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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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wegen Eidesverweigerung ihrer Mitglieder nicht beschlußfähig wurden, zu
Stande gekommen. Und der erstere trat sogar mit einer Resolution hervor,
die Regierung um Erlassung einer die Selbstverwaltung des Reichslandes
regelnden Landesverfassung anzugehen. Dieselbe war zwar von dem Vertreter
der Regierung mit dem Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, daß die Be¬
zirkstage sich mit politischen Angelegenheiten nicht zu beschäftigen haben, zu¬
rückgewiesen worden, jedoch unter dem Ausdrucke des Bedauerns und über¬
haupt mit Worten, aus welchen sich für das Programm der elsässischen Par¬
tei die.besten Aussichten schließen ließen. Die Partei trat denn auch recht ver¬
heißungsvoll auf den Plan, ganz besonders in Straßburg. Ihr hiesiger Can-
didat, H. Gustav Bergmann, erließ ein Manifest, das Alle, welche die Pflege
des elsässischen Particularismus als das beste Mittel zur Förderung des all¬
mählichen Verschmelzungsprozesses mit Deutschland betrachteten, durchaus be¬
friedigen mußte. Aber nur zu bald sollte sich aufs neue bestätigen, was ich
Ihnen vor Kurzem über die schwankende Haltung der elsässisch-particularisti-
schen Partei geschrieben. Sie konnte nicht vertragen, daß das Bergmann'sche
Glaubensbekenntniß von deutscher Seite mit lautem Beifall begrüßt wurde.
Und nun, als die Protestcandidatur des abgesetzten Bürgermeisters Lauts
ans Licht trat, als alle die kleinen Künste der häuslichen Bekehrungsversuche
mit und ohne Hülfe des Pantoffels in Bewegung gesetzt wurden, als die
Pariser Presse dem großen Bürger Lauts schon im voraus die (zum Glück
so unblutige) Märtyrerkrone aufs Haupt setzte, ja als die Möglichkeit in
Aussicht stand, daß die Anhänger Bergmann's wegen der deutschen Unter¬
stützung von der "großen Nation" als Verräther gebrandmarkt werden wür¬
den, da war eines schönen Morgens die Candidatur Bergmann verschwunden
und die elsässische Partei proclamirte -- sicherlich das traurigste Armuths¬
zeugniß, das eine neugebildete Partei sich ausstellen kann -- die Wahlent¬
haltung. Gewiß, die elsässische Partei befindet sich in einer äußerst schwierigen
Lage und die deutsche Presse hätte füglich Ueberlegung und Takt genug besitzen
sollen, um herauszufühlen, daß ihre allzu freigebigen Lobpreisungen Berg-
manu's und seiner Freunde diese Schwierigkeiten nur vermehren konnten.
Dennoch war der Beschluß der Wahlenthaltung ein ganz unverzeihlicher
Fehler. In Paris war Heller Jubel; man betrachtete die autonomistische
Bewegung als eine verflüchtigte Velleität. Und in der That, die junge Par¬
tei wäre vielleicht tödtlich getroffen gewesen, wenn nicht im letzten Augenblicke
das Dazwischentreten eines dritten Elements sie zum Handeln aufgerüttelt
hätte.

Dies dritte Element war der Ultramontanismus. Nicht jedoch das dritte
in der Reihenfolge der Wirksamkeit; vielmehr waren die Klerikalen diejenige
Partei, die, wie bereits angedeutet, längst auf der Lauer lag; aber sie warf


wegen Eidesverweigerung ihrer Mitglieder nicht beschlußfähig wurden, zu
Stande gekommen. Und der erstere trat sogar mit einer Resolution hervor,
die Regierung um Erlassung einer die Selbstverwaltung des Reichslandes
regelnden Landesverfassung anzugehen. Dieselbe war zwar von dem Vertreter
der Regierung mit dem Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, daß die Be¬
zirkstage sich mit politischen Angelegenheiten nicht zu beschäftigen haben, zu¬
rückgewiesen worden, jedoch unter dem Ausdrucke des Bedauerns und über¬
haupt mit Worten, aus welchen sich für das Programm der elsässischen Par¬
tei die.besten Aussichten schließen ließen. Die Partei trat denn auch recht ver¬
heißungsvoll auf den Plan, ganz besonders in Straßburg. Ihr hiesiger Can-
didat, H. Gustav Bergmann, erließ ein Manifest, das Alle, welche die Pflege
des elsässischen Particularismus als das beste Mittel zur Förderung des all¬
mählichen Verschmelzungsprozesses mit Deutschland betrachteten, durchaus be¬
friedigen mußte. Aber nur zu bald sollte sich aufs neue bestätigen, was ich
Ihnen vor Kurzem über die schwankende Haltung der elsässisch-particularisti-
schen Partei geschrieben. Sie konnte nicht vertragen, daß das Bergmann'sche
Glaubensbekenntniß von deutscher Seite mit lautem Beifall begrüßt wurde.
Und nun, als die Protestcandidatur des abgesetzten Bürgermeisters Lauts
ans Licht trat, als alle die kleinen Künste der häuslichen Bekehrungsversuche
mit und ohne Hülfe des Pantoffels in Bewegung gesetzt wurden, als die
Pariser Presse dem großen Bürger Lauts schon im voraus die (zum Glück
so unblutige) Märtyrerkrone aufs Haupt setzte, ja als die Möglichkeit in
Aussicht stand, daß die Anhänger Bergmann's wegen der deutschen Unter¬
stützung von der „großen Nation" als Verräther gebrandmarkt werden wür¬
den, da war eines schönen Morgens die Candidatur Bergmann verschwunden
und die elsässische Partei proclamirte — sicherlich das traurigste Armuths¬
zeugniß, das eine neugebildete Partei sich ausstellen kann — die Wahlent¬
haltung. Gewiß, die elsässische Partei befindet sich in einer äußerst schwierigen
Lage und die deutsche Presse hätte füglich Ueberlegung und Takt genug besitzen
sollen, um herauszufühlen, daß ihre allzu freigebigen Lobpreisungen Berg-
manu's und seiner Freunde diese Schwierigkeiten nur vermehren konnten.
Dennoch war der Beschluß der Wahlenthaltung ein ganz unverzeihlicher
Fehler. In Paris war Heller Jubel; man betrachtete die autonomistische
Bewegung als eine verflüchtigte Velleität. Und in der That, die junge Par¬
tei wäre vielleicht tödtlich getroffen gewesen, wenn nicht im letzten Augenblicke
das Dazwischentreten eines dritten Elements sie zum Handeln aufgerüttelt
hätte.

Dies dritte Element war der Ultramontanismus. Nicht jedoch das dritte
in der Reihenfolge der Wirksamkeit; vielmehr waren die Klerikalen diejenige
Partei, die, wie bereits angedeutet, längst auf der Lauer lag; aber sie warf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/280>, abgerufen am 25.12.2024.