Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.einhergehend steif und fest glaubte, daß die griechische Kunst ein durchaus einhergehend steif und fest glaubte, daß die griechische Kunst ein durchaus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131162"/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453" next="#ID_1455"> einhergehend steif und fest glaubte, daß die griechische Kunst ein durchaus<lb/> individuelles und originelles Gewächs sei, durch die reine ereatio a«<zuivoos,<lb/> in die Welt gekommen, während man jeden Gedanken an einen Zusammen¬<lb/> hang zwischen orientalischer und griechischer Kunst mit förmlicher Entrüstung<lb/> und mit einem Apparat, dessen Weitschweifigkeit uns heute höchstens noch ein<lb/> Lächeln abnöthigt, von sich wies, hat die Folgezeit Beweise auf Beweise ge¬<lb/> bracht, daß dieser Zusammenhang allerdings in hohem Maaße vorhanden<lb/> war, wenn auch die Richtung und die Art und Weise jener orientalischen<lb/> Einflüsse andere sind, als man sich das etwa zu Thiersch's Zeiten dachte<lb/> In diesem Punkte also ist Braun's Kunstgeschichte nicht nur nicht veraltet,<lb/> sondern sie ist recht eigentlich zeitgemäß geworden. Dasselbe aber läßt sich<lb/> von ihrer Form behaupten. Franz Reder, der bekannte Münchener Kunst¬<lb/> historiker, hat die neue Ausgabe des Buches mit einer ebenso warm wie<lb/> geistvoll geschriebenen Einleitung versehen. In dieser macht er aufmerk¬<lb/> sam darauf, mit welchem Erfolge in der neueren Malerei die heroische und<lb/> historische Landschaft kultivirt werde, und wie sowohl classische wie biblische<lb/> Stoffe erst durch die Vertiefung in die Oertlichkeit der Geschichte oder Dich¬<lb/> tung, durch die Beseelung der Landschaft und harmonische Zusammen¬<lb/> stimmung mit dem Vorgange zur vollendeten Darstellung gelangt seien. Mit<lb/> diesen idealen Landschaften vergleicht er nun die „ideale Reise", die Braun<lb/> in seiner Kunstgeschichte durch den Orient und Griechenland unternimmt, und<lb/> in deren Nahmen er seine Bilder des antiken Kunst- und Kulturlebens ein¬<lb/> zeichnet. Daß eine solche Anordnung des Stoffes neben der eigentlich ge¬<lb/> schichtlichen ihre vollste Berechtigung hat, wird heute selbst der einseitigste Ar¬<lb/> chäolog schwerlich mehr in Abrede stellen. Sagt doch Professor Stark im<lb/> Vorworte zu seinen kürzlich in diesen Blättern angezeigten Reisestudien ..Nach<lb/> dem griechischen Orient": „Die Kultur- und Kunstgeschichte überhaupt und<lb/> insbesondere die des classischen Alterthums sieht täglich das Einzelmaterial<lb/> ins Ungemessene anwachsen, immer stärker und ernster wird ihre Anforderung<lb/> die Arbeit zu theilen, um das Einzelste genau zu beobachten und zu registriren;<lb/> und doch, soll sie ihres allgemein bildenden Einflusses nicht verlustig werden,<lb/> nicht ins Einzelste sich verlieren, so bedarf sie fort und fort der Versuche der<lb/> Gesammtdarstellung und der Verwerthung für gebildete, aber nicht streng fach¬<lb/> männische Kreise. Sie erreicht dies am leichtesten auf dem Boden der<lb/> Ortskunde und anknüpfend an die einzelne Persönlichkeit und deren Inter¬<lb/> essen." Hier haben wir das entscheidende Wort: „auf dem Boden der Orts¬<lb/> kunde!" So stand schon vor sechzehn Jahren auf dem Titelblatte von<lb/> Braun's Kunstgeschichte zu lesen, und wenn damals die Ueberzeugungen ge¬<lb/> golten hätten, die heute gelten, wer weiß, ob sein Buch nicht ganz andere<lb/> Erfolge gehabt haben würde. Künstlerisch zehnfach höher aber, als ein Reise-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
einhergehend steif und fest glaubte, daß die griechische Kunst ein durchaus
individuelles und originelles Gewächs sei, durch die reine ereatio a«<zuivoos,
in die Welt gekommen, während man jeden Gedanken an einen Zusammen¬
hang zwischen orientalischer und griechischer Kunst mit förmlicher Entrüstung
und mit einem Apparat, dessen Weitschweifigkeit uns heute höchstens noch ein
Lächeln abnöthigt, von sich wies, hat die Folgezeit Beweise auf Beweise ge¬
bracht, daß dieser Zusammenhang allerdings in hohem Maaße vorhanden
war, wenn auch die Richtung und die Art und Weise jener orientalischen
Einflüsse andere sind, als man sich das etwa zu Thiersch's Zeiten dachte
In diesem Punkte also ist Braun's Kunstgeschichte nicht nur nicht veraltet,
sondern sie ist recht eigentlich zeitgemäß geworden. Dasselbe aber läßt sich
von ihrer Form behaupten. Franz Reder, der bekannte Münchener Kunst¬
historiker, hat die neue Ausgabe des Buches mit einer ebenso warm wie
geistvoll geschriebenen Einleitung versehen. In dieser macht er aufmerk¬
sam darauf, mit welchem Erfolge in der neueren Malerei die heroische und
historische Landschaft kultivirt werde, und wie sowohl classische wie biblische
Stoffe erst durch die Vertiefung in die Oertlichkeit der Geschichte oder Dich¬
tung, durch die Beseelung der Landschaft und harmonische Zusammen¬
stimmung mit dem Vorgange zur vollendeten Darstellung gelangt seien. Mit
diesen idealen Landschaften vergleicht er nun die „ideale Reise", die Braun
in seiner Kunstgeschichte durch den Orient und Griechenland unternimmt, und
in deren Nahmen er seine Bilder des antiken Kunst- und Kulturlebens ein¬
zeichnet. Daß eine solche Anordnung des Stoffes neben der eigentlich ge¬
schichtlichen ihre vollste Berechtigung hat, wird heute selbst der einseitigste Ar¬
chäolog schwerlich mehr in Abrede stellen. Sagt doch Professor Stark im
Vorworte zu seinen kürzlich in diesen Blättern angezeigten Reisestudien ..Nach
dem griechischen Orient": „Die Kultur- und Kunstgeschichte überhaupt und
insbesondere die des classischen Alterthums sieht täglich das Einzelmaterial
ins Ungemessene anwachsen, immer stärker und ernster wird ihre Anforderung
die Arbeit zu theilen, um das Einzelste genau zu beobachten und zu registriren;
und doch, soll sie ihres allgemein bildenden Einflusses nicht verlustig werden,
nicht ins Einzelste sich verlieren, so bedarf sie fort und fort der Versuche der
Gesammtdarstellung und der Verwerthung für gebildete, aber nicht streng fach¬
männische Kreise. Sie erreicht dies am leichtesten auf dem Boden der
Ortskunde und anknüpfend an die einzelne Persönlichkeit und deren Inter¬
essen." Hier haben wir das entscheidende Wort: „auf dem Boden der Orts¬
kunde!" So stand schon vor sechzehn Jahren auf dem Titelblatte von
Braun's Kunstgeschichte zu lesen, und wenn damals die Ueberzeugungen ge¬
golten hätten, die heute gelten, wer weiß, ob sein Buch nicht ganz andere
Erfolge gehabt haben würde. Künstlerisch zehnfach höher aber, als ein Reise-
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