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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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keit und Schnelligkeit, mit der die französische Artillerie bedient ward. San¬
doval sagt in seiner Geschichte Kaiser Karl's V.: "Sie bewegten die Geschütze
mit solcher Kunst, daß sie, ohne dasselbe von den Pferden zu trennen, die es
zogen, blos die Mündung vorwärts kehrten, mit Hülfe eines in der Laffete
angebrachten starken Bügels, der den Rückstoß aufhielt; auf solche Weise
konnten sie nicht nur mit jedem Geschütz feuern, sondern auch dasselbe
überallhin richten, wohin der Artillerist verlangte." Diese Darstellung ist
allerdings nichts weniger als klar; sie deutet aber jedenfalls auf große
Manövrirfähigkeit und auf technische Detaileinrichtungen hin, die auf recht ein¬
gehendes Studium der Waffe schließen lassen.

Die Zugthiere der kaiserlichen Artillerie scheinen sogleich durch das fran¬
zösische Feuer ereilt worden zu sein, und noch ehe die wenigen Geschütze über¬
haupt zum Schuß gekommen, waren sie auch schon von der leichten Reiterei
des Prinzen von Bozzola genommen.*) Es dürfte nicht viel an ihnen ver¬
loren gewesen sein.

Während dieses Gefechtes der französischen Avantgarde mit der kaiserlichen
Nachhut, bei welchem die Artillerie beider Heere so sehr verschiedene Rollen
spielte, nahmen die Armeen Stellung zu einander. Das kaiserliche Heer
mußte von seinem ursprünglichen Plane, direct auf Pavia zu marschieren,
abgehn und dem Feinde eine Front entgegenstellen **); empfindlich von dem
Flankenfeuer Galliot's betroffen, schwenkte es links ein und stand nun mit
dem rechten Flügel an Mirabell, mit dem linken an die Parkmauer gelehnt,
Front nach Süden. Den äußersten rechten Flügel nahm Pescara mit den
spanischen Schützen ein; im Centrum stand die schwere Retterei, nämlich die
Deutschen unter dem Grafen Salm, die Spanier unter Hugo Cardonius.
Dann folgten nach dem linken Flügel zu die hellen Haufen der deutschen
Landsknechte unter Frundsberg und endlich auf dem linken Flügel ein Ge¬
schwader neapolitanischer Reiter unter Castaldo, Markgrafen von Platera.
Während der Formirung wurden die kaiserlichen Schaaren beständig von der
trefflich bedienten französischen Artillerie beschossen, so daß selbst vornehme
Krieger, unter ihnen der Vicekönig in einer Weise Deckung suchten, welche
kein gutes Beispiel gab."**) -- Das Heer Franz' I. marschierte dagegen unter
dem Schutz seiner Artillerie auf, welche gewissermaßen ein vorgeschobenes
Echelon des rechten Flügels bildete. Der König selbst mit der Gensdarmerie
sammt deren Anhang an Archers, Coustiliers u. s. w., nahm die Mitte des
Haupttreffens ein; zu seiner Rechten standen die Schweizer, deren Flügel durch





") Sandoval.
P- Jovius.
Jovius und Reißner.

keit und Schnelligkeit, mit der die französische Artillerie bedient ward. San¬
doval sagt in seiner Geschichte Kaiser Karl's V.: „Sie bewegten die Geschütze
mit solcher Kunst, daß sie, ohne dasselbe von den Pferden zu trennen, die es
zogen, blos die Mündung vorwärts kehrten, mit Hülfe eines in der Laffete
angebrachten starken Bügels, der den Rückstoß aufhielt; auf solche Weise
konnten sie nicht nur mit jedem Geschütz feuern, sondern auch dasselbe
überallhin richten, wohin der Artillerist verlangte." Diese Darstellung ist
allerdings nichts weniger als klar; sie deutet aber jedenfalls auf große
Manövrirfähigkeit und auf technische Detaileinrichtungen hin, die auf recht ein¬
gehendes Studium der Waffe schließen lassen.

Die Zugthiere der kaiserlichen Artillerie scheinen sogleich durch das fran¬
zösische Feuer ereilt worden zu sein, und noch ehe die wenigen Geschütze über¬
haupt zum Schuß gekommen, waren sie auch schon von der leichten Reiterei
des Prinzen von Bozzola genommen.*) Es dürfte nicht viel an ihnen ver¬
loren gewesen sein.

Während dieses Gefechtes der französischen Avantgarde mit der kaiserlichen
Nachhut, bei welchem die Artillerie beider Heere so sehr verschiedene Rollen
spielte, nahmen die Armeen Stellung zu einander. Das kaiserliche Heer
mußte von seinem ursprünglichen Plane, direct auf Pavia zu marschieren,
abgehn und dem Feinde eine Front entgegenstellen **); empfindlich von dem
Flankenfeuer Galliot's betroffen, schwenkte es links ein und stand nun mit
dem rechten Flügel an Mirabell, mit dem linken an die Parkmauer gelehnt,
Front nach Süden. Den äußersten rechten Flügel nahm Pescara mit den
spanischen Schützen ein; im Centrum stand die schwere Retterei, nämlich die
Deutschen unter dem Grafen Salm, die Spanier unter Hugo Cardonius.
Dann folgten nach dem linken Flügel zu die hellen Haufen der deutschen
Landsknechte unter Frundsberg und endlich auf dem linken Flügel ein Ge¬
schwader neapolitanischer Reiter unter Castaldo, Markgrafen von Platera.
Während der Formirung wurden die kaiserlichen Schaaren beständig von der
trefflich bedienten französischen Artillerie beschossen, so daß selbst vornehme
Krieger, unter ihnen der Vicekönig in einer Weise Deckung suchten, welche
kein gutes Beispiel gab."**) — Das Heer Franz' I. marschierte dagegen unter
dem Schutz seiner Artillerie auf, welche gewissermaßen ein vorgeschobenes
Echelon des rechten Flügels bildete. Der König selbst mit der Gensdarmerie
sammt deren Anhang an Archers, Coustiliers u. s. w., nahm die Mitte des
Haupttreffens ein; zu seiner Rechten standen die Schweizer, deren Flügel durch





") Sandoval.
P- Jovius.
Jovius und Reißner.
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[0104] keit und Schnelligkeit, mit der die französische Artillerie bedient ward. San¬ doval sagt in seiner Geschichte Kaiser Karl's V.: „Sie bewegten die Geschütze mit solcher Kunst, daß sie, ohne dasselbe von den Pferden zu trennen, die es zogen, blos die Mündung vorwärts kehrten, mit Hülfe eines in der Laffete angebrachten starken Bügels, der den Rückstoß aufhielt; auf solche Weise konnten sie nicht nur mit jedem Geschütz feuern, sondern auch dasselbe überallhin richten, wohin der Artillerist verlangte." Diese Darstellung ist allerdings nichts weniger als klar; sie deutet aber jedenfalls auf große Manövrirfähigkeit und auf technische Detaileinrichtungen hin, die auf recht ein¬ gehendes Studium der Waffe schließen lassen. Die Zugthiere der kaiserlichen Artillerie scheinen sogleich durch das fran¬ zösische Feuer ereilt worden zu sein, und noch ehe die wenigen Geschütze über¬ haupt zum Schuß gekommen, waren sie auch schon von der leichten Reiterei des Prinzen von Bozzola genommen.*) Es dürfte nicht viel an ihnen ver¬ loren gewesen sein. Während dieses Gefechtes der französischen Avantgarde mit der kaiserlichen Nachhut, bei welchem die Artillerie beider Heere so sehr verschiedene Rollen spielte, nahmen die Armeen Stellung zu einander. Das kaiserliche Heer mußte von seinem ursprünglichen Plane, direct auf Pavia zu marschieren, abgehn und dem Feinde eine Front entgegenstellen **); empfindlich von dem Flankenfeuer Galliot's betroffen, schwenkte es links ein und stand nun mit dem rechten Flügel an Mirabell, mit dem linken an die Parkmauer gelehnt, Front nach Süden. Den äußersten rechten Flügel nahm Pescara mit den spanischen Schützen ein; im Centrum stand die schwere Retterei, nämlich die Deutschen unter dem Grafen Salm, die Spanier unter Hugo Cardonius. Dann folgten nach dem linken Flügel zu die hellen Haufen der deutschen Landsknechte unter Frundsberg und endlich auf dem linken Flügel ein Ge¬ schwader neapolitanischer Reiter unter Castaldo, Markgrafen von Platera. Während der Formirung wurden die kaiserlichen Schaaren beständig von der trefflich bedienten französischen Artillerie beschossen, so daß selbst vornehme Krieger, unter ihnen der Vicekönig in einer Weise Deckung suchten, welche kein gutes Beispiel gab."**) — Das Heer Franz' I. marschierte dagegen unter dem Schutz seiner Artillerie auf, welche gewissermaßen ein vorgeschobenes Echelon des rechten Flügels bildete. Der König selbst mit der Gensdarmerie sammt deren Anhang an Archers, Coustiliers u. s. w., nahm die Mitte des Haupttreffens ein; zu seiner Rechten standen die Schweizer, deren Flügel durch ") Sandoval. P- Jovius. Jovius und Reißner.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/104>, abgerufen am 22.07.2024.