Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Daß und wie aber bald darauf oder vielmehr im Zusammenhang mit
der Stimmung der Zeit die deutschen Erzbischöfe auf Grund des Buches
Febronius (1763--1778, von I. Nie. von Hontheim, Weihbisch, von Trier)
in der Bad-Emser-Punctation 1786 den Standpunkt des Episcopal-
systems eingenommen haben, bis dahin, daß nach dem Aschaffenburger Con-
cordate (1447) die dem Papste zugestandene Kirchengewalt immer nur auf 5
Jahre gelten solle, mit Zurückweisung des päpstlichen Nuntius ist zu bekannt,
als daß es weiterer Nachweisung bedürfte.

Und daß dieser Standpunkt von den eifrigsten Katholiken behauptet worden
ist bis auf die neueste Zeit, ebenso von Lehrern des Kirchenrechts (Droste-
Hülshoff ze,), von den katholisch-theologischen Facultäten (Gießen ze.), als
von deutschen Bischöfen (v. Wessenberg :e.) ist Alles so entschieden, daß nur
Unwissenheit oder böser Wille das leugnen kann.

Danach ist, der christlichen Morgenländischen Kirche gar nicht zu gedenken,
auch für das christliche Abendland der Altkatholicismus die allein ächte katho¬
lische Lehre bis zum Vatieanischen Concil 1870.

Natürlich hat die preußische Verfassung in §. Is nicht daran denken
können, den so durch die ganze Kirchengeschichte bezeugten und bei der Auf.
richtung der Verfassung factisch vorhandenen, nur von den Curialisten be¬
kämpften, Standpunkt, der ebenso entschieden von den größten öcumenischen
Corallen durch Wort und That declarirt ist, als die Jnfallibilität vor 1870
nie declarirt wär, auszuschließen; wenn die Verfassung auch keine Entscheidung
über die Gegensätze gegeben hat, mit der Verfassung hat der Cultusminister
seine Verpflichtung beschworen, beiden Parteien ihre Rechte zu wahren und
zu gewähren.

So verlangt Eid und Pflicht des Cultusministers, den Anspruch der
Altkatholiken auf Besitz und Genuß der katholischen "Anstalten, Stiftungen
und Forts" vollständig zu wahren.

Ja das strenge Recht verlangt eigentlich, daß die Altkatholiken allein
noch Anspruch haben auf die vom Staate in der Verfassung gewährten Rechte:
weil sie den Standpunkt, den katholischen Glauben, auf dessen Grund der
"römisch-katholischen" Kirche ihre Rechte in Preußen gewährt worden sind,
nicht verlassen haben, während die Gegenpartei der Neuka es oliken
das gethan hat.

Sind nun die Altkatholiken durch das Vaticanische Concil und den un¬
verständigen Eifer der Jesuiten und Neukatholtken dazu gedrängt worden, sich
vom Papstthum loszusagen, so ist das nicht Schuld der preußischen Regierung,
sondern der jesuitischen Partei, kann aber die preußische Regierung nicht
veranlassen, den Altkatholiken die ihnen in §. Is gewährleisteten Rechte zu
entziehen.


Grenzboten III. 1874. 17,

Daß und wie aber bald darauf oder vielmehr im Zusammenhang mit
der Stimmung der Zeit die deutschen Erzbischöfe auf Grund des Buches
Febronius (1763—1778, von I. Nie. von Hontheim, Weihbisch, von Trier)
in der Bad-Emser-Punctation 1786 den Standpunkt des Episcopal-
systems eingenommen haben, bis dahin, daß nach dem Aschaffenburger Con-
cordate (1447) die dem Papste zugestandene Kirchengewalt immer nur auf 5
Jahre gelten solle, mit Zurückweisung des päpstlichen Nuntius ist zu bekannt,
als daß es weiterer Nachweisung bedürfte.

Und daß dieser Standpunkt von den eifrigsten Katholiken behauptet worden
ist bis auf die neueste Zeit, ebenso von Lehrern des Kirchenrechts (Droste-
Hülshoff ze,), von den katholisch-theologischen Facultäten (Gießen ze.), als
von deutschen Bischöfen (v. Wessenberg :e.) ist Alles so entschieden, daß nur
Unwissenheit oder böser Wille das leugnen kann.

Danach ist, der christlichen Morgenländischen Kirche gar nicht zu gedenken,
auch für das christliche Abendland der Altkatholicismus die allein ächte katho¬
lische Lehre bis zum Vatieanischen Concil 1870.

Natürlich hat die preußische Verfassung in §. Is nicht daran denken
können, den so durch die ganze Kirchengeschichte bezeugten und bei der Auf.
richtung der Verfassung factisch vorhandenen, nur von den Curialisten be¬
kämpften, Standpunkt, der ebenso entschieden von den größten öcumenischen
Corallen durch Wort und That declarirt ist, als die Jnfallibilität vor 1870
nie declarirt wär, auszuschließen; wenn die Verfassung auch keine Entscheidung
über die Gegensätze gegeben hat, mit der Verfassung hat der Cultusminister
seine Verpflichtung beschworen, beiden Parteien ihre Rechte zu wahren und
zu gewähren.

So verlangt Eid und Pflicht des Cultusministers, den Anspruch der
Altkatholiken auf Besitz und Genuß der katholischen „Anstalten, Stiftungen
und Forts" vollständig zu wahren.

Ja das strenge Recht verlangt eigentlich, daß die Altkatholiken allein
noch Anspruch haben auf die vom Staate in der Verfassung gewährten Rechte:
weil sie den Standpunkt, den katholischen Glauben, auf dessen Grund der
„römisch-katholischen" Kirche ihre Rechte in Preußen gewährt worden sind,
nicht verlassen haben, während die Gegenpartei der Neuka es oliken
das gethan hat.

Sind nun die Altkatholiken durch das Vaticanische Concil und den un¬
verständigen Eifer der Jesuiten und Neukatholtken dazu gedrängt worden, sich
vom Papstthum loszusagen, so ist das nicht Schuld der preußischen Regierung,
sondern der jesuitischen Partei, kann aber die preußische Regierung nicht
veranlassen, den Altkatholiken die ihnen in §. Is gewährleisteten Rechte zu
entziehen.


Grenzboten III. 1874. 17,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131831"/>
          <p xml:id="ID_490"> Daß und wie aber bald darauf oder vielmehr im Zusammenhang mit<lb/>
der Stimmung der Zeit die deutschen Erzbischöfe auf Grund des Buches<lb/>
Febronius (1763&#x2014;1778, von I. Nie. von Hontheim, Weihbisch, von Trier)<lb/>
in der Bad-Emser-Punctation 1786 den Standpunkt des Episcopal-<lb/>
systems eingenommen haben, bis dahin, daß nach dem Aschaffenburger Con-<lb/>
cordate (1447) die dem Papste zugestandene Kirchengewalt immer nur auf 5<lb/>
Jahre gelten solle, mit Zurückweisung des päpstlichen Nuntius ist zu bekannt,<lb/>
als daß es weiterer Nachweisung bedürfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_491"> Und daß dieser Standpunkt von den eifrigsten Katholiken behauptet worden<lb/>
ist bis auf die neueste Zeit, ebenso von Lehrern des Kirchenrechts (Droste-<lb/>
Hülshoff ze,), von den katholisch-theologischen Facultäten (Gießen ze.), als<lb/>
von deutschen Bischöfen (v. Wessenberg :e.) ist Alles so entschieden, daß nur<lb/>
Unwissenheit oder böser Wille das leugnen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_492"> Danach ist, der christlichen Morgenländischen Kirche gar nicht zu gedenken,<lb/>
auch für das christliche Abendland der Altkatholicismus die allein ächte katho¬<lb/>
lische Lehre bis zum Vatieanischen Concil 1870.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_493"> Natürlich hat die preußische Verfassung in §. Is nicht daran denken<lb/>
können, den so durch die ganze Kirchengeschichte bezeugten und bei der Auf.<lb/>
richtung der Verfassung factisch vorhandenen, nur von den Curialisten be¬<lb/>
kämpften, Standpunkt, der ebenso entschieden von den größten öcumenischen<lb/>
Corallen durch Wort und That declarirt ist, als die Jnfallibilität vor 1870<lb/>
nie declarirt wär, auszuschließen; wenn die Verfassung auch keine Entscheidung<lb/>
über die Gegensätze gegeben hat, mit der Verfassung hat der Cultusminister<lb/>
seine Verpflichtung beschworen, beiden Parteien ihre Rechte zu wahren und<lb/>
zu gewähren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_494"> So verlangt Eid und Pflicht des Cultusministers, den Anspruch der<lb/>
Altkatholiken auf Besitz und Genuß der katholischen &#x201E;Anstalten, Stiftungen<lb/>
und Forts" vollständig zu wahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_495"> Ja das strenge Recht verlangt eigentlich, daß die Altkatholiken allein<lb/>
noch Anspruch haben auf die vom Staate in der Verfassung gewährten Rechte:<lb/>
weil sie den Standpunkt, den katholischen Glauben, auf dessen Grund der<lb/>
&#x201E;römisch-katholischen" Kirche ihre Rechte in Preußen gewährt worden sind,<lb/>
nicht verlassen haben, während die Gegenpartei der Neuka es oliken<lb/>
das gethan hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_496"> Sind nun die Altkatholiken durch das Vaticanische Concil und den un¬<lb/>
verständigen Eifer der Jesuiten und Neukatholtken dazu gedrängt worden, sich<lb/>
vom Papstthum loszusagen, so ist das nicht Schuld der preußischen Regierung,<lb/>
sondern der jesuitischen Partei, kann aber die preußische Regierung nicht<lb/>
veranlassen, den Altkatholiken die ihnen in §. Is gewährleisteten Rechte zu<lb/>
entziehen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1874. 17,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] Daß und wie aber bald darauf oder vielmehr im Zusammenhang mit der Stimmung der Zeit die deutschen Erzbischöfe auf Grund des Buches Febronius (1763—1778, von I. Nie. von Hontheim, Weihbisch, von Trier) in der Bad-Emser-Punctation 1786 den Standpunkt des Episcopal- systems eingenommen haben, bis dahin, daß nach dem Aschaffenburger Con- cordate (1447) die dem Papste zugestandene Kirchengewalt immer nur auf 5 Jahre gelten solle, mit Zurückweisung des päpstlichen Nuntius ist zu bekannt, als daß es weiterer Nachweisung bedürfte. Und daß dieser Standpunkt von den eifrigsten Katholiken behauptet worden ist bis auf die neueste Zeit, ebenso von Lehrern des Kirchenrechts (Droste- Hülshoff ze,), von den katholisch-theologischen Facultäten (Gießen ze.), als von deutschen Bischöfen (v. Wessenberg :e.) ist Alles so entschieden, daß nur Unwissenheit oder böser Wille das leugnen kann. Danach ist, der christlichen Morgenländischen Kirche gar nicht zu gedenken, auch für das christliche Abendland der Altkatholicismus die allein ächte katho¬ lische Lehre bis zum Vatieanischen Concil 1870. Natürlich hat die preußische Verfassung in §. Is nicht daran denken können, den so durch die ganze Kirchengeschichte bezeugten und bei der Auf. richtung der Verfassung factisch vorhandenen, nur von den Curialisten be¬ kämpften, Standpunkt, der ebenso entschieden von den größten öcumenischen Corallen durch Wort und That declarirt ist, als die Jnfallibilität vor 1870 nie declarirt wär, auszuschließen; wenn die Verfassung auch keine Entscheidung über die Gegensätze gegeben hat, mit der Verfassung hat der Cultusminister seine Verpflichtung beschworen, beiden Parteien ihre Rechte zu wahren und zu gewähren. So verlangt Eid und Pflicht des Cultusministers, den Anspruch der Altkatholiken auf Besitz und Genuß der katholischen „Anstalten, Stiftungen und Forts" vollständig zu wahren. Ja das strenge Recht verlangt eigentlich, daß die Altkatholiken allein noch Anspruch haben auf die vom Staate in der Verfassung gewährten Rechte: weil sie den Standpunkt, den katholischen Glauben, auf dessen Grund der „römisch-katholischen" Kirche ihre Rechte in Preußen gewährt worden sind, nicht verlassen haben, während die Gegenpartei der Neuka es oliken das gethan hat. Sind nun die Altkatholiken durch das Vaticanische Concil und den un¬ verständigen Eifer der Jesuiten und Neukatholtken dazu gedrängt worden, sich vom Papstthum loszusagen, so ist das nicht Schuld der preußischen Regierung, sondern der jesuitischen Partei, kann aber die preußische Regierung nicht veranlassen, den Altkatholiken die ihnen in §. Is gewährleisteten Rechte zu entziehen. Grenzboten III. 1874. 17,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/137>, abgerufen am 03.07.2024.