Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.den Zweige des Königshauses sich aufrichtig ausgesöhnt, so war das Haupt¬ Eine andere Frage war es, ob sie auch als politische Partei sich ohne den Zweige des Königshauses sich aufrichtig ausgesöhnt, so war das Haupt¬ Eine andere Frage war es, ob sie auch als politische Partei sich ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130932"/> <p xml:id="ID_883" prev="#ID_882"> den Zweige des Königshauses sich aufrichtig ausgesöhnt, so war das Haupt¬<lb/> hinderniß einer Wiederherstellung des Königthums aus dem Wege geräumt.<lb/> Gab es nur eine bourbonische Familie, so konnte es natürlich auch nur eine<lb/> dynastische Partei geben. Denn um eine Dynastie, die endgültig auf<lb/> ihre Rechte verzichtet hatte, konnte nicht länger eine Partei sich gruppiren, welche<lb/> eben die Durchführung dieser Ansprüche auf ihre Fahne geschrieben hatte.<lb/> Daß nach Wiederherstellung der Monarchie auch zwischen dem Könige und<lb/> der jüngeren Linie eine Spannung fortdauern, daß der Thronfolger stets ein<lb/> Gegenstand der Eifersucht für den König sein und daß er daher niemals<lb/> ganz aufhören würde von seinen Angehörigen als Parteihaupt betrachtet zu<lb/> werden, das war ein Umstand, der sich allerdings voraussehen ließ, und der<lb/> der neuen Monarchie bedenkliche Irrungen und Zerwürfnisse in Aussicht stellte.<lb/> Aber der Wiederherstellung der legitimen Monarchie konnte die orlecmistische<lb/> Partei unmöglich widerstreben, sobald die Prinzen von Orleans selbst sich<lb/> dem Familienoberhaupt des Hauses Frankreich unterworfen und sein Recht<lb/> als unbedingt gültig anerkannt hatten. Wollten die Orleanisten ihrem Prä¬<lb/> tendenten auf dem eingeschlagenen Wege nicht folgen, so konnten sie sich nicht<lb/> länger Orleanisten nennen. Als dynastische Partei waren sie, wenn anders<lb/> die Versöhnung der Prätendenten von Dauer war, verschwunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_884" next="#ID_885"> Eine andere Frage war es, ob sie auch als politische Partei sich ohne<lb/> Weiteres durch die Fusion der Familien würde beseitigen lassen. Und das<lb/> war allerdings eine Frage von größter Bedeutung, von deren Entscheidung<lb/> voraussichtlich das Schicksal der Restauration abhängen mußte. Die Orleans<lb/> galten den Franzosen als Vertreter eines politischen Princips, und sie selbst<lb/> wußten sehr wohl, daß mit dem Aufgeben und Verleugnen dieses Princips<lb/> auch ihre selbständigen Ansprüche auf den französischen Thron erlöschen mußten.<lb/> Denn auf einen Rechtstitel ließen sich dieselben nicht begründen. In der<lb/> Erbmonarchie — und an der Erbmonarchie hielt Frankreich doch auch nach<lb/> der Julirevolution fest — herrscht das Recht der Erstgeburt. So lange der<lb/> Julithron bestand, mochte man diesem Rechte die Gewalt der vollendeten<lb/> Thatsache entgegenstellen. Karl X,, so argumentirte man, hatte sein Recht<lb/> durch einen Bruch der Verfassung verwirkt, damit ist das Recht, über sich<lb/> zu verfügen, zu der Nation, der Quelle der Souveränetät, zurückgekehrt.<lb/> Aber die parlamentarische Opposition, welche sich mit Geschicklichkeit der<lb/> Früchte des Julikampfes zu bemächtigen verstand, war keineswegs gesonnen,<lb/> aus diesem Satze, der, beiläufig bemerkt, vom Standpunkte des constitutio-<lb/> nellen Staatsrechts aus nichts weniger als unanfechtbar war, diejenigen<lb/> Consequenzen zu ziehen , welche die Republikaner daraus gezogen zu sehen<lb/> wünschten. Denn sie waren entschiedene Anhänger der Monarchie, einer be¬<lb/> schränkten, aber doch der erblichen Monarchie, da eine nicht erbliche Monarchie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
den Zweige des Königshauses sich aufrichtig ausgesöhnt, so war das Haupt¬
hinderniß einer Wiederherstellung des Königthums aus dem Wege geräumt.
Gab es nur eine bourbonische Familie, so konnte es natürlich auch nur eine
dynastische Partei geben. Denn um eine Dynastie, die endgültig auf
ihre Rechte verzichtet hatte, konnte nicht länger eine Partei sich gruppiren, welche
eben die Durchführung dieser Ansprüche auf ihre Fahne geschrieben hatte.
Daß nach Wiederherstellung der Monarchie auch zwischen dem Könige und
der jüngeren Linie eine Spannung fortdauern, daß der Thronfolger stets ein
Gegenstand der Eifersucht für den König sein und daß er daher niemals
ganz aufhören würde von seinen Angehörigen als Parteihaupt betrachtet zu
werden, das war ein Umstand, der sich allerdings voraussehen ließ, und der
der neuen Monarchie bedenkliche Irrungen und Zerwürfnisse in Aussicht stellte.
Aber der Wiederherstellung der legitimen Monarchie konnte die orlecmistische
Partei unmöglich widerstreben, sobald die Prinzen von Orleans selbst sich
dem Familienoberhaupt des Hauses Frankreich unterworfen und sein Recht
als unbedingt gültig anerkannt hatten. Wollten die Orleanisten ihrem Prä¬
tendenten auf dem eingeschlagenen Wege nicht folgen, so konnten sie sich nicht
länger Orleanisten nennen. Als dynastische Partei waren sie, wenn anders
die Versöhnung der Prätendenten von Dauer war, verschwunden.
Eine andere Frage war es, ob sie auch als politische Partei sich ohne
Weiteres durch die Fusion der Familien würde beseitigen lassen. Und das
war allerdings eine Frage von größter Bedeutung, von deren Entscheidung
voraussichtlich das Schicksal der Restauration abhängen mußte. Die Orleans
galten den Franzosen als Vertreter eines politischen Princips, und sie selbst
wußten sehr wohl, daß mit dem Aufgeben und Verleugnen dieses Princips
auch ihre selbständigen Ansprüche auf den französischen Thron erlöschen mußten.
Denn auf einen Rechtstitel ließen sich dieselben nicht begründen. In der
Erbmonarchie — und an der Erbmonarchie hielt Frankreich doch auch nach
der Julirevolution fest — herrscht das Recht der Erstgeburt. So lange der
Julithron bestand, mochte man diesem Rechte die Gewalt der vollendeten
Thatsache entgegenstellen. Karl X,, so argumentirte man, hatte sein Recht
durch einen Bruch der Verfassung verwirkt, damit ist das Recht, über sich
zu verfügen, zu der Nation, der Quelle der Souveränetät, zurückgekehrt.
Aber die parlamentarische Opposition, welche sich mit Geschicklichkeit der
Früchte des Julikampfes zu bemächtigen verstand, war keineswegs gesonnen,
aus diesem Satze, der, beiläufig bemerkt, vom Standpunkte des constitutio-
nellen Staatsrechts aus nichts weniger als unanfechtbar war, diejenigen
Consequenzen zu ziehen , welche die Republikaner daraus gezogen zu sehen
wünschten. Denn sie waren entschiedene Anhänger der Monarchie, einer be¬
schränkten, aber doch der erblichen Monarchie, da eine nicht erbliche Monarchie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |