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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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seit Dubs und Challet - Venet durch Scherer und Borel ersetzt worden sind,
der gesammte Bundesrath einstimmig und entschlossen hinter ihr. Der ver¬
worfene Entwurf ist ihr zu Grunde gelegt und wurden an demselben sowohl
in redaktioneller wie in sachlicher Beziehung sehr sorgfältige Aenderungen,
meist Verbesserungen angebracht; diese sind auch bereits in Gruppen abge¬
theilt für den Fall, daß die Räthe statt einer sammthaften eine gruppen¬
weise Volksabstimmung beschließen sollten. Die hauptsächlichen Aenderungen,
theils Milderungen, theils Verschärfungen mochten folgende sein. Kriegs¬
material und Kriegsverwaltung sollen nicht mehr vollständig centralisirt wer¬
den, sondern an Beidem und darum auch an den Kosten von Beidem ein
Antheil den Kantonen durch die Bundesgesetzgebung zugeschieden werden; dies;
zur Beschwichtigung der kindischen Furcht unserer romanischen Kantone vor
einem von Bern ausgeführten Säbelregiment und mit der bestimmten Aus¬
sicht, daß in wenig Jahren eben diese Kantone ihren Theil Kriegsverwaltung
dem Bund recht eigentlich aufdrängen werden. Die schwer errungene Be¬
stimmung des verworfenen Entwurfs: "Der Bund kann über das Minimum
der Anforderung an die Primärschule gesetzliche Bestimmungen erlassen", läßt
der Bundesrath fallen, wohl wegen der Schwierigkeit der ihm auffallenden
Ausführung, denn gegenwärtig hat die Sache selbst nur noch die Ultramon¬
tanen gegen sich. Verschärft sind die kirchlichen Artikel durch die neue Re¬
daktion :


Niemand darf zur Theilnahme ein einer Neligionsgcnossenschaft, ein einem reli¬
giösen Unterricht oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen werden,

und die Beifügungen:


Anstünde aus dein öffentlichen oder Privatrechte, welche über die Trennung und Neubil¬
dungen von Neligionsgcnossenschasten gegenüber den Kantonen entstehen, entscheidet
der Bund. (Altkatholiken.)

Die Errichtung von Bisthümern ans schweizerischem Gebiete unterliegt der Ge¬
nehmigung des Bundes.

Wer ohne Zustimmung des Bundes ans dem Gebiete der Eidgenossenschaft im
Auftrage eines fremden Staates oder einer fremden Behörde amtliche Handlungen
verrichtet, kann vom Bundesrath des Landes verwiesen werden. (Mermillod).


Alle Gebühren für Niederlasfungs- und Aufenthaltsbewilligungen sollen
abgeschafft werden. Vorsichtiger als früher wird die Rechtseinheit angebahnt,
indem es nun, statt sofortiger Centralisation des Civilrechts sammt Verfahren,
heißt:


Dem Bund steht die Gesetzgebung zu: über die persönliche Handlungsfähigkeit,
das Obligationsrecht, das Handel- und Wechselrecht, das Bctreibnngsvcrfahren und
das Konkursrecht. Nach Erlassung dieser Gesetze kann im Falle des Bedürfnisses
die Gesetzgebung auch auf die übrigen Theile des EivilrechtS, sowie aus das Straf
recht und den Strafprvceß ausgedehnt werden.

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seit Dubs und Challet - Venet durch Scherer und Borel ersetzt worden sind,
der gesammte Bundesrath einstimmig und entschlossen hinter ihr. Der ver¬
worfene Entwurf ist ihr zu Grunde gelegt und wurden an demselben sowohl
in redaktioneller wie in sachlicher Beziehung sehr sorgfältige Aenderungen,
meist Verbesserungen angebracht; diese sind auch bereits in Gruppen abge¬
theilt für den Fall, daß die Räthe statt einer sammthaften eine gruppen¬
weise Volksabstimmung beschließen sollten. Die hauptsächlichen Aenderungen,
theils Milderungen, theils Verschärfungen mochten folgende sein. Kriegs¬
material und Kriegsverwaltung sollen nicht mehr vollständig centralisirt wer¬
den, sondern an Beidem und darum auch an den Kosten von Beidem ein
Antheil den Kantonen durch die Bundesgesetzgebung zugeschieden werden; dies;
zur Beschwichtigung der kindischen Furcht unserer romanischen Kantone vor
einem von Bern ausgeführten Säbelregiment und mit der bestimmten Aus¬
sicht, daß in wenig Jahren eben diese Kantone ihren Theil Kriegsverwaltung
dem Bund recht eigentlich aufdrängen werden. Die schwer errungene Be¬
stimmung des verworfenen Entwurfs: „Der Bund kann über das Minimum
der Anforderung an die Primärschule gesetzliche Bestimmungen erlassen", läßt
der Bundesrath fallen, wohl wegen der Schwierigkeit der ihm auffallenden
Ausführung, denn gegenwärtig hat die Sache selbst nur noch die Ultramon¬
tanen gegen sich. Verschärft sind die kirchlichen Artikel durch die neue Re¬
daktion :


Niemand darf zur Theilnahme ein einer Neligionsgcnossenschaft, ein einem reli¬
giösen Unterricht oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen werden,

und die Beifügungen:


Anstünde aus dein öffentlichen oder Privatrechte, welche über die Trennung und Neubil¬
dungen von Neligionsgcnossenschasten gegenüber den Kantonen entstehen, entscheidet
der Bund. (Altkatholiken.)

Die Errichtung von Bisthümern ans schweizerischem Gebiete unterliegt der Ge¬
nehmigung des Bundes.

Wer ohne Zustimmung des Bundes ans dem Gebiete der Eidgenossenschaft im
Auftrage eines fremden Staates oder einer fremden Behörde amtliche Handlungen
verrichtet, kann vom Bundesrath des Landes verwiesen werden. (Mermillod).


Alle Gebühren für Niederlasfungs- und Aufenthaltsbewilligungen sollen
abgeschafft werden. Vorsichtiger als früher wird die Rechtseinheit angebahnt,
indem es nun, statt sofortiger Centralisation des Civilrechts sammt Verfahren,
heißt:


Dem Bund steht die Gesetzgebung zu: über die persönliche Handlungsfähigkeit,
das Obligationsrecht, das Handel- und Wechselrecht, das Bctreibnngsvcrfahren und
das Konkursrecht. Nach Erlassung dieser Gesetze kann im Falle des Bedürfnisses
die Gesetzgebung auch auf die übrigen Theile des EivilrechtS, sowie aus das Straf
recht und den Strafprvceß ausgedehnt werden.

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[0081] seit Dubs und Challet - Venet durch Scherer und Borel ersetzt worden sind, der gesammte Bundesrath einstimmig und entschlossen hinter ihr. Der ver¬ worfene Entwurf ist ihr zu Grunde gelegt und wurden an demselben sowohl in redaktioneller wie in sachlicher Beziehung sehr sorgfältige Aenderungen, meist Verbesserungen angebracht; diese sind auch bereits in Gruppen abge¬ theilt für den Fall, daß die Räthe statt einer sammthaften eine gruppen¬ weise Volksabstimmung beschließen sollten. Die hauptsächlichen Aenderungen, theils Milderungen, theils Verschärfungen mochten folgende sein. Kriegs¬ material und Kriegsverwaltung sollen nicht mehr vollständig centralisirt wer¬ den, sondern an Beidem und darum auch an den Kosten von Beidem ein Antheil den Kantonen durch die Bundesgesetzgebung zugeschieden werden; dies; zur Beschwichtigung der kindischen Furcht unserer romanischen Kantone vor einem von Bern ausgeführten Säbelregiment und mit der bestimmten Aus¬ sicht, daß in wenig Jahren eben diese Kantone ihren Theil Kriegsverwaltung dem Bund recht eigentlich aufdrängen werden. Die schwer errungene Be¬ stimmung des verworfenen Entwurfs: „Der Bund kann über das Minimum der Anforderung an die Primärschule gesetzliche Bestimmungen erlassen", läßt der Bundesrath fallen, wohl wegen der Schwierigkeit der ihm auffallenden Ausführung, denn gegenwärtig hat die Sache selbst nur noch die Ultramon¬ tanen gegen sich. Verschärft sind die kirchlichen Artikel durch die neue Re¬ daktion : Niemand darf zur Theilnahme ein einer Neligionsgcnossenschaft, ein einem reli¬ giösen Unterricht oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen werden, und die Beifügungen: Anstünde aus dein öffentlichen oder Privatrechte, welche über die Trennung und Neubil¬ dungen von Neligionsgcnossenschasten gegenüber den Kantonen entstehen, entscheidet der Bund. (Altkatholiken.) Die Errichtung von Bisthümern ans schweizerischem Gebiete unterliegt der Ge¬ nehmigung des Bundes. Wer ohne Zustimmung des Bundes ans dem Gebiete der Eidgenossenschaft im Auftrage eines fremden Staates oder einer fremden Behörde amtliche Handlungen verrichtet, kann vom Bundesrath des Landes verwiesen werden. (Mermillod). Alle Gebühren für Niederlasfungs- und Aufenthaltsbewilligungen sollen abgeschafft werden. Vorsichtiger als früher wird die Rechtseinheit angebahnt, indem es nun, statt sofortiger Centralisation des Civilrechts sammt Verfahren, heißt: Dem Bund steht die Gesetzgebung zu: über die persönliche Handlungsfähigkeit, das Obligationsrecht, das Handel- und Wechselrecht, das Bctreibnngsvcrfahren und das Konkursrecht. Nach Erlassung dieser Gesetze kann im Falle des Bedürfnisses die Gesetzgebung auch auf die übrigen Theile des EivilrechtS, sowie aus das Straf recht und den Strafprvceß ausgedehnt werden. Grenzten 1»7:!. til. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/81>, abgerufen am 06.02.2025.