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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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gesellschasr war nicht veranschlagt; dagegen die Ritterschaft der Werterau (mit
24 zu Roß und 63 zu Fuß). Sonst fehlt die Reichsritterschaft, zumal
sie nicht mehr zum Reichstage geladen wurde. Allerdings war sie noch immer,
ihrem müßigen Anrecht nach, zum persönlichen Ritterdienst verpflichtet; sie
diente aber nicht als eine Genossenschaft und zahlte auch noch kein "Charitativ-
Subsidium". Die Reichsstädte endlich, 84 an Zahl, mit auffallender Will¬
kür zusammengestellt, durften sich wohl der Ueberbürdung beklagen, da viele
von ihnen, wie Nürnberg, Ulm, Frankfurt, Straßburg, Lübeck und Köln den
mächtigsten Weltfürsten fast gleichgeschätzt waren. -- Die Summe dieses
ersten Anschlages ist übrigens nicht genau zu ermitteln; nur annäherungs¬
weise läßt sie sich bei Gelegenheit des veränderten Anschlags erkennen, den
55 Jahre später, also 1576, die steigende Türkennoth veranlaßte. Damals
wurden die neun Reichskreise auf etwa 2500 Mann zu Roß und 12,000 zu
Fuß, zusammen also auf 14--15,000 Mann oder nach dem alten Geldfuß
auf etwas über 50,000 Thaler gesetzt; in Betreff der beiden Waffenarten
etwa wie I zu 5. Der schwäbische, westfälische und niedersächsische Kreis
gaben das höchste Reichscontingent, der österreichische und der niederrheinische
das niedrigste; es wurden aber die Römermonate in steigender Zahl, sünf-
sechsfach gefordert und die Zusammenstellung nach der Kreis-Verfassung ge¬
ordnet, was jedoch schon damals eine recht bunte Masse bildete.*)

Kaiser Karl V. hat übrigens aus der Wormser Matrikel nur sehr wenig
Nutzen ziehen können; erstlich, weil die meisten seiner Kriege nicht Reichs¬
kriege, sondern Kriege seines Hauses waren, in denen das Reich Heeresfolge
zu leisten, keine Verpflichtung hatte, und zweitens, weil durch die Reformation
jene tiefe Spaltung unter den Ständen eintrat, die endlich im schmalkaldischen
Kriege und in dem Zuge des Kurfürsten Moritz von Sachsen gegen den
Kaiser ihren flagranten Ausdruck fand. -- So war Karl denn überall, wo
er etwas mit deutscher Wehrkraft ausrichten wollte, auf Soldtruppen
angewiesen.

Um ein Bild dieser Sold-Truppen zu gewinnen, müssen wir die
einzelnen Waffengattungen ins Auge fassen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Reiterei! -- Nicht mit
Unrecht sind die italienischen Kriege bis zur Schlacht von Pavia hin als
ein Duell zwischen Fußvolk und Ritterschaft bezeichnet worden. Gar große
Neigung hatten die Ritter, der Infanterie gegenüber zu treten, als die eigent¬
lichen und wahren, als die geborenen Kriegsmänner den rebellischen anmaßend
bewaffneten Bauern. Indessen diese Haltung war nicht durchzuführen.



") Vergl- Leonhard Fronsberger's "Kriegsvnch i" 3 Theilen", das zuerst 157? erschien,
sowie Ur. Bartholdi Geschichte des Kriegswesens und der KneM'erfassnng der Deutschen.
Leip,eg 1855.

gesellschasr war nicht veranschlagt; dagegen die Ritterschaft der Werterau (mit
24 zu Roß und 63 zu Fuß). Sonst fehlt die Reichsritterschaft, zumal
sie nicht mehr zum Reichstage geladen wurde. Allerdings war sie noch immer,
ihrem müßigen Anrecht nach, zum persönlichen Ritterdienst verpflichtet; sie
diente aber nicht als eine Genossenschaft und zahlte auch noch kein „Charitativ-
Subsidium". Die Reichsstädte endlich, 84 an Zahl, mit auffallender Will¬
kür zusammengestellt, durften sich wohl der Ueberbürdung beklagen, da viele
von ihnen, wie Nürnberg, Ulm, Frankfurt, Straßburg, Lübeck und Köln den
mächtigsten Weltfürsten fast gleichgeschätzt waren. — Die Summe dieses
ersten Anschlages ist übrigens nicht genau zu ermitteln; nur annäherungs¬
weise läßt sie sich bei Gelegenheit des veränderten Anschlags erkennen, den
55 Jahre später, also 1576, die steigende Türkennoth veranlaßte. Damals
wurden die neun Reichskreise auf etwa 2500 Mann zu Roß und 12,000 zu
Fuß, zusammen also auf 14—15,000 Mann oder nach dem alten Geldfuß
auf etwas über 50,000 Thaler gesetzt; in Betreff der beiden Waffenarten
etwa wie I zu 5. Der schwäbische, westfälische und niedersächsische Kreis
gaben das höchste Reichscontingent, der österreichische und der niederrheinische
das niedrigste; es wurden aber die Römermonate in steigender Zahl, sünf-
sechsfach gefordert und die Zusammenstellung nach der Kreis-Verfassung ge¬
ordnet, was jedoch schon damals eine recht bunte Masse bildete.*)

Kaiser Karl V. hat übrigens aus der Wormser Matrikel nur sehr wenig
Nutzen ziehen können; erstlich, weil die meisten seiner Kriege nicht Reichs¬
kriege, sondern Kriege seines Hauses waren, in denen das Reich Heeresfolge
zu leisten, keine Verpflichtung hatte, und zweitens, weil durch die Reformation
jene tiefe Spaltung unter den Ständen eintrat, die endlich im schmalkaldischen
Kriege und in dem Zuge des Kurfürsten Moritz von Sachsen gegen den
Kaiser ihren flagranten Ausdruck fand. — So war Karl denn überall, wo
er etwas mit deutscher Wehrkraft ausrichten wollte, auf Soldtruppen
angewiesen.

Um ein Bild dieser Sold-Truppen zu gewinnen, müssen wir die
einzelnen Waffengattungen ins Auge fassen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Reiterei! — Nicht mit
Unrecht sind die italienischen Kriege bis zur Schlacht von Pavia hin als
ein Duell zwischen Fußvolk und Ritterschaft bezeichnet worden. Gar große
Neigung hatten die Ritter, der Infanterie gegenüber zu treten, als die eigent¬
lichen und wahren, als die geborenen Kriegsmänner den rebellischen anmaßend
bewaffneten Bauern. Indessen diese Haltung war nicht durchzuführen.



") Vergl- Leonhard Fronsberger's „Kriegsvnch i» 3 Theilen", das zuerst 157? erschien,
sowie Ur. Bartholdi Geschichte des Kriegswesens und der KneM'erfassnng der Deutschen.
Leip,eg 1855.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/13>, abgerufen am 25.12.2024.