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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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zwischen dem Kaiserstaat und dem jungen Königreich zu erhalten. Jedenfalls
mußte es ihm die größte Thorheit dünken, sich auf irgend ein Abkommen
mit dem intriganten preußischen Minister einzulassen. Wenn er versprach,
über die verschiedenen Vorschläge nach Hause zu berichten, so that er das nur
in der Absicht, die wir schon kennen; er hoffte Bismarck mit seinen eigenen
Waffen zu schlagen, und die Befürchtungen wegen eines Bündnisses, die man
in Wien hegen mußte, zu Italiens Vortheil auszunutzen.

Einige Tage standen die Verhandlungen nun still, weil Lamarmora's
Weisungen von den italienischen Bevollmächtigten erwartet werden mußten.
Grade diese Tage waren aber reich an Aufregung für Bismarck. Um die
Person des Königs herum hatte sich ein lebhafter Krieg der Parteien ent¬
sponnen, dessen nächster Gegenstand die Audienz war, die Govone bei dem
Morarchen haben sollte. Sie war auf den 17. März festgesetzt, aber es ge¬
lang den Gegnern, sie unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit des Königs
hinauszuschieben. An demselben 17. März stellte der österreichische Gesandte
die förmliche Anfrage, ob Preußen die Gasteiner Convention zu zerreißen und
den Frieden zu brechen gedenke. Bismarck mußte diese Frage natürlich mit
Nein beantworten und Oesterreich erklärte sich "einigermaßen befriedigt". Die
Gegner des Ministers drängten aber noch weiter und arbeiteten für eine volle
Verständigung mit Oesterreich. England, das seine Vermittlung anbot, ar¬
beitete ihnen in die Hände. "In einem Zustande heftiger Aufregung" theilte
Bismarck dies Barral mit. Offenbar war ihm Angst, daß ein neues Gastein
alle seine Entwürfe zertrümmern könne. In dieser Noth schienen ihm die
Italiener zum Rettungsanker werden zu können. Hatten sie nicht mit größtem
Nachdruck den sofortigen Ausbruch des Krieges gefordert und von monatelan¬
gen Fristen nur mit Widerwillen gesprochen? Sollten sie nicht bereit sein,
ihrerseits den Krieg sogleich jetzt anzufangen? Die Freiwilligencorps hätten
ja die bequemste Gelegenheit dazu geboten. Aber freilich konnte Bismarck
keine Gewähr dafür leisten, daß Preußen sogleich andern Tags nachfolgen
werde; er konnte nur sein Wort verpfänden, daß er sein Verbleiben im Amte
davon abhängig machen werde. Das genügte aber weder Barral noch Govone,
und man wird ihnen schwerlich einen Borwurf daraus machen dürfen, daß
sie für ein solches Wagstück keine Verantwortlichkeit übernehmen mochten.
Aber auch Bismarck selbst bestand nicht lange auf dieser Idee, schon andern
Tags, am 20. März, hatte er sie aufgegeben, und man wird wohl nicht irre
gehen, wenn man vermuthet, daß er in der Zwischenzeit Kenntniß von der
famosen österreichischen Note vom 16. März erhalten hatte, durch welche die
deutschen Regierungen aufgefordert wurden, für die Mobilisirung der Bundes¬
armee und den Anschluß derselben an das österreichische Heer zu stimmen,
falls es zwischen den beiden Großmächten zum Bruch kommen sollte. Dieser


zwischen dem Kaiserstaat und dem jungen Königreich zu erhalten. Jedenfalls
mußte es ihm die größte Thorheit dünken, sich auf irgend ein Abkommen
mit dem intriganten preußischen Minister einzulassen. Wenn er versprach,
über die verschiedenen Vorschläge nach Hause zu berichten, so that er das nur
in der Absicht, die wir schon kennen; er hoffte Bismarck mit seinen eigenen
Waffen zu schlagen, und die Befürchtungen wegen eines Bündnisses, die man
in Wien hegen mußte, zu Italiens Vortheil auszunutzen.

Einige Tage standen die Verhandlungen nun still, weil Lamarmora's
Weisungen von den italienischen Bevollmächtigten erwartet werden mußten.
Grade diese Tage waren aber reich an Aufregung für Bismarck. Um die
Person des Königs herum hatte sich ein lebhafter Krieg der Parteien ent¬
sponnen, dessen nächster Gegenstand die Audienz war, die Govone bei dem
Morarchen haben sollte. Sie war auf den 17. März festgesetzt, aber es ge¬
lang den Gegnern, sie unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit des Königs
hinauszuschieben. An demselben 17. März stellte der österreichische Gesandte
die förmliche Anfrage, ob Preußen die Gasteiner Convention zu zerreißen und
den Frieden zu brechen gedenke. Bismarck mußte diese Frage natürlich mit
Nein beantworten und Oesterreich erklärte sich „einigermaßen befriedigt". Die
Gegner des Ministers drängten aber noch weiter und arbeiteten für eine volle
Verständigung mit Oesterreich. England, das seine Vermittlung anbot, ar¬
beitete ihnen in die Hände. „In einem Zustande heftiger Aufregung" theilte
Bismarck dies Barral mit. Offenbar war ihm Angst, daß ein neues Gastein
alle seine Entwürfe zertrümmern könne. In dieser Noth schienen ihm die
Italiener zum Rettungsanker werden zu können. Hatten sie nicht mit größtem
Nachdruck den sofortigen Ausbruch des Krieges gefordert und von monatelan¬
gen Fristen nur mit Widerwillen gesprochen? Sollten sie nicht bereit sein,
ihrerseits den Krieg sogleich jetzt anzufangen? Die Freiwilligencorps hätten
ja die bequemste Gelegenheit dazu geboten. Aber freilich konnte Bismarck
keine Gewähr dafür leisten, daß Preußen sogleich andern Tags nachfolgen
werde; er konnte nur sein Wort verpfänden, daß er sein Verbleiben im Amte
davon abhängig machen werde. Das genügte aber weder Barral noch Govone,
und man wird ihnen schwerlich einen Borwurf daraus machen dürfen, daß
sie für ein solches Wagstück keine Verantwortlichkeit übernehmen mochten.
Aber auch Bismarck selbst bestand nicht lange auf dieser Idee, schon andern
Tags, am 20. März, hatte er sie aufgegeben, und man wird wohl nicht irre
gehen, wenn man vermuthet, daß er in der Zwischenzeit Kenntniß von der
famosen österreichischen Note vom 16. März erhalten hatte, durch welche die
deutschen Regierungen aufgefordert wurden, für die Mobilisirung der Bundes¬
armee und den Anschluß derselben an das österreichische Heer zu stimmen,
falls es zwischen den beiden Großmächten zum Bruch kommen sollte. Dieser


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[0377] zwischen dem Kaiserstaat und dem jungen Königreich zu erhalten. Jedenfalls mußte es ihm die größte Thorheit dünken, sich auf irgend ein Abkommen mit dem intriganten preußischen Minister einzulassen. Wenn er versprach, über die verschiedenen Vorschläge nach Hause zu berichten, so that er das nur in der Absicht, die wir schon kennen; er hoffte Bismarck mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, und die Befürchtungen wegen eines Bündnisses, die man in Wien hegen mußte, zu Italiens Vortheil auszunutzen. Einige Tage standen die Verhandlungen nun still, weil Lamarmora's Weisungen von den italienischen Bevollmächtigten erwartet werden mußten. Grade diese Tage waren aber reich an Aufregung für Bismarck. Um die Person des Königs herum hatte sich ein lebhafter Krieg der Parteien ent¬ sponnen, dessen nächster Gegenstand die Audienz war, die Govone bei dem Morarchen haben sollte. Sie war auf den 17. März festgesetzt, aber es ge¬ lang den Gegnern, sie unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit des Königs hinauszuschieben. An demselben 17. März stellte der österreichische Gesandte die förmliche Anfrage, ob Preußen die Gasteiner Convention zu zerreißen und den Frieden zu brechen gedenke. Bismarck mußte diese Frage natürlich mit Nein beantworten und Oesterreich erklärte sich „einigermaßen befriedigt". Die Gegner des Ministers drängten aber noch weiter und arbeiteten für eine volle Verständigung mit Oesterreich. England, das seine Vermittlung anbot, ar¬ beitete ihnen in die Hände. „In einem Zustande heftiger Aufregung" theilte Bismarck dies Barral mit. Offenbar war ihm Angst, daß ein neues Gastein alle seine Entwürfe zertrümmern könne. In dieser Noth schienen ihm die Italiener zum Rettungsanker werden zu können. Hatten sie nicht mit größtem Nachdruck den sofortigen Ausbruch des Krieges gefordert und von monatelan¬ gen Fristen nur mit Widerwillen gesprochen? Sollten sie nicht bereit sein, ihrerseits den Krieg sogleich jetzt anzufangen? Die Freiwilligencorps hätten ja die bequemste Gelegenheit dazu geboten. Aber freilich konnte Bismarck keine Gewähr dafür leisten, daß Preußen sogleich andern Tags nachfolgen werde; er konnte nur sein Wort verpfänden, daß er sein Verbleiben im Amte davon abhängig machen werde. Das genügte aber weder Barral noch Govone, und man wird ihnen schwerlich einen Borwurf daraus machen dürfen, daß sie für ein solches Wagstück keine Verantwortlichkeit übernehmen mochten. Aber auch Bismarck selbst bestand nicht lange auf dieser Idee, schon andern Tags, am 20. März, hatte er sie aufgegeben, und man wird wohl nicht irre gehen, wenn man vermuthet, daß er in der Zwischenzeit Kenntniß von der famosen österreichischen Note vom 16. März erhalten hatte, durch welche die deutschen Regierungen aufgefordert wurden, für die Mobilisirung der Bundes¬ armee und den Anschluß derselben an das österreichische Heer zu stimmen, falls es zwischen den beiden Großmächten zum Bruch kommen sollte. Dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/377>, abgerufen am 26.12.2024.