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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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die adelige Leibcompagnie des Vicekönigs unter dem Marquis van Beeren,
welchem streng befohlen war, nur auf Launoy's bestimmten Befehl mit in
die Schlacht einzugreifen.*)

Durch das Verbrennen des kaiserlichen Lagers waren die Franzosen in
der That vollkommen getäuscht worden; sie hatten wirklich an den Abzug
der Feinde geglaubt und einige italienische und spanische Fähnchen, die sich
vor der Schanzenfront frech genug seit mehreren Stunden tummelten, für
deren Nachhut genommen. Während man noch überlegte, ob es rathsam sei.
zur Verfolgung vorzubrechen, langten die Flüchtigen aus Mirabella an und
berichteten athemlos, was ihnen begegnet und wie das ganze feindliche Heer
im Anmarsch sei durch den Park. -- Es war unterdessen Tag geworden und
man konnte aus dem hochgelegenen Quartier des Königs die Kolonnen der
Kaiserlichen unterscheiden, wie sie durch die Bresche zogen. Franz I. benahm
sich in diesem Augenblick vortrefflich. So unerwartet auch Angriffspunkt und
Angriffsmoment waren: er traf sofort sachgemäße Dispositionen.

Er ließ die nothwendigste Anzahl von Truppen und zwar die französische
Infanterie, Gascogner und Bretonen, unter dem Grafen Bussy v. Amboise
im Lager zurück, um dies zu sichern und zu bewachen; eine andere kleinere
Abtheilung, nämlich die Italiener, stellte er der Citadelle, also der Nordspitze
von Pavia gegenüber auf, um etwaige Ausfallsversuche zurückzuweisen.**) Alle
übrigen Truppen rückten unter seiner persönlichen Oberleitung durch die drei
früher erwähnten Mauerlücken der Südumfassung des Parkes in diesen selbst
ein. Voran, ganz im Charakter einer Avantgarde, die Artillerie, nämlich, die
Falconets ungerechnet, 30 schwere Kanonen unter dem alten Aravä-arbg,-
Istrier, Jacques de Galliot, Seneschall von Genouillac. Dann folgte einige
leichte Reiterei unter dem Prinzen von Bozzola zur unmittelbaren Bedeckung
der Geschütze; hierauf kamen die hellen Haufen der Schweizer und der
Schwarzen und endlich mit dem Könige selbst unter La Paline und La Tre-
mouille die glänzende Gensdarmerie der Franzosen. Vor ihren Reihen leuch¬
tete Franz weithin erkennbar auf einem Fuchshengste in funkelnder Rüstung.
Sein Helmkleinod stellte einen Salamander im Feuer dar. Lange weiße
Schwungfedern wehten ihm tief über die Schultern herab als er sich im
Sattel hob, um den Aufmarsch seiner Armee zu überblicken. Diese große
Bewegung -- eine Frontveränderung rückwärts, unter schwierigen taktischen
Verhältnissen -- scheint schnell und gut ausgeführt worden zu sein.***) Be¬
sonders verdient die Artillerie gerühmt zu werden, die sich mit Entschlossenheit,
Einsicht und großer Schnelle gegen den Mauerbruch bewegte, durch welchen





*) P. Jovius.
") Paul. Jovius.
Heinrich v. Brandt: Geschichte de" Kriegswesen". Berlin !835.

die adelige Leibcompagnie des Vicekönigs unter dem Marquis van Beeren,
welchem streng befohlen war, nur auf Launoy's bestimmten Befehl mit in
die Schlacht einzugreifen.*)

Durch das Verbrennen des kaiserlichen Lagers waren die Franzosen in
der That vollkommen getäuscht worden; sie hatten wirklich an den Abzug
der Feinde geglaubt und einige italienische und spanische Fähnchen, die sich
vor der Schanzenfront frech genug seit mehreren Stunden tummelten, für
deren Nachhut genommen. Während man noch überlegte, ob es rathsam sei.
zur Verfolgung vorzubrechen, langten die Flüchtigen aus Mirabella an und
berichteten athemlos, was ihnen begegnet und wie das ganze feindliche Heer
im Anmarsch sei durch den Park. — Es war unterdessen Tag geworden und
man konnte aus dem hochgelegenen Quartier des Königs die Kolonnen der
Kaiserlichen unterscheiden, wie sie durch die Bresche zogen. Franz I. benahm
sich in diesem Augenblick vortrefflich. So unerwartet auch Angriffspunkt und
Angriffsmoment waren: er traf sofort sachgemäße Dispositionen.

Er ließ die nothwendigste Anzahl von Truppen und zwar die französische
Infanterie, Gascogner und Bretonen, unter dem Grafen Bussy v. Amboise
im Lager zurück, um dies zu sichern und zu bewachen; eine andere kleinere
Abtheilung, nämlich die Italiener, stellte er der Citadelle, also der Nordspitze
von Pavia gegenüber auf, um etwaige Ausfallsversuche zurückzuweisen.**) Alle
übrigen Truppen rückten unter seiner persönlichen Oberleitung durch die drei
früher erwähnten Mauerlücken der Südumfassung des Parkes in diesen selbst
ein. Voran, ganz im Charakter einer Avantgarde, die Artillerie, nämlich, die
Falconets ungerechnet, 30 schwere Kanonen unter dem alten Aravä-arbg,-
Istrier, Jacques de Galliot, Seneschall von Genouillac. Dann folgte einige
leichte Reiterei unter dem Prinzen von Bozzola zur unmittelbaren Bedeckung
der Geschütze; hierauf kamen die hellen Haufen der Schweizer und der
Schwarzen und endlich mit dem Könige selbst unter La Paline und La Tre-
mouille die glänzende Gensdarmerie der Franzosen. Vor ihren Reihen leuch¬
tete Franz weithin erkennbar auf einem Fuchshengste in funkelnder Rüstung.
Sein Helmkleinod stellte einen Salamander im Feuer dar. Lange weiße
Schwungfedern wehten ihm tief über die Schultern herab als er sich im
Sattel hob, um den Aufmarsch seiner Armee zu überblicken. Diese große
Bewegung — eine Frontveränderung rückwärts, unter schwierigen taktischen
Verhältnissen — scheint schnell und gut ausgeführt worden zu sein.***) Be¬
sonders verdient die Artillerie gerühmt zu werden, die sich mit Entschlossenheit,
Einsicht und großer Schnelle gegen den Mauerbruch bewegte, durch welchen





*) P. Jovius.
") Paul. Jovius.
Heinrich v. Brandt: Geschichte de« Kriegswesen«. Berlin !835.
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[0102] die adelige Leibcompagnie des Vicekönigs unter dem Marquis van Beeren, welchem streng befohlen war, nur auf Launoy's bestimmten Befehl mit in die Schlacht einzugreifen.*) Durch das Verbrennen des kaiserlichen Lagers waren die Franzosen in der That vollkommen getäuscht worden; sie hatten wirklich an den Abzug der Feinde geglaubt und einige italienische und spanische Fähnchen, die sich vor der Schanzenfront frech genug seit mehreren Stunden tummelten, für deren Nachhut genommen. Während man noch überlegte, ob es rathsam sei. zur Verfolgung vorzubrechen, langten die Flüchtigen aus Mirabella an und berichteten athemlos, was ihnen begegnet und wie das ganze feindliche Heer im Anmarsch sei durch den Park. — Es war unterdessen Tag geworden und man konnte aus dem hochgelegenen Quartier des Königs die Kolonnen der Kaiserlichen unterscheiden, wie sie durch die Bresche zogen. Franz I. benahm sich in diesem Augenblick vortrefflich. So unerwartet auch Angriffspunkt und Angriffsmoment waren: er traf sofort sachgemäße Dispositionen. Er ließ die nothwendigste Anzahl von Truppen und zwar die französische Infanterie, Gascogner und Bretonen, unter dem Grafen Bussy v. Amboise im Lager zurück, um dies zu sichern und zu bewachen; eine andere kleinere Abtheilung, nämlich die Italiener, stellte er der Citadelle, also der Nordspitze von Pavia gegenüber auf, um etwaige Ausfallsversuche zurückzuweisen.**) Alle übrigen Truppen rückten unter seiner persönlichen Oberleitung durch die drei früher erwähnten Mauerlücken der Südumfassung des Parkes in diesen selbst ein. Voran, ganz im Charakter einer Avantgarde, die Artillerie, nämlich, die Falconets ungerechnet, 30 schwere Kanonen unter dem alten Aravä-arbg,- Istrier, Jacques de Galliot, Seneschall von Genouillac. Dann folgte einige leichte Reiterei unter dem Prinzen von Bozzola zur unmittelbaren Bedeckung der Geschütze; hierauf kamen die hellen Haufen der Schweizer und der Schwarzen und endlich mit dem Könige selbst unter La Paline und La Tre- mouille die glänzende Gensdarmerie der Franzosen. Vor ihren Reihen leuch¬ tete Franz weithin erkennbar auf einem Fuchshengste in funkelnder Rüstung. Sein Helmkleinod stellte einen Salamander im Feuer dar. Lange weiße Schwungfedern wehten ihm tief über die Schultern herab als er sich im Sattel hob, um den Aufmarsch seiner Armee zu überblicken. Diese große Bewegung — eine Frontveränderung rückwärts, unter schwierigen taktischen Verhältnissen — scheint schnell und gut ausgeführt worden zu sein.***) Be¬ sonders verdient die Artillerie gerühmt zu werden, die sich mit Entschlossenheit, Einsicht und großer Schnelle gegen den Mauerbruch bewegte, durch welchen *) P. Jovius. ") Paul. Jovius. Heinrich v. Brandt: Geschichte de« Kriegswesen«. Berlin !835.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/102>, abgerufen am 22.07.2024.