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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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aus grünen Gemüsen hergerichtet, stellt des Waldes Flur dar u, s, w. End¬
lich beschließen Honig. Süßigkeiten, eingemachtes Obst in der mannigfachsten
Form und Ausstattung das unglaublich üppige Mahl, das wohl auch einem
römischen Magen zu überladen erschienen sein mag. Mit wohlriechenden
Essenzen überschüttet, hören die Gäste nun in gedankenloser Stupidität dem
satirischen Märchen von den Affen. Bären und Wölfen zu, welches der Bruder
Lucull's. als weißhaariger Märchenerzähler verkleidet, den erlauchten Schlem¬
mern zum Hohne, erzählt.

Uns dünkt, es wäre weises Maßhalten gewesen, wenn der Verfasser hier
dieses Kulturbild geschlossen hätte mit dem kurzen Bericht, daß dem Gastgeber
der Plan seines Weibes gelungen sei. Denn die Schilderung einer Fortsetzung
der ohnehin schon unmenschlichen Schwelgerei, wenn sie auf Details eingeht,
muß den modernen Menschen geradezu anwidern, und wenn der Dichter die
Steigerung unseres Interesses auf andere Weise erstrebt, als durch Vorführung
neuer Herrlichkeiten an Speise und Trank, so muß er Motive zu Hülfe neh¬
men, die uns in gleichem Maße anwidern, wie die viehische Völlerei. Das
ist denn auch reichlich geschehen. Schon in den obigen Auszügen aus Simons'
Schilderungen des eigentlichen Gastmahls haben wir absichtlich die Greuelscene
übergangen, wie, zur Belustigung der Gäste, zehnjährige Mädchen zwischen
Dolchspitzen gaukeln und das eine sich schwer verletzt. In dem "Bacchanal"
aber, das nun geschildert ist, drängt sich eine ganze Reihe der fürchterlichsten
und abstoßendsten Scenen, von welchen mindestens nicht alle aus dem'Grunde
sich rechtfertigen lassen, daß sie zur Vervollständigung des einmal unternom¬
menen Kulturbildes gehören. Wir treffen hier: raffinirte Thierquälerei in
den Menagerieen des Lucull, unsinnige Verschwendung auf allen Gebieten,
ebenso wahnsinnige Vergeudung der edelsten Naturgaben, zahme Leoparden,
die, von herabträufendem Pech angesengt, fuchsteufelswild werden und drei
Thyrsusschwinger und das einstige Blumenmädchen Lagiska zerfleischen, dann
die empörende Nachäfferei keines Leichenconducts durch die trunkene Schaar,
endlich die Fortsetzung des Gelages bet enorm hohem Würfelspiel und bei
dem Genuß eines Weines, der durch ein Uebermaaß von Reizmitteln Gift
genannt werden kann, bis zum Frühlicht. Alles das, breit und vollsaftig
ausgeführt, wo doch wenige Striche genügten, die unheilverkündende Verderbt¬
heit der Zeit zu stigmatisiren. Und Simons besitzt, wie er im ersten Hefte,
am Schlüsse der "Thierhetze zu Pompeji" gezeigt hat, durchaus die Fähigkeit,
in einigen Worten viel und Bedeutendes zu sagen. Daneben emancipirt sich
auch der Zeichner (Alexander Wagner) bei diesem "Kulturbild" in bedenklicher
Weise vom Text. Auf der Hauptillustration, welche das Mahl im Apollo-
saal darstellt, begegnen wir z. B. zwei Gruppen von Tafelnden übereinander,
jede zu mindestens zwanzig Couverts gerechnet, während doch nur acht Gäste


aus grünen Gemüsen hergerichtet, stellt des Waldes Flur dar u, s, w. End¬
lich beschließen Honig. Süßigkeiten, eingemachtes Obst in der mannigfachsten
Form und Ausstattung das unglaublich üppige Mahl, das wohl auch einem
römischen Magen zu überladen erschienen sein mag. Mit wohlriechenden
Essenzen überschüttet, hören die Gäste nun in gedankenloser Stupidität dem
satirischen Märchen von den Affen. Bären und Wölfen zu, welches der Bruder
Lucull's. als weißhaariger Märchenerzähler verkleidet, den erlauchten Schlem¬
mern zum Hohne, erzählt.

Uns dünkt, es wäre weises Maßhalten gewesen, wenn der Verfasser hier
dieses Kulturbild geschlossen hätte mit dem kurzen Bericht, daß dem Gastgeber
der Plan seines Weibes gelungen sei. Denn die Schilderung einer Fortsetzung
der ohnehin schon unmenschlichen Schwelgerei, wenn sie auf Details eingeht,
muß den modernen Menschen geradezu anwidern, und wenn der Dichter die
Steigerung unseres Interesses auf andere Weise erstrebt, als durch Vorführung
neuer Herrlichkeiten an Speise und Trank, so muß er Motive zu Hülfe neh¬
men, die uns in gleichem Maße anwidern, wie die viehische Völlerei. Das
ist denn auch reichlich geschehen. Schon in den obigen Auszügen aus Simons'
Schilderungen des eigentlichen Gastmahls haben wir absichtlich die Greuelscene
übergangen, wie, zur Belustigung der Gäste, zehnjährige Mädchen zwischen
Dolchspitzen gaukeln und das eine sich schwer verletzt. In dem „Bacchanal"
aber, das nun geschildert ist, drängt sich eine ganze Reihe der fürchterlichsten
und abstoßendsten Scenen, von welchen mindestens nicht alle aus dem'Grunde
sich rechtfertigen lassen, daß sie zur Vervollständigung des einmal unternom¬
menen Kulturbildes gehören. Wir treffen hier: raffinirte Thierquälerei in
den Menagerieen des Lucull, unsinnige Verschwendung auf allen Gebieten,
ebenso wahnsinnige Vergeudung der edelsten Naturgaben, zahme Leoparden,
die, von herabträufendem Pech angesengt, fuchsteufelswild werden und drei
Thyrsusschwinger und das einstige Blumenmädchen Lagiska zerfleischen, dann
die empörende Nachäfferei keines Leichenconducts durch die trunkene Schaar,
endlich die Fortsetzung des Gelages bet enorm hohem Würfelspiel und bei
dem Genuß eines Weines, der durch ein Uebermaaß von Reizmitteln Gift
genannt werden kann, bis zum Frühlicht. Alles das, breit und vollsaftig
ausgeführt, wo doch wenige Striche genügten, die unheilverkündende Verderbt¬
heit der Zeit zu stigmatisiren. Und Simons besitzt, wie er im ersten Hefte,
am Schlüsse der „Thierhetze zu Pompeji" gezeigt hat, durchaus die Fähigkeit,
in einigen Worten viel und Bedeutendes zu sagen. Daneben emancipirt sich
auch der Zeichner (Alexander Wagner) bei diesem „Kulturbild" in bedenklicher
Weise vom Text. Auf der Hauptillustration, welche das Mahl im Apollo-
saal darstellt, begegnen wir z. B. zwei Gruppen von Tafelnden übereinander,
jede zu mindestens zwanzig Couverts gerechnet, während doch nur acht Gäste


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[0512] aus grünen Gemüsen hergerichtet, stellt des Waldes Flur dar u, s, w. End¬ lich beschließen Honig. Süßigkeiten, eingemachtes Obst in der mannigfachsten Form und Ausstattung das unglaublich üppige Mahl, das wohl auch einem römischen Magen zu überladen erschienen sein mag. Mit wohlriechenden Essenzen überschüttet, hören die Gäste nun in gedankenloser Stupidität dem satirischen Märchen von den Affen. Bären und Wölfen zu, welches der Bruder Lucull's. als weißhaariger Märchenerzähler verkleidet, den erlauchten Schlem¬ mern zum Hohne, erzählt. Uns dünkt, es wäre weises Maßhalten gewesen, wenn der Verfasser hier dieses Kulturbild geschlossen hätte mit dem kurzen Bericht, daß dem Gastgeber der Plan seines Weibes gelungen sei. Denn die Schilderung einer Fortsetzung der ohnehin schon unmenschlichen Schwelgerei, wenn sie auf Details eingeht, muß den modernen Menschen geradezu anwidern, und wenn der Dichter die Steigerung unseres Interesses auf andere Weise erstrebt, als durch Vorführung neuer Herrlichkeiten an Speise und Trank, so muß er Motive zu Hülfe neh¬ men, die uns in gleichem Maße anwidern, wie die viehische Völlerei. Das ist denn auch reichlich geschehen. Schon in den obigen Auszügen aus Simons' Schilderungen des eigentlichen Gastmahls haben wir absichtlich die Greuelscene übergangen, wie, zur Belustigung der Gäste, zehnjährige Mädchen zwischen Dolchspitzen gaukeln und das eine sich schwer verletzt. In dem „Bacchanal" aber, das nun geschildert ist, drängt sich eine ganze Reihe der fürchterlichsten und abstoßendsten Scenen, von welchen mindestens nicht alle aus dem'Grunde sich rechtfertigen lassen, daß sie zur Vervollständigung des einmal unternom¬ menen Kulturbildes gehören. Wir treffen hier: raffinirte Thierquälerei in den Menagerieen des Lucull, unsinnige Verschwendung auf allen Gebieten, ebenso wahnsinnige Vergeudung der edelsten Naturgaben, zahme Leoparden, die, von herabträufendem Pech angesengt, fuchsteufelswild werden und drei Thyrsusschwinger und das einstige Blumenmädchen Lagiska zerfleischen, dann die empörende Nachäfferei keines Leichenconducts durch die trunkene Schaar, endlich die Fortsetzung des Gelages bet enorm hohem Würfelspiel und bei dem Genuß eines Weines, der durch ein Uebermaaß von Reizmitteln Gift genannt werden kann, bis zum Frühlicht. Alles das, breit und vollsaftig ausgeführt, wo doch wenige Striche genügten, die unheilverkündende Verderbt¬ heit der Zeit zu stigmatisiren. Und Simons besitzt, wie er im ersten Hefte, am Schlüsse der „Thierhetze zu Pompeji" gezeigt hat, durchaus die Fähigkeit, in einigen Worten viel und Bedeutendes zu sagen. Daneben emancipirt sich auch der Zeichner (Alexander Wagner) bei diesem „Kulturbild" in bedenklicher Weise vom Text. Auf der Hauptillustration, welche das Mahl im Apollo- saal darstellt, begegnen wir z. B. zwei Gruppen von Tafelnden übereinander, jede zu mindestens zwanzig Couverts gerechnet, während doch nur acht Gäste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/512>, abgerufen am 25.12.2024.