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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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noblen Leichtsinn den Erwerb ihres waghalsigen Berufs zu verprassen, be¬
sonders in hohen Glücksspielen; noch heut bezeichnet man ja mit dem Aus¬
druck "Landsknecht" eins der tollsten Hazardspiele; altgermanischer Aberglaube
ergab sich der wundersamsten Spielmystik: den gemeinen Knecht reizte selbst
die Tafel des Altars, der Grabstein auf Kirchhöfen zum "Doppeln"; und
jenes soldatische Treiben ersann die heiteren und schaurigen Märlein von
Alraun, Galgenmännlein u. s. w. -- Neben dem Spielteufel war aber der
Saufteufel der schlimmste Feind der deutschen Kriegsmannschast.

Eine böse Folge der Kriegführung durch Söldner war für das offene
Land die, daß wenige Knechte Lust zum friedlichen Geschäfte heimbrachten, son¬
dern, sobald sie Sold und Beute verzehrt hatten und nicht neues Kriegsge¬
schrei ausging, durch ungestüme Bettelei, durch das sogenannte "Garden",
(ein uns unerklärliches Wort) die härteste Geißel der Bauern blieben. Durften
sie nun nicht, wie ehemals in Frankreich die "Cammeraderien", in großen
Banden sich zusammenschlagen, so trieben sie doch, aller Reichsabschiede un¬
geachtet, welche den "Gartenbeil" das Geleit aufsagten und mit dem Galgen
drohten, ganz das nämliche Handwerk wie jene, nur in kleinen Rotten. Nach
der neuen Feuerwaffe wurden die gewaltthätigen Burschen "Schnapphähne"
betitelt, ein Ausdruck, der sogar ins Französische als "eiionsxpau" überge¬
gangen ist. -- Der Anfang des 17. Jahrhunderts ererbte, wie alle anderen
Nachtheile der älteren Knegsverfasfung, auch die Landplage mit den "Gardebrü¬
dern", als eine gesetzliche; indem die großartige Verwahrlosung der höchsten
Staatsinteressen diese lästigen "Lungerer" dem Landvolk zur Ernährung und
Durchwinterung mit Geld förmlich überwies. (Barthold.)

In einem Punkte unterschied sich indessen das deutsche Landsknechtthum
sehr vortheilhaft von dem schweizerischen Söldnerwesen. Wenn auch dort
der Einzelne wie in der Schweiz den Geldgewinn oft über Alles stellte und,
sobald er nur hohen Sold und Aussicht auf reiche Beute hatte, wenig da¬
nach fragte, ob er seinem Baterlande oder dessen Feinden diente, so mischte
sich doch in Deutschland nicht wie in der Eidgenossenschaft der Staat, es
mischte sich nicht Alles, was Ehre und Ansehen hatte, in den Handel ein;
mit einem Worte, es wollte nicht das ganze Land von dem Menschen-
schacher leben.




Der große welthistorische Gegensatz, welcher die abendländische Geschichte
zu Anfang des 16. Jahrhunderts bewegt, ist die Feindschaft der französischen
Monarchie und des burgundisch-spanisch-deutschen Kaisertums. Dieser Gegen-'
sach fand den prägnantesten Ausdruck in den Kriegen um die Oberherrschaft
in Italien, welche ihren Höhepunkt am 24. Februar 1625 erreichten, in jener
stolzen Schlacht von Pavia, in welcher der Koi Aentildommv, König Franz I.


noblen Leichtsinn den Erwerb ihres waghalsigen Berufs zu verprassen, be¬
sonders in hohen Glücksspielen; noch heut bezeichnet man ja mit dem Aus¬
druck „Landsknecht" eins der tollsten Hazardspiele; altgermanischer Aberglaube
ergab sich der wundersamsten Spielmystik: den gemeinen Knecht reizte selbst
die Tafel des Altars, der Grabstein auf Kirchhöfen zum „Doppeln"; und
jenes soldatische Treiben ersann die heiteren und schaurigen Märlein von
Alraun, Galgenmännlein u. s. w. — Neben dem Spielteufel war aber der
Saufteufel der schlimmste Feind der deutschen Kriegsmannschast.

Eine böse Folge der Kriegführung durch Söldner war für das offene
Land die, daß wenige Knechte Lust zum friedlichen Geschäfte heimbrachten, son¬
dern, sobald sie Sold und Beute verzehrt hatten und nicht neues Kriegsge¬
schrei ausging, durch ungestüme Bettelei, durch das sogenannte „Garden",
(ein uns unerklärliches Wort) die härteste Geißel der Bauern blieben. Durften
sie nun nicht, wie ehemals in Frankreich die „Cammeraderien", in großen
Banden sich zusammenschlagen, so trieben sie doch, aller Reichsabschiede un¬
geachtet, welche den „Gartenbeil" das Geleit aufsagten und mit dem Galgen
drohten, ganz das nämliche Handwerk wie jene, nur in kleinen Rotten. Nach
der neuen Feuerwaffe wurden die gewaltthätigen Burschen „Schnapphähne"
betitelt, ein Ausdruck, der sogar ins Französische als „eiionsxpau" überge¬
gangen ist. — Der Anfang des 17. Jahrhunderts ererbte, wie alle anderen
Nachtheile der älteren Knegsverfasfung, auch die Landplage mit den „Gardebrü¬
dern", als eine gesetzliche; indem die großartige Verwahrlosung der höchsten
Staatsinteressen diese lästigen „Lungerer" dem Landvolk zur Ernährung und
Durchwinterung mit Geld förmlich überwies. (Barthold.)

In einem Punkte unterschied sich indessen das deutsche Landsknechtthum
sehr vortheilhaft von dem schweizerischen Söldnerwesen. Wenn auch dort
der Einzelne wie in der Schweiz den Geldgewinn oft über Alles stellte und,
sobald er nur hohen Sold und Aussicht auf reiche Beute hatte, wenig da¬
nach fragte, ob er seinem Baterlande oder dessen Feinden diente, so mischte
sich doch in Deutschland nicht wie in der Eidgenossenschaft der Staat, es
mischte sich nicht Alles, was Ehre und Ansehen hatte, in den Handel ein;
mit einem Worte, es wollte nicht das ganze Land von dem Menschen-
schacher leben.




Der große welthistorische Gegensatz, welcher die abendländische Geschichte
zu Anfang des 16. Jahrhunderts bewegt, ist die Feindschaft der französischen
Monarchie und des burgundisch-spanisch-deutschen Kaisertums. Dieser Gegen-'
sach fand den prägnantesten Ausdruck in den Kriegen um die Oberherrschaft
in Italien, welche ihren Höhepunkt am 24. Februar 1625 erreichten, in jener
stolzen Schlacht von Pavia, in welcher der Koi Aentildommv, König Franz I.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/21>, abgerufen am 25.12.2024.