ufer betrat, warf er sich auf ein bereitstehendes
türkisches Pferd und brach fortsprengend in den jubelnden Ruf aus: „^<z suis
Is no^! i-uis 1e lip)'!*) — Der große Ringkawpf zwischen Spanien und
Frankreich schien beendet. Aber es schien nur so! Einige Stunden vor
Unterzeichnung des Madrider Friedens hatte König Franz in Gegenwart der
anwesenden französischen Großen die notarielle Erklärung niedergelegt: „daß
er den Tractat gegen seinen Willen und nur zum Scheine annehme, daß er
ihn als erzwungen und nichtig betrachte und entschlossen sei, ihn nicht zu er¬
füllen." — Unmittelbar darauf schwur er dem Kaiser, „wieder als Kriegs¬
gefangener nach Spanien zurückzukehren, wenn binnen sechs Wochen die
Übergabe Burgunds und binnen vier Monaten die völlige Ratifikation der
Fri^densbedingungen nicht erfolgt sei." Der lioi Mutiliwinmö brach diesen
Eid ohne Zögern. Die allgemeinen polnischen Verhältnisse ermuihigien ihn
dazu, und der Neu-Auebruch des Krieges in Italien lehrte, daß die Gefangen¬
nahme eines Souverains nur dann Werth hat. wenn man auch Herr seines
Reiches ist, daß ein Sieg nur dann Früchte trägt, wenn man ihn verfolgt,
und namentlich uns Deutschen zeigt dies Schauspiel im Spiegel der Vergangen¬
heit anschaulich und klar, wie wohl König Wilhelm that, als er nach Tetan
keinen voreiligen Frieden mit Frankreich schloß.





") Sandoval.
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[0148] dessen Bedingungen von fast allen Schriftstellern als unbillig, ungroßmüthig und maßlos verschrieen worden sind. Mit Recht tritt der Freiherr von Schroartzenau in seinem Werke über Bourbon diesem landläufigen Urtheil entgegen. „Franz gab Burgund zurück, eine Provinz, auf welche der Kaiser die gerechtesten Ansprüche hatte; er entsagte der Lehnsherrlichkeit über Flandern und Artois, d. h. bei dem Machtverhältnisse des Lehnsherrn (Franz) zum Lehnsträger (Karl) einer bloßen Förmlichkeit; er gab seine zweifelhaften An¬ sprüche auf Mailand auf, das sich thatsächlich ja schon in des Kaisers Hand befand; er restituirte dem Herzoge von Bourbon seine Stammlande, ohne ihn bezüglich der Ansprüche auf die Provence zu befriedigen. Wo zeugen so mäßige Bedingungen von übermäßiger Härte?" Außerdem wurde ein Bündniß zwischen Spanien und Frankreich geschlossen; Bourbon entsagte der Hand der ihm verlobten Königin-Wittwe Eleonore von Portugal, welche der Kaiser dem Könige Franz vermählte und ihr, abgesehn von der Aussteuer, seine An¬ sprüche auf Macon, Auxerre und Bar für Seine mitgab. Am 18. März 1526 wurde Franz I. auf der Bidafsoabrücke zu Fuen- terabia gegen seine beiden, zu Geißeln bestimmten Söhne ausgewechselt. So¬ bald er das französische Ufer betrat, warf er sich auf ein bereitstehendes türkisches Pferd und brach fortsprengend in den jubelnden Ruf aus: „^<z suis Is no^! i-uis 1e lip)'!*) — Der große Ringkawpf zwischen Spanien und Frankreich schien beendet. Aber es schien nur so! Einige Stunden vor Unterzeichnung des Madrider Friedens hatte König Franz in Gegenwart der anwesenden französischen Großen die notarielle Erklärung niedergelegt: „daß er den Tractat gegen seinen Willen und nur zum Scheine annehme, daß er ihn als erzwungen und nichtig betrachte und entschlossen sei, ihn nicht zu er¬ füllen." — Unmittelbar darauf schwur er dem Kaiser, „wieder als Kriegs¬ gefangener nach Spanien zurückzukehren, wenn binnen sechs Wochen die Übergabe Burgunds und binnen vier Monaten die völlige Ratifikation der Fri^densbedingungen nicht erfolgt sei." Der lioi Mutiliwinmö brach diesen Eid ohne Zögern. Die allgemeinen polnischen Verhältnisse ermuihigien ihn dazu, und der Neu-Auebruch des Krieges in Italien lehrte, daß die Gefangen¬ nahme eines Souverains nur dann Werth hat. wenn man auch Herr seines Reiches ist, daß ein Sieg nur dann Früchte trägt, wenn man ihn verfolgt, und namentlich uns Deutschen zeigt dies Schauspiel im Spiegel der Vergangen¬ heit anschaulich und klar, wie wohl König Wilhelm that, als er nach Tetan keinen voreiligen Frieden mit Frankreich schloß. ") Sandoval.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/148>, abgerufen am 03.07.2024.