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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Schichten derselben sich einstellen mag/) Ein Kapital von 20,000 Thlr. in
400 Aktien mit 10--12^ Thlr. per Aktie Anzahlung im ersten Jahre ist in
Aussicht genommen. Der Verein wird seine Thätigkeit zunächst auf Bremen
Oldenburg, Hannover begrenzen.

Sehr sinnreich ist die Organisation von Jugendbibliotheken, die man, eben¬
falls von Bremen aus, mit bestem Erfolge begonnen hat. Der dortige Zweig¬
verein der Gesellschaft hat bei wohlhabenden Familien Jugendschriften (zum Theil
schon gebrauchte aber noch brauchbare) gesammelt. Er hat auf diesem Wege
etwa 600 Stück erhalten, daraus 10 kleine Bibliotheken gemacht und diese an
10 Dorfschullehrer vertheilt. In etwa 2 Jahren werden diese Schriften unter
der Dorfjugend circulirt haben und können dann durch andere ersetzt werden.
Diese beiden von Bremen aus (das stets in aller gemeinnützigen Thätigkeit
ein lobenswerthes Beispiel gegeben) nicht blos angeregten, sondern sogleich
practisch in Angriff genommenen Ideen verdienen höchste Beachtung und
werkthätige Nacheiferung.

Der Centralausschuß selbst hat bereits, in Verfolgung des gleichen Ge¬
dankens, mit einem Verleger einen Vertrag wegen Herausgabe von Volks¬
büchern geschlossen, denen man eine weite Verbreitung und einen besondern
Absatz zu verschaffen hofft, so daß man auch Schriftsteller ersten Ranges für
diese Sache der Volksbildung gewinnen könne. Die Versammlung konnte
den wahren Bestrebungen der Bremenser und ihrer Genossen nur vollen Bei¬
fall spenden.

Nicht so einmüthig war sie bei dem folgenden Thema, vielmehr gab
dieses zu lebhaften Diskussionen Anlaß. Herr E Weyl aus Frankfurt a. M.
beantragte eine Resolution des Inhalts, daß nach Ansicht der Gesellschaft das
ganze deutsche Schulwesen von den Universitäten herab bis mit den Volks¬
schulen durch ein Reichsgesetz geregelt werden solle, also im Wesentlichen der¬
selbe Gedanke nur in etwas andererForm, den Hirthin seinem Einleitungsvortrag
entwickelt hatte. Der Antrag wurde von einigen Rednern unterstützt, von
mehreren bekämpft. Unterstützt aus idealen Gründen von Seyffardt-Crefeld
und Kalter-Biberich, die nur auf diesem Wege die Volksschule zu ihrer ge¬
bührenden Stellung und Bedeutung gelangen zu sehen hoffen, und materiell
von Knaur-Gröbers, der davon eine gerechtere Vertheilung der Schullast
erwartet.

Dagegen ward derselbe bekämpft theils aus Zweckmäßigkeitsgründen als
muthmaßlich erfolglos (von Dr. Zehner-Frankfurt), theils principiell als be¬
denklich für die Volksschule selbst, als dem deutschen Geiste und seiner sehr
lobenswerthen Hinneigung zur communalen Selbstthätigkeit widersprechend.



*) So äußert sich das Flugblatt: "Nordwestdeutschcr VoMschriftcnverlag", auf welches der
Redner sich bezog.

Schichten derselben sich einstellen mag/) Ein Kapital von 20,000 Thlr. in
400 Aktien mit 10—12^ Thlr. per Aktie Anzahlung im ersten Jahre ist in
Aussicht genommen. Der Verein wird seine Thätigkeit zunächst auf Bremen
Oldenburg, Hannover begrenzen.

Sehr sinnreich ist die Organisation von Jugendbibliotheken, die man, eben¬
falls von Bremen aus, mit bestem Erfolge begonnen hat. Der dortige Zweig¬
verein der Gesellschaft hat bei wohlhabenden Familien Jugendschriften (zum Theil
schon gebrauchte aber noch brauchbare) gesammelt. Er hat auf diesem Wege
etwa 600 Stück erhalten, daraus 10 kleine Bibliotheken gemacht und diese an
10 Dorfschullehrer vertheilt. In etwa 2 Jahren werden diese Schriften unter
der Dorfjugend circulirt haben und können dann durch andere ersetzt werden.
Diese beiden von Bremen aus (das stets in aller gemeinnützigen Thätigkeit
ein lobenswerthes Beispiel gegeben) nicht blos angeregten, sondern sogleich
practisch in Angriff genommenen Ideen verdienen höchste Beachtung und
werkthätige Nacheiferung.

Der Centralausschuß selbst hat bereits, in Verfolgung des gleichen Ge¬
dankens, mit einem Verleger einen Vertrag wegen Herausgabe von Volks¬
büchern geschlossen, denen man eine weite Verbreitung und einen besondern
Absatz zu verschaffen hofft, so daß man auch Schriftsteller ersten Ranges für
diese Sache der Volksbildung gewinnen könne. Die Versammlung konnte
den wahren Bestrebungen der Bremenser und ihrer Genossen nur vollen Bei¬
fall spenden.

Nicht so einmüthig war sie bei dem folgenden Thema, vielmehr gab
dieses zu lebhaften Diskussionen Anlaß. Herr E Weyl aus Frankfurt a. M.
beantragte eine Resolution des Inhalts, daß nach Ansicht der Gesellschaft das
ganze deutsche Schulwesen von den Universitäten herab bis mit den Volks¬
schulen durch ein Reichsgesetz geregelt werden solle, also im Wesentlichen der¬
selbe Gedanke nur in etwas andererForm, den Hirthin seinem Einleitungsvortrag
entwickelt hatte. Der Antrag wurde von einigen Rednern unterstützt, von
mehreren bekämpft. Unterstützt aus idealen Gründen von Seyffardt-Crefeld
und Kalter-Biberich, die nur auf diesem Wege die Volksschule zu ihrer ge¬
bührenden Stellung und Bedeutung gelangen zu sehen hoffen, und materiell
von Knaur-Gröbers, der davon eine gerechtere Vertheilung der Schullast
erwartet.

Dagegen ward derselbe bekämpft theils aus Zweckmäßigkeitsgründen als
muthmaßlich erfolglos (von Dr. Zehner-Frankfurt), theils principiell als be¬
denklich für die Volksschule selbst, als dem deutschen Geiste und seiner sehr
lobenswerthen Hinneigung zur communalen Selbstthätigkeit widersprechend.



*) So äußert sich das Flugblatt: „Nordwestdeutschcr VoMschriftcnverlag", auf welches der
Redner sich bezog.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/512>, abgerufen am 06.02.2025.