Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.vorfahrende Droschken und ein lebhaftes Ein- und Aufdrängen sehr schnell vorfahrende Droschken und ein lebhaftes Ein- und Aufdrängen sehr schnell <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130997"/> <p xml:id="ID_1047" prev="#ID_1046" next="#ID_1048"> vorfahrende Droschken und ein lebhaftes Ein- und Aufdrängen sehr schnell<lb/> bedeutet, daß wir uns am Zielpunkte unseres Weges, dem ^aräin Lulller<lb/> oder der Lloserie clss Lilas befinden. Nur wenige Schritte entfernt, macht<lb/> sich der Marschall Ney, auf nicht allzu hohem Postamente stehend, bemerkbar:<lb/> mit geschwungenem Schwerte und weit geöffnetem Munde scheint er zum<lb/> Kampfe aufzurufen, doch dürfen wir die nicht ganz ungerechtfertigte Vermu¬<lb/> thung aussprechen, daß er bei den Tapfern der Olsselig ass Lilas auf keine<lb/> sehr erfreuliche Gegenliebe zu rechnen hat. Den Gelehrten der gleichfalls vor<lb/> uns liegenden Sternwarte überlassen wir es, inzwischen den Jupiter und seine<lb/> Trabanten zu beobachten; wir dringen festen Muths auf Venus und ihre<lb/> Satelliten ein. die auf der so hochwichtigen Linie des Meridians von Paris,<lb/> den die Weisen des Observatoire durch den ^arcum öullisi- gelegt haben, ihr<lb/> nächtliches Licht leuchten lassen. — Ein weiter, durch Säulenreihen in drei<lb/> Abtheilungen getheilter Saal empfängt uns; seine im Sommer offene Garten¬<lb/> seite ist jetzt wegen der rauheren Jahreszeit geschlossen. Die Musik intonirt<lb/> soeben, bricht aber sogleich wieder ab: es war nur die Aufforderung zum<lb/> Tanz. — Was aber klang da an unser Ohr? — Seltsame Frage. — Was<lb/> kann's wohl anderes gewesen sein als eine Quadrille von Strauß. Ja, Strauß,<lb/> unsterblicher Name! und Offenbach nicht zu vergessen, diese Perle der Ton¬<lb/> kunst, dieses Wunder der Aeclimatisation einer deutschen Pflanze auf franzö¬<lb/> sischem Boden. Ja, Offenbach und Strauß, über die die Musen sichtlich die<lb/> Schürze ihrer Gunst gebreitet haben, sind die himmlischen Lieblinge aller derer,<lb/> die mit dem Sonntagscylinder auf dem Denkerhaupte und Karolinen am<lb/> Arme, sich in den berauschenden Strudel der Tanzlokale zu stürzen pflegen.<lb/> Doch wir fügen all den niedlichen kleinen Töchtern der Justiz-, Kommerzien-,<lb/> Bau- und anderer Räthe und Nicht-Räthe schweres Unrecht zu, denn auch<lb/> ihnen zittert ja da das Füßchen, wenn sie nur einen Strauß'schen Walzer<lb/> von ferne hören, und nichts geht ihnen über das göttergleiche Vergnügen,<lb/> als in den Armen des vermuthlich Zukünftigen nach der Melodie des unsterb¬<lb/> lichen Meisters wiegend und schmiegend den Saal zu durchhüpfen. Ja, das<lb/> ist himmlisch! Und beneidenswert!) ist dieser Glücklichste aller Sterblichen,<lb/> der unter allen Himmelsstrichen einer gleichen Vergötterung sich erfreut, an<lb/> der Seine wie am Rhein, an der trüben Spree, wie an der schönen blauen<lb/> Donau, bis in die Eisgefilde Rußlands. Nur eins ist uns bisher immer ein<lb/> Räthsel geblieben, daß die Musiker, sowie die Besitzer öffentlicher Tanzlokale<lb/> im Uebergenuß Strauß'scher und Offenbach'scher Elixire nicht, von einer Hirn¬<lb/> erweichung ergriffen, einem frühzeitigen Tode entgegensiechen. Offenbar bleibt<lb/> hier der philosophischen und pathologischen Untersuchung noch ein tiefes Psycho-<lb/> ogisches Räthsel zu lösen. Aber still! Was reden wir von Philosophie<lb/> in Terpftchore's heiligen Hallen! — Die Paare sind bereits angetreten und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
vorfahrende Droschken und ein lebhaftes Ein- und Aufdrängen sehr schnell
bedeutet, daß wir uns am Zielpunkte unseres Weges, dem ^aräin Lulller
oder der Lloserie clss Lilas befinden. Nur wenige Schritte entfernt, macht
sich der Marschall Ney, auf nicht allzu hohem Postamente stehend, bemerkbar:
mit geschwungenem Schwerte und weit geöffnetem Munde scheint er zum
Kampfe aufzurufen, doch dürfen wir die nicht ganz ungerechtfertigte Vermu¬
thung aussprechen, daß er bei den Tapfern der Olsselig ass Lilas auf keine
sehr erfreuliche Gegenliebe zu rechnen hat. Den Gelehrten der gleichfalls vor
uns liegenden Sternwarte überlassen wir es, inzwischen den Jupiter und seine
Trabanten zu beobachten; wir dringen festen Muths auf Venus und ihre
Satelliten ein. die auf der so hochwichtigen Linie des Meridians von Paris,
den die Weisen des Observatoire durch den ^arcum öullisi- gelegt haben, ihr
nächtliches Licht leuchten lassen. — Ein weiter, durch Säulenreihen in drei
Abtheilungen getheilter Saal empfängt uns; seine im Sommer offene Garten¬
seite ist jetzt wegen der rauheren Jahreszeit geschlossen. Die Musik intonirt
soeben, bricht aber sogleich wieder ab: es war nur die Aufforderung zum
Tanz. — Was aber klang da an unser Ohr? — Seltsame Frage. — Was
kann's wohl anderes gewesen sein als eine Quadrille von Strauß. Ja, Strauß,
unsterblicher Name! und Offenbach nicht zu vergessen, diese Perle der Ton¬
kunst, dieses Wunder der Aeclimatisation einer deutschen Pflanze auf franzö¬
sischem Boden. Ja, Offenbach und Strauß, über die die Musen sichtlich die
Schürze ihrer Gunst gebreitet haben, sind die himmlischen Lieblinge aller derer,
die mit dem Sonntagscylinder auf dem Denkerhaupte und Karolinen am
Arme, sich in den berauschenden Strudel der Tanzlokale zu stürzen pflegen.
Doch wir fügen all den niedlichen kleinen Töchtern der Justiz-, Kommerzien-,
Bau- und anderer Räthe und Nicht-Räthe schweres Unrecht zu, denn auch
ihnen zittert ja da das Füßchen, wenn sie nur einen Strauß'schen Walzer
von ferne hören, und nichts geht ihnen über das göttergleiche Vergnügen,
als in den Armen des vermuthlich Zukünftigen nach der Melodie des unsterb¬
lichen Meisters wiegend und schmiegend den Saal zu durchhüpfen. Ja, das
ist himmlisch! Und beneidenswert!) ist dieser Glücklichste aller Sterblichen,
der unter allen Himmelsstrichen einer gleichen Vergötterung sich erfreut, an
der Seine wie am Rhein, an der trüben Spree, wie an der schönen blauen
Donau, bis in die Eisgefilde Rußlands. Nur eins ist uns bisher immer ein
Räthsel geblieben, daß die Musiker, sowie die Besitzer öffentlicher Tanzlokale
im Uebergenuß Strauß'scher und Offenbach'scher Elixire nicht, von einer Hirn¬
erweichung ergriffen, einem frühzeitigen Tode entgegensiechen. Offenbar bleibt
hier der philosophischen und pathologischen Untersuchung noch ein tiefes Psycho-
ogisches Räthsel zu lösen. Aber still! Was reden wir von Philosophie
in Terpftchore's heiligen Hallen! — Die Paare sind bereits angetreten und
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