Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fält zugewendet; -- zweitens führte die nahe Berührung zwischen Angreifern
und Belagerten auch in der Folge ein lebhaftes Jnfanterie-Feuergefecht herbei.
Die französischen Arkebufiere schössen sich von nun an ununterbrochen mit
den Kaiserlichen in den Laufgräben herum, und die Ausfallescharmützel be¬
kamen, während der unsichtbar fortschreitenden Minenarbeit, eine erhöhte
Wichtigkeit. Am 1. Dezember hatte ein französischer Ausfall ein größeres
Gefecht zur Folge. Man hatte nämlich in der Festung erfahren, daß der
Markgraf von Brandenburg-Kulmbach einen Lebensmitteltransport von
Diedenhofen her erwarte, und versuchte, diesen abzufangen. Der Ausfall ge¬
schah so plötzlich und kräftig, der Lagerdienst des Markgrafen war so wenig
aufmerksam und prompt, daß die Franzosen weit vordrangen und es nur mit
großer Mühe gelang, sie von dem Convoi abzuhalten und wieder in die
Festung zurückzudrängen. Der Versuch, vereint mit dem Abziehenden in die
Stadt einzudringen, scheint viel zu lau unternommen worden zu sein, um glücken
zu können.

Die Hauptmine der Belagerer war gegen die Tour d'Eilfer gerichtet.
Als dieser Thurm durch die Compagnie des Prinzen de la Roche für Avr
ablösend besetzt wurde, stieg der Prinz selbst zur Nachtzeit in die unterste
Etage hinab und glaubte ein Geräusch von Hacken zu hören, wie wenn der
Feind an einer Mine arbeitete. Er meldete das an Guise und nach fort¬
gesetzter Beobachtung wurde der Contremineur angssetzt. -- Am 7. Dezember
schien es, als wenn die Kaiserlichen einen Sturm unternehmen wollten; denn
sie rückten in großen Massen gegen die Bresche heran. Als man jedoch von
den Höhen bemerkte, in wie vortrefflicher Weise die Bresche besetzt worden,
stand Alba von dem Unternehmen ab, vielleicht um abzuwarten, ob es nicht
dem Mineur gelingen werde, einen besseren Zugang zu schaffen, vielleicht auch
weil die frierenden, hungernden und unbesoldeten Compagnien ansingen, ohne
Befehl ins Lager zurückzukehren. -- Der Kaiser soll mit den Worten hin¬
weggeritten sein: "Meine Truppen verlassen mich; ich sehe niemand mehr
an meiner Seite."

Indessen war die gegen den Höllenthurm gerichtete Hauptmine weit ge¬
nug vorgerückt, um eine baldige Wirkung hoffen zu lassen und zugleich hat¬
ten die Angreifer einen neuen Laufgraben in dem Terrainwinkel zwischen
Mosel und Höllenthurm eröffnet. Am 12. Dezember bewirkten sie hier auch
eine dreißig Fuß breite Bresche; abermals dachte man daran, zu stürmen, doch
weder diese neue, noch die erste große Bresche erwiesen sich als praktikabel,
obgleich die letztere durch artilleristische Zerstörung eines Mauerthurms noch
erweitert wurde. -- Guise, welcher erfahren hatte, daß die Kaiserlichen Mas¬
sen von Faschinen sammelten, und daraus schloß, daß ein Grabenübergang beab¬
sichtigt werde, versammelte alle Offiziere und Edelleute an der Bresche und


fält zugewendet; — zweitens führte die nahe Berührung zwischen Angreifern
und Belagerten auch in der Folge ein lebhaftes Jnfanterie-Feuergefecht herbei.
Die französischen Arkebufiere schössen sich von nun an ununterbrochen mit
den Kaiserlichen in den Laufgräben herum, und die Ausfallescharmützel be¬
kamen, während der unsichtbar fortschreitenden Minenarbeit, eine erhöhte
Wichtigkeit. Am 1. Dezember hatte ein französischer Ausfall ein größeres
Gefecht zur Folge. Man hatte nämlich in der Festung erfahren, daß der
Markgraf von Brandenburg-Kulmbach einen Lebensmitteltransport von
Diedenhofen her erwarte, und versuchte, diesen abzufangen. Der Ausfall ge¬
schah so plötzlich und kräftig, der Lagerdienst des Markgrafen war so wenig
aufmerksam und prompt, daß die Franzosen weit vordrangen und es nur mit
großer Mühe gelang, sie von dem Convoi abzuhalten und wieder in die
Festung zurückzudrängen. Der Versuch, vereint mit dem Abziehenden in die
Stadt einzudringen, scheint viel zu lau unternommen worden zu sein, um glücken
zu können.

Die Hauptmine der Belagerer war gegen die Tour d'Eilfer gerichtet.
Als dieser Thurm durch die Compagnie des Prinzen de la Roche für Avr
ablösend besetzt wurde, stieg der Prinz selbst zur Nachtzeit in die unterste
Etage hinab und glaubte ein Geräusch von Hacken zu hören, wie wenn der
Feind an einer Mine arbeitete. Er meldete das an Guise und nach fort¬
gesetzter Beobachtung wurde der Contremineur angssetzt. — Am 7. Dezember
schien es, als wenn die Kaiserlichen einen Sturm unternehmen wollten; denn
sie rückten in großen Massen gegen die Bresche heran. Als man jedoch von
den Höhen bemerkte, in wie vortrefflicher Weise die Bresche besetzt worden,
stand Alba von dem Unternehmen ab, vielleicht um abzuwarten, ob es nicht
dem Mineur gelingen werde, einen besseren Zugang zu schaffen, vielleicht auch
weil die frierenden, hungernden und unbesoldeten Compagnien ansingen, ohne
Befehl ins Lager zurückzukehren. — Der Kaiser soll mit den Worten hin¬
weggeritten sein: „Meine Truppen verlassen mich; ich sehe niemand mehr
an meiner Seite."

Indessen war die gegen den Höllenthurm gerichtete Hauptmine weit ge¬
nug vorgerückt, um eine baldige Wirkung hoffen zu lassen und zugleich hat¬
ten die Angreifer einen neuen Laufgraben in dem Terrainwinkel zwischen
Mosel und Höllenthurm eröffnet. Am 12. Dezember bewirkten sie hier auch
eine dreißig Fuß breite Bresche; abermals dachte man daran, zu stürmen, doch
weder diese neue, noch die erste große Bresche erwiesen sich als praktikabel,
obgleich die letztere durch artilleristische Zerstörung eines Mauerthurms noch
erweitert wurde. — Guise, welcher erfahren hatte, daß die Kaiserlichen Mas¬
sen von Faschinen sammelten, und daraus schloß, daß ein Grabenübergang beab¬
sichtigt werde, versammelte alle Offiziere und Edelleute an der Bresche und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130745"/>
          <p xml:id="ID_272" prev="#ID_271"> fält zugewendet; &#x2014; zweitens führte die nahe Berührung zwischen Angreifern<lb/>
und Belagerten auch in der Folge ein lebhaftes Jnfanterie-Feuergefecht herbei.<lb/>
Die französischen Arkebufiere schössen sich von nun an ununterbrochen mit<lb/>
den Kaiserlichen in den Laufgräben herum, und die Ausfallescharmützel be¬<lb/>
kamen, während der unsichtbar fortschreitenden Minenarbeit, eine erhöhte<lb/>
Wichtigkeit. Am 1. Dezember hatte ein französischer Ausfall ein größeres<lb/>
Gefecht zur Folge. Man hatte nämlich in der Festung erfahren, daß der<lb/>
Markgraf von Brandenburg-Kulmbach einen Lebensmitteltransport von<lb/>
Diedenhofen her erwarte, und versuchte, diesen abzufangen. Der Ausfall ge¬<lb/>
schah so plötzlich und kräftig, der Lagerdienst des Markgrafen war so wenig<lb/>
aufmerksam und prompt, daß die Franzosen weit vordrangen und es nur mit<lb/>
großer Mühe gelang, sie von dem Convoi abzuhalten und wieder in die<lb/>
Festung zurückzudrängen. Der Versuch, vereint mit dem Abziehenden in die<lb/>
Stadt einzudringen, scheint viel zu lau unternommen worden zu sein, um glücken<lb/>
zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_273"> Die Hauptmine der Belagerer war gegen die Tour d'Eilfer gerichtet.<lb/>
Als dieser Thurm durch die Compagnie des Prinzen de la Roche für Avr<lb/>
ablösend besetzt wurde, stieg der Prinz selbst zur Nachtzeit in die unterste<lb/>
Etage hinab und glaubte ein Geräusch von Hacken zu hören, wie wenn der<lb/>
Feind an einer Mine arbeitete. Er meldete das an Guise und nach fort¬<lb/>
gesetzter Beobachtung wurde der Contremineur angssetzt. &#x2014; Am 7. Dezember<lb/>
schien es, als wenn die Kaiserlichen einen Sturm unternehmen wollten; denn<lb/>
sie rückten in großen Massen gegen die Bresche heran. Als man jedoch von<lb/>
den Höhen bemerkte, in wie vortrefflicher Weise die Bresche besetzt worden,<lb/>
stand Alba von dem Unternehmen ab, vielleicht um abzuwarten, ob es nicht<lb/>
dem Mineur gelingen werde, einen besseren Zugang zu schaffen, vielleicht auch<lb/>
weil die frierenden, hungernden und unbesoldeten Compagnien ansingen, ohne<lb/>
Befehl ins Lager zurückzukehren. &#x2014; Der Kaiser soll mit den Worten hin¬<lb/>
weggeritten sein: &#x201E;Meine Truppen verlassen mich; ich sehe niemand mehr<lb/>
an meiner Seite."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_274" next="#ID_275"> Indessen war die gegen den Höllenthurm gerichtete Hauptmine weit ge¬<lb/>
nug vorgerückt, um eine baldige Wirkung hoffen zu lassen und zugleich hat¬<lb/>
ten die Angreifer einen neuen Laufgraben in dem Terrainwinkel zwischen<lb/>
Mosel und Höllenthurm eröffnet. Am 12. Dezember bewirkten sie hier auch<lb/>
eine dreißig Fuß breite Bresche; abermals dachte man daran, zu stürmen, doch<lb/>
weder diese neue, noch die erste große Bresche erwiesen sich als praktikabel,<lb/>
obgleich die letztere durch artilleristische Zerstörung eines Mauerthurms noch<lb/>
erweitert wurde. &#x2014; Guise, welcher erfahren hatte, daß die Kaiserlichen Mas¬<lb/>
sen von Faschinen sammelten, und daraus schloß, daß ein Grabenübergang beab¬<lb/>
sichtigt werde, versammelte alle Offiziere und Edelleute an der Bresche und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0101] fält zugewendet; — zweitens führte die nahe Berührung zwischen Angreifern und Belagerten auch in der Folge ein lebhaftes Jnfanterie-Feuergefecht herbei. Die französischen Arkebufiere schössen sich von nun an ununterbrochen mit den Kaiserlichen in den Laufgräben herum, und die Ausfallescharmützel be¬ kamen, während der unsichtbar fortschreitenden Minenarbeit, eine erhöhte Wichtigkeit. Am 1. Dezember hatte ein französischer Ausfall ein größeres Gefecht zur Folge. Man hatte nämlich in der Festung erfahren, daß der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach einen Lebensmitteltransport von Diedenhofen her erwarte, und versuchte, diesen abzufangen. Der Ausfall ge¬ schah so plötzlich und kräftig, der Lagerdienst des Markgrafen war so wenig aufmerksam und prompt, daß die Franzosen weit vordrangen und es nur mit großer Mühe gelang, sie von dem Convoi abzuhalten und wieder in die Festung zurückzudrängen. Der Versuch, vereint mit dem Abziehenden in die Stadt einzudringen, scheint viel zu lau unternommen worden zu sein, um glücken zu können. Die Hauptmine der Belagerer war gegen die Tour d'Eilfer gerichtet. Als dieser Thurm durch die Compagnie des Prinzen de la Roche für Avr ablösend besetzt wurde, stieg der Prinz selbst zur Nachtzeit in die unterste Etage hinab und glaubte ein Geräusch von Hacken zu hören, wie wenn der Feind an einer Mine arbeitete. Er meldete das an Guise und nach fort¬ gesetzter Beobachtung wurde der Contremineur angssetzt. — Am 7. Dezember schien es, als wenn die Kaiserlichen einen Sturm unternehmen wollten; denn sie rückten in großen Massen gegen die Bresche heran. Als man jedoch von den Höhen bemerkte, in wie vortrefflicher Weise die Bresche besetzt worden, stand Alba von dem Unternehmen ab, vielleicht um abzuwarten, ob es nicht dem Mineur gelingen werde, einen besseren Zugang zu schaffen, vielleicht auch weil die frierenden, hungernden und unbesoldeten Compagnien ansingen, ohne Befehl ins Lager zurückzukehren. — Der Kaiser soll mit den Worten hin¬ weggeritten sein: „Meine Truppen verlassen mich; ich sehe niemand mehr an meiner Seite." Indessen war die gegen den Höllenthurm gerichtete Hauptmine weit ge¬ nug vorgerückt, um eine baldige Wirkung hoffen zu lassen und zugleich hat¬ ten die Angreifer einen neuen Laufgraben in dem Terrainwinkel zwischen Mosel und Höllenthurm eröffnet. Am 12. Dezember bewirkten sie hier auch eine dreißig Fuß breite Bresche; abermals dachte man daran, zu stürmen, doch weder diese neue, noch die erste große Bresche erwiesen sich als praktikabel, obgleich die letztere durch artilleristische Zerstörung eines Mauerthurms noch erweitert wurde. — Guise, welcher erfahren hatte, daß die Kaiserlichen Mas¬ sen von Faschinen sammelten, und daraus schloß, daß ein Grabenübergang beab¬ sichtigt werde, versammelte alle Offiziere und Edelleute an der Bresche und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/101
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/101>, abgerufen am 28.08.2024.