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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Fürst oder Edelmann als Entrepreneur für einen Kriegsherrn unternahm,
galt als Regel, daß die ganze verabredete Zahl vollständig beritten und be¬
waffnet gestellt wurde. Selbst das Futter mußten sich die Gewordenen be¬
schaffen. Doch läßt sich annehmen, daß die Ausrüstung mit Pferd und
Waffe nur zum Theil von den einzelnen Reitern ausging; meist wurde sie
wohl von Zwischen contrahentem, deren jeder mehrere Reiter stellte, bewirkt. Dieser
machte sie dann aus seinem Stall oder durch Kauf beritten, zu dem er meist
in der Nähe seines Wohnsitzes Gelegenheit gefunden haben dürfte, sodaß
kaum zu bezweifeln ist, daß während dieses Systems der Heeresbildung die
Pferde vorzugsweise aus der Heimath des Reiters oder wenigstens jener
Zwischenunternehmer stammten. Eine Beziehung in Massen aus bestimmten
Gegenden lediglich für den Kriegszweck hat damals noch nicht stattgefunden.
Der Feldmarschall, wie zum Unterschiede von den Landsknechtobersten der
Führer eines Regimentes deutscher Reisiger anfangs oft genannt wurde, be¬
stellte meist aus seiner Wahl Rittmeister und Hauptleute, zumal wenn er,
wie gewöhnlich, selbst der Unternehmer war. -- Gliederung von oben her
trat ein in: Marschalk, Hauptleute, Rittmeister, reisige Knechte. Es wurden
Schultheißen, Profose, Kaplane, Nachrichter nöthig und endlich auch ein ei¬
genes "Reiterrecht", welches um die Zeit Ferdinand's I. und Maximilian's II.
ausgearbeitet, im Jahre 1370 durch den erfahrenen Feldherrn Lazarus von
Schwendi (geb. 1522, gestorben 1853) vollendet wurde und mehrmals im
Druck erschien. Es zeichnet sich immer noch durch eine gewisse vornehme Hal¬
tung vor den Kriegsartikeln des Fußvolks aus.

Zu Karl's V. Zeit zählte eine Neiterstandarte sechszig schwere Lanzen,
hundertzwanzig halbe Kyrisse und sechszig Karabiniere. Die erste Gattung,
die Spießer oder Lanziers, waren anfangs noch ganz mittelalterlich von Kopf
bis zu Fuß geharnischt. Sie ritten womöglich jene alten mächtigen Turnier¬
hengste, die schon anfingen, selten und theuer zu werden. Jeder dieser Spießer
stellte sich Rüstung und Pferde selbst, und deshalb hatten sie natürlich auch
höhern Sold, als die auf leichten Thieren reitenden halben Kyrisser und
Karabiniere, die nur den mehr oder minder vollständigen Harnisch, Degen,
Karabiner und Pistole führten. Die schwere Reiterei tritt stets in kleinen
geschlossenen Haufen auf, welche gewöhnlich regelmäßige Vierecke von 20 M.
Front und Tiefe bilden. In dieser Form scheint sie auch fest geschlossen in
kurzem Galop angegriffen zu haben.

In den Schmalkaldischen Kriegen bildete sich dann aus den gemischten
Reisigengeschwadern eine neue furchtbare Waffenart heraus: leichte bewegliche
Schwadronen von sogenannten " R i n g er Pf erd er ", denen es nicht schwer



') Vergl. E. O. Mentzel: Die Remvntirung der preußischen Armee.
Ärenzboten I. 1874. 2

Fürst oder Edelmann als Entrepreneur für einen Kriegsherrn unternahm,
galt als Regel, daß die ganze verabredete Zahl vollständig beritten und be¬
waffnet gestellt wurde. Selbst das Futter mußten sich die Gewordenen be¬
schaffen. Doch läßt sich annehmen, daß die Ausrüstung mit Pferd und
Waffe nur zum Theil von den einzelnen Reitern ausging; meist wurde sie
wohl von Zwischen contrahentem, deren jeder mehrere Reiter stellte, bewirkt. Dieser
machte sie dann aus seinem Stall oder durch Kauf beritten, zu dem er meist
in der Nähe seines Wohnsitzes Gelegenheit gefunden haben dürfte, sodaß
kaum zu bezweifeln ist, daß während dieses Systems der Heeresbildung die
Pferde vorzugsweise aus der Heimath des Reiters oder wenigstens jener
Zwischenunternehmer stammten. Eine Beziehung in Massen aus bestimmten
Gegenden lediglich für den Kriegszweck hat damals noch nicht stattgefunden.
Der Feldmarschall, wie zum Unterschiede von den Landsknechtobersten der
Führer eines Regimentes deutscher Reisiger anfangs oft genannt wurde, be¬
stellte meist aus seiner Wahl Rittmeister und Hauptleute, zumal wenn er,
wie gewöhnlich, selbst der Unternehmer war. — Gliederung von oben her
trat ein in: Marschalk, Hauptleute, Rittmeister, reisige Knechte. Es wurden
Schultheißen, Profose, Kaplane, Nachrichter nöthig und endlich auch ein ei¬
genes „Reiterrecht", welches um die Zeit Ferdinand's I. und Maximilian's II.
ausgearbeitet, im Jahre 1370 durch den erfahrenen Feldherrn Lazarus von
Schwendi (geb. 1522, gestorben 1853) vollendet wurde und mehrmals im
Druck erschien. Es zeichnet sich immer noch durch eine gewisse vornehme Hal¬
tung vor den Kriegsartikeln des Fußvolks aus.

Zu Karl's V. Zeit zählte eine Neiterstandarte sechszig schwere Lanzen,
hundertzwanzig halbe Kyrisse und sechszig Karabiniere. Die erste Gattung,
die Spießer oder Lanziers, waren anfangs noch ganz mittelalterlich von Kopf
bis zu Fuß geharnischt. Sie ritten womöglich jene alten mächtigen Turnier¬
hengste, die schon anfingen, selten und theuer zu werden. Jeder dieser Spießer
stellte sich Rüstung und Pferde selbst, und deshalb hatten sie natürlich auch
höhern Sold, als die auf leichten Thieren reitenden halben Kyrisser und
Karabiniere, die nur den mehr oder minder vollständigen Harnisch, Degen,
Karabiner und Pistole führten. Die schwere Reiterei tritt stets in kleinen
geschlossenen Haufen auf, welche gewöhnlich regelmäßige Vierecke von 20 M.
Front und Tiefe bilden. In dieser Form scheint sie auch fest geschlossen in
kurzem Galop angegriffen zu haben.

In den Schmalkaldischen Kriegen bildete sich dann aus den gemischten
Reisigengeschwadern eine neue furchtbare Waffenart heraus: leichte bewegliche
Schwadronen von sogenannten „ R i n g er Pf erd er ", denen es nicht schwer



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[0015] Fürst oder Edelmann als Entrepreneur für einen Kriegsherrn unternahm, galt als Regel, daß die ganze verabredete Zahl vollständig beritten und be¬ waffnet gestellt wurde. Selbst das Futter mußten sich die Gewordenen be¬ schaffen. Doch läßt sich annehmen, daß die Ausrüstung mit Pferd und Waffe nur zum Theil von den einzelnen Reitern ausging; meist wurde sie wohl von Zwischen contrahentem, deren jeder mehrere Reiter stellte, bewirkt. Dieser machte sie dann aus seinem Stall oder durch Kauf beritten, zu dem er meist in der Nähe seines Wohnsitzes Gelegenheit gefunden haben dürfte, sodaß kaum zu bezweifeln ist, daß während dieses Systems der Heeresbildung die Pferde vorzugsweise aus der Heimath des Reiters oder wenigstens jener Zwischenunternehmer stammten. Eine Beziehung in Massen aus bestimmten Gegenden lediglich für den Kriegszweck hat damals noch nicht stattgefunden. Der Feldmarschall, wie zum Unterschiede von den Landsknechtobersten der Führer eines Regimentes deutscher Reisiger anfangs oft genannt wurde, be¬ stellte meist aus seiner Wahl Rittmeister und Hauptleute, zumal wenn er, wie gewöhnlich, selbst der Unternehmer war. — Gliederung von oben her trat ein in: Marschalk, Hauptleute, Rittmeister, reisige Knechte. Es wurden Schultheißen, Profose, Kaplane, Nachrichter nöthig und endlich auch ein ei¬ genes „Reiterrecht", welches um die Zeit Ferdinand's I. und Maximilian's II. ausgearbeitet, im Jahre 1370 durch den erfahrenen Feldherrn Lazarus von Schwendi (geb. 1522, gestorben 1853) vollendet wurde und mehrmals im Druck erschien. Es zeichnet sich immer noch durch eine gewisse vornehme Hal¬ tung vor den Kriegsartikeln des Fußvolks aus. Zu Karl's V. Zeit zählte eine Neiterstandarte sechszig schwere Lanzen, hundertzwanzig halbe Kyrisse und sechszig Karabiniere. Die erste Gattung, die Spießer oder Lanziers, waren anfangs noch ganz mittelalterlich von Kopf bis zu Fuß geharnischt. Sie ritten womöglich jene alten mächtigen Turnier¬ hengste, die schon anfingen, selten und theuer zu werden. Jeder dieser Spießer stellte sich Rüstung und Pferde selbst, und deshalb hatten sie natürlich auch höhern Sold, als die auf leichten Thieren reitenden halben Kyrisser und Karabiniere, die nur den mehr oder minder vollständigen Harnisch, Degen, Karabiner und Pistole führten. Die schwere Reiterei tritt stets in kleinen geschlossenen Haufen auf, welche gewöhnlich regelmäßige Vierecke von 20 M. Front und Tiefe bilden. In dieser Form scheint sie auch fest geschlossen in kurzem Galop angegriffen zu haben. In den Schmalkaldischen Kriegen bildete sich dann aus den gemischten Reisigengeschwadern eine neue furchtbare Waffenart heraus: leichte bewegliche Schwadronen von sogenannten „ R i n g er Pf erd er ", denen es nicht schwer ') Vergl. E. O. Mentzel: Die Remvntirung der preußischen Armee. Ärenzboten I. 1874. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/15>, abgerufen am 25.12.2024.