Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.der Frage niedersetzen, warum nicht Gutachten für eine spätere Session ein¬ Die Verhandlung über den Antrag, die Herren Bebel und Liebknecht Nachdem in der dritten Sitzung dieser Woche ein technischer Gesetzent¬ der Frage niedersetzen, warum nicht Gutachten für eine spätere Session ein¬ Die Verhandlung über den Antrag, die Herren Bebel und Liebknecht Nachdem in der dritten Sitzung dieser Woche ein technischer Gesetzent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131116"/> <p xml:id="ID_1329" prev="#ID_1328"> der Frage niedersetzen, warum nicht Gutachten für eine spätere Session ein¬<lb/> fordern! Geschäftsformen, die der Reichstag noch nicht kennt, die er aber<lb/> nicht entbehren kann und sich sobald als möglich aneignen sollte. — Ein<lb/> Mitglied des Centrums aus München wies mit vollem Recht darauf hin,<lb/> daß jene Aufgabe vor allem in das Berufungsgebiet der Kirche fällt. Nur<lb/> müssen wir freilich hinzusetzen: einer Kirche, deren Ziel die sittliche Vervoll¬<lb/> kommnung, aber nicht die irdische Macht ist. Einer der größten Fragen<lb/> praktischer Humanität gegenüber konnte der genannte Abgeordnete sich nicht<lb/> entbrechen, seine Denkweise durch Anwendung eines rohen Ausdrucks aus die<lb/> bedauernswerthen Opfer willenlos erduldeter Mißhandlung und Irreleitung<lb/> anzuwenden: die schlimmste Illustration, die er seiner „Schwärmerei für die<lb/> Erziehung der religiösen Corporationen" geben durfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Die Verhandlung über den Antrag, die Herren Bebel und Liebknecht<lb/> zum Gewinn des Reichstags aus dem Gefängniß zu reclamiren, in dem sie<lb/> ihre Strafe verbüßen, übergehen wir. Unsere Leser bedürfen in diesem Falle<lb/> der Orientirung nicht, die bei historisch und sachlich entwickelten Materien der<lb/> Reichstagsarbeit unsere Berichterstattung ihnen darzubieten versucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331" next="#ID_1332"> Nachdem in der dritten Sitzung dieser Woche ein technischer Gesetzent¬<lb/> wurf verhandelt und das Jmpfgesetz zu Ende gebracht worden, waren die<lb/> Arbeiten des Plenums in dieser Woche zu Ende und wir hätten die Aufgabe<lb/> unserer Berichterstattung erledigt. Die wahre Thätigkeit des Reichstags hat<lb/> aber während dieser Zeit in den Berathungen der Militärcommission gewaltet,<lb/> und so müssen wir auf dieselben einen Blick werfen. Die Commission, diese<lb/> Behauptung stellen wir an die Spitze, hat in vierzehntägiger Arbeit ihre Auf¬<lb/> gabe nicht so gefördert, wie sie gesollt hätte, und zwar durch ihre eigne<lb/> Schuld. Mühsam ist die erste Lesung des Entwurfs beendigt und dabei über<lb/> den ersten wichtigsten Artikel kein Beschluß zu Stande gekommen. Die zweite<lb/> Lesung soll jetzt beginnen und dabei sollen wiederum alle Lappalien zuerst<lb/> durchgenommen, über die Punkte, auf die es allein ankommt, soll zuletzt be¬<lb/> schlossen werden. Bei solchem Verfahren ist es kein Wunder, wenn aus der<lb/> Commission in aller Gemüthlichkeit die Versicherung kommt, daß an eine Be¬<lb/> rathung des Militärgesetzes im Plenum vor Ostern gar nicht zu denken sei.<lb/> Die Vertagung des Landtags erstreckt sich aber nur bis zum 13. April, bis<lb/> zum Montag nach der Osterwoche. Die großen parlamentarischen Körper<lb/> werden also wieder nebeneinander tagen, mit den wichtigsten Berathungs¬<lb/> gegenständen gleichzeitig beschäftigt sein und, wie es unvermeidlich ist, sich<lb/> überall kreuzen und stören. Es wäre armselige Schönfärberei, nicht laut zu<lb/> sagen, daß die Schuld jetzt den Reichstag trifft und zunächst die von ihm ge¬<lb/> wählte Commission. Wohl handelt es sich um eine große folgenreiche Ent¬<lb/> scheidung, aber um die Entscheidung einer Frage, die seit vierzehn Jahren aber-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0472]
der Frage niedersetzen, warum nicht Gutachten für eine spätere Session ein¬
fordern! Geschäftsformen, die der Reichstag noch nicht kennt, die er aber
nicht entbehren kann und sich sobald als möglich aneignen sollte. — Ein
Mitglied des Centrums aus München wies mit vollem Recht darauf hin,
daß jene Aufgabe vor allem in das Berufungsgebiet der Kirche fällt. Nur
müssen wir freilich hinzusetzen: einer Kirche, deren Ziel die sittliche Vervoll¬
kommnung, aber nicht die irdische Macht ist. Einer der größten Fragen
praktischer Humanität gegenüber konnte der genannte Abgeordnete sich nicht
entbrechen, seine Denkweise durch Anwendung eines rohen Ausdrucks aus die
bedauernswerthen Opfer willenlos erduldeter Mißhandlung und Irreleitung
anzuwenden: die schlimmste Illustration, die er seiner „Schwärmerei für die
Erziehung der religiösen Corporationen" geben durfte.
Die Verhandlung über den Antrag, die Herren Bebel und Liebknecht
zum Gewinn des Reichstags aus dem Gefängniß zu reclamiren, in dem sie
ihre Strafe verbüßen, übergehen wir. Unsere Leser bedürfen in diesem Falle
der Orientirung nicht, die bei historisch und sachlich entwickelten Materien der
Reichstagsarbeit unsere Berichterstattung ihnen darzubieten versucht.
Nachdem in der dritten Sitzung dieser Woche ein technischer Gesetzent¬
wurf verhandelt und das Jmpfgesetz zu Ende gebracht worden, waren die
Arbeiten des Plenums in dieser Woche zu Ende und wir hätten die Aufgabe
unserer Berichterstattung erledigt. Die wahre Thätigkeit des Reichstags hat
aber während dieser Zeit in den Berathungen der Militärcommission gewaltet,
und so müssen wir auf dieselben einen Blick werfen. Die Commission, diese
Behauptung stellen wir an die Spitze, hat in vierzehntägiger Arbeit ihre Auf¬
gabe nicht so gefördert, wie sie gesollt hätte, und zwar durch ihre eigne
Schuld. Mühsam ist die erste Lesung des Entwurfs beendigt und dabei über
den ersten wichtigsten Artikel kein Beschluß zu Stande gekommen. Die zweite
Lesung soll jetzt beginnen und dabei sollen wiederum alle Lappalien zuerst
durchgenommen, über die Punkte, auf die es allein ankommt, soll zuletzt be¬
schlossen werden. Bei solchem Verfahren ist es kein Wunder, wenn aus der
Commission in aller Gemüthlichkeit die Versicherung kommt, daß an eine Be¬
rathung des Militärgesetzes im Plenum vor Ostern gar nicht zu denken sei.
Die Vertagung des Landtags erstreckt sich aber nur bis zum 13. April, bis
zum Montag nach der Osterwoche. Die großen parlamentarischen Körper
werden also wieder nebeneinander tagen, mit den wichtigsten Berathungs¬
gegenständen gleichzeitig beschäftigt sein und, wie es unvermeidlich ist, sich
überall kreuzen und stören. Es wäre armselige Schönfärberei, nicht laut zu
sagen, daß die Schuld jetzt den Reichstag trifft und zunächst die von ihm ge¬
wählte Commission. Wohl handelt es sich um eine große folgenreiche Ent¬
scheidung, aber um die Entscheidung einer Frage, die seit vierzehn Jahren aber-
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