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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Jahre. Für diese Abfindung aber war der ganze Haufen päpstlicher Rechte
und Anmaßungen, gegen welche man sich allenthalben aufgelehnt hatte, aufs neue
in unzweideutiger Weise dem Papstthums bewilligt. Das war das wirkliche,
aller Welt fühlbare Endresultat der so pomphaft verkündigten Reformation
der Kirche an Haupt und Gliedern. Und jene theoretische Klausel, daß das
nächste Conzil eine neue Erörterung und neue Ordnung dieser Verhältnisse
treffen sollte, auch sie hatte nur höchst zweifelhaften Werth: immer blieb in
der Praxis das Papstthum im Besitz aller Rechte und Befugnisse, welche es
in den letzten Jahrhunderten occupirt hatte.

Den Dienst hatte die eonziliare Theorie allerdings der Kirche geleistet,
daß sie ihr aus der Sackgasse des Schisma, aus der Gefahr des allgemeinen
Zusammensturzes herausgeholfen hatte; als eine Nothstandstheorie hatte sie
wirklich sich bewährt; einen weiteren und andauernden Nutzen aber hatte
weder Religion noch Kirche von ihr gezogen. Mochte auch theoretisch noch
eine Weile die eonziliare Doctrin gelehrt und vertheidigt werden, in der Wirk¬
lichkeit des Lebens trat seit 1418 das Papstthum das Kirchenregiment wieder
an, nach denselben Maximen, wie es 1378 vor vierzig Jahren bestanden.

Auf dem Costnitzer Conzile kann man kaum von einem ernstlichen Con-
flikte der päpstlichen und eonziliaren Prinzipien reden. Ausdrücklich hatten
ja die Conzilshäupter den Primat Petri und seiner Nachfolger anerkannt,
und unbekümmert um den inneren Widerspruch der Prinzipien gleichzeitig mit
der eonziliaren Hoheit die göttliche Einsetzung und fundamentale Bedeutung
des Papstthumes gelehrt. Auch der vom Conzil eingesetzte Papst vermied
jeden ernstlichen Streit mit dem Conzile, dem er seine Existenz verdankte,
dessen prinzipielle Basis für sein Pontifikat geradezu den Rechtsboden abgab.
Auch nach dem Conzile verstand er es durch sorgsame Beobachtung der vom
Conzile aufgestellten Erlasse jedem Anstoß aus dem Wege zu gehen. Unter
seinem Nachfolger wurde dies bald anders; da gab es bald einen heftigen
Kampf zwischen Papst und Conzil, -- einen Kampf, in welchem beide Systeme
um ihre Existenz mit einander rangen.

Das Conzil von Basel ist eins der lehrreichsten Stücke der neueren
Kirchengeschichte. Radikaler und cousequenter trat hier der Anspruch des
Conziles auf die Bühne; es traf auf einen Gegner, der mit größter Gewand-
heit und virtuoser Ausdauer die Chancen allgemeiner und persönlicher Natur,
welche die Weltlage ihm bot, auszubeuten und so den Niedergang der neuen
Doctrin herbeizuführen verstand.

Widerstrebend und unlustig hatte Papst Eugen IV. das Conzil zusam¬
mentreten lassen, mißtrauisch und argwöhnisch sahen die Conzilsgenossen nach
Rom. Aus kleinen Reibungen und Unliebenswürdigkeiten entwickelte sich
bald Gegensatz, Streit und Kampf der Tendenzen. Für den Papst war es
doch unmöglich, sich den seine Unterwerfung unter das Conzil fordernden


Jahre. Für diese Abfindung aber war der ganze Haufen päpstlicher Rechte
und Anmaßungen, gegen welche man sich allenthalben aufgelehnt hatte, aufs neue
in unzweideutiger Weise dem Papstthums bewilligt. Das war das wirkliche,
aller Welt fühlbare Endresultat der so pomphaft verkündigten Reformation
der Kirche an Haupt und Gliedern. Und jene theoretische Klausel, daß das
nächste Conzil eine neue Erörterung und neue Ordnung dieser Verhältnisse
treffen sollte, auch sie hatte nur höchst zweifelhaften Werth: immer blieb in
der Praxis das Papstthum im Besitz aller Rechte und Befugnisse, welche es
in den letzten Jahrhunderten occupirt hatte.

Den Dienst hatte die eonziliare Theorie allerdings der Kirche geleistet,
daß sie ihr aus der Sackgasse des Schisma, aus der Gefahr des allgemeinen
Zusammensturzes herausgeholfen hatte; als eine Nothstandstheorie hatte sie
wirklich sich bewährt; einen weiteren und andauernden Nutzen aber hatte
weder Religion noch Kirche von ihr gezogen. Mochte auch theoretisch noch
eine Weile die eonziliare Doctrin gelehrt und vertheidigt werden, in der Wirk¬
lichkeit des Lebens trat seit 1418 das Papstthum das Kirchenregiment wieder
an, nach denselben Maximen, wie es 1378 vor vierzig Jahren bestanden.

Auf dem Costnitzer Conzile kann man kaum von einem ernstlichen Con-
flikte der päpstlichen und eonziliaren Prinzipien reden. Ausdrücklich hatten
ja die Conzilshäupter den Primat Petri und seiner Nachfolger anerkannt,
und unbekümmert um den inneren Widerspruch der Prinzipien gleichzeitig mit
der eonziliaren Hoheit die göttliche Einsetzung und fundamentale Bedeutung
des Papstthumes gelehrt. Auch der vom Conzil eingesetzte Papst vermied
jeden ernstlichen Streit mit dem Conzile, dem er seine Existenz verdankte,
dessen prinzipielle Basis für sein Pontifikat geradezu den Rechtsboden abgab.
Auch nach dem Conzile verstand er es durch sorgsame Beobachtung der vom
Conzile aufgestellten Erlasse jedem Anstoß aus dem Wege zu gehen. Unter
seinem Nachfolger wurde dies bald anders; da gab es bald einen heftigen
Kampf zwischen Papst und Conzil, — einen Kampf, in welchem beide Systeme
um ihre Existenz mit einander rangen.

Das Conzil von Basel ist eins der lehrreichsten Stücke der neueren
Kirchengeschichte. Radikaler und cousequenter trat hier der Anspruch des
Conziles auf die Bühne; es traf auf einen Gegner, der mit größter Gewand-
heit und virtuoser Ausdauer die Chancen allgemeiner und persönlicher Natur,
welche die Weltlage ihm bot, auszubeuten und so den Niedergang der neuen
Doctrin herbeizuführen verstand.

Widerstrebend und unlustig hatte Papst Eugen IV. das Conzil zusam¬
mentreten lassen, mißtrauisch und argwöhnisch sahen die Conzilsgenossen nach
Rom. Aus kleinen Reibungen und Unliebenswürdigkeiten entwickelte sich
bald Gegensatz, Streit und Kampf der Tendenzen. Für den Papst war es
doch unmöglich, sich den seine Unterwerfung unter das Conzil fordernden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/180>, abgerufen am 25.12.2024.