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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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was sonst zur Erreichung der Nereinszwecke wünschenswert!) ist; 3. Belebung des
Interesses für die Aufgabe der Volksschule und des Sinnes sür eine zeitgemäße
Reform derselben; 4. Anregung und Unterstützung der Vereinsbildung in solchen
Orten, wo es bis jetzt an Fortbildungsvereincn fehlt; 5. Hinwirkung auf eine
Verbindung solcher Vereine, welche sich die Hebung der Volksbildung zur Aufgabe
gestellt haben; 6. Gründung eines periodisch erscheinenden Vcreinsorgans ; 7. Abfassung
und Verbreitung von Flugschriften, welche geeignet sind, die geistige und sittliche
Entwicklung unseres Volkes zu fördern; 8. Aussendung von Wanderlehrern. --

Wir lassen auf diese zweite Generalversammlung sogleich die dritte dies¬
jährige folgen, welche durch ihre Verhandlungen und die dabei noch erstat¬
teten Berichte in erfreulichster Weise die Fortschritte bekundet, welche die
Gesellschaft schon in ihrem zweiten Gesellschaftsjahre gemacht hat. Diese
neueste Generalversammlung fand in Leipzig vom 5. -- 7. Juli dieses Jah¬
res statt. Daselbst hatte sich in der Zwischenzeit ebenfalls ein Zweigverein
gebildet, der für die Aufnahme der Gesellschaft alle nöthige Fürsorge traf.
Von Seiten der Stadt ward die Versammlung durch eine herzliche Ansprache
des Oberbürgermeisters Dr. Koch begrüßt. Dagegen --in auffallendem
Contrast zu dem was in Darmstadt geschehen war -- die Regierung weder
direct noch indirect von der Versammlung irgend welche Notiz. Einige Auf-
merksamkeit von dieser Seite hätte vielleicht doch die Gesellschaft verdient!
Sie hatte in ihrer vorjährigen Versammlung das neue sächsische Volksschul¬
gesetz trotz seines confessionalistischen Charakters, der gewiß nicht nach ihrem
Geschmacke war, dennoch wegen der darin angeordneten obligatorischen Fort¬
bildungsschule sehr ehrenvoll erwähnt. Ferner geht einer ihrer Hauptzwecke
dahin, den sozialistischen Verirrungen entgegenzuarbeiten, von denen ja gerade
Sachsen so viel zu leiden hat. Freilich stehen an der Spitze der Gesellschaft
bekannte Namen nicht blos der Fortschrittspartei sondern auch der National-
Liberalen, die in jenen Kreisen nun einmal einen üblen Klang haben!

Das diesjährige Programm war sehr reichhaltig, zu reichhaltig vielleicht,
um das Einzelne mit gehöriger Muße durchzusprechen. Trotz der tüchtigen
Leitung am ersten Tage durch Schulze-Delitzsch, am zweiten durch Franz
Duncker. und obschon die meisten Reden sich knapp an die Sache hielten,
mußte doch über manchen Punkt schneller hinweggegangen werden, als seine
Wichtigkeit verdiente. Mit einer zündenden Ansprache in seiner gewohnten
Weise eröffnete die eigentliche Verhandlung am 6. Juli Schulze-Delitzsch.
"Die Machtstellung des neuen deutschen Reiches selbst" sagte er, "erfordert
Bildung, ebenso die Feindseligkeit gewisser finstrer Mächte gegen das Reich.
Wir müssen die bedrohte geistige Kultur durchkämpfen und retten. Soldaten
allein thun's nicht, Licht allein, mehr Licht vertreibt die Finsterniß. Dem
Fanatismus blinder Menschen muß die Begeisterung freier Männer entge¬
gengesetzt werden. Aber Begeisterung erfordert Organisation, Begeisterung


was sonst zur Erreichung der Nereinszwecke wünschenswert!) ist; 3. Belebung des
Interesses für die Aufgabe der Volksschule und des Sinnes sür eine zeitgemäße
Reform derselben; 4. Anregung und Unterstützung der Vereinsbildung in solchen
Orten, wo es bis jetzt an Fortbildungsvereincn fehlt; 5. Hinwirkung auf eine
Verbindung solcher Vereine, welche sich die Hebung der Volksbildung zur Aufgabe
gestellt haben; 6. Gründung eines periodisch erscheinenden Vcreinsorgans ; 7. Abfassung
und Verbreitung von Flugschriften, welche geeignet sind, die geistige und sittliche
Entwicklung unseres Volkes zu fördern; 8. Aussendung von Wanderlehrern. —

Wir lassen auf diese zweite Generalversammlung sogleich die dritte dies¬
jährige folgen, welche durch ihre Verhandlungen und die dabei noch erstat¬
teten Berichte in erfreulichster Weise die Fortschritte bekundet, welche die
Gesellschaft schon in ihrem zweiten Gesellschaftsjahre gemacht hat. Diese
neueste Generalversammlung fand in Leipzig vom 5. — 7. Juli dieses Jah¬
res statt. Daselbst hatte sich in der Zwischenzeit ebenfalls ein Zweigverein
gebildet, der für die Aufnahme der Gesellschaft alle nöthige Fürsorge traf.
Von Seiten der Stadt ward die Versammlung durch eine herzliche Ansprache
des Oberbürgermeisters Dr. Koch begrüßt. Dagegen —in auffallendem
Contrast zu dem was in Darmstadt geschehen war — die Regierung weder
direct noch indirect von der Versammlung irgend welche Notiz. Einige Auf-
merksamkeit von dieser Seite hätte vielleicht doch die Gesellschaft verdient!
Sie hatte in ihrer vorjährigen Versammlung das neue sächsische Volksschul¬
gesetz trotz seines confessionalistischen Charakters, der gewiß nicht nach ihrem
Geschmacke war, dennoch wegen der darin angeordneten obligatorischen Fort¬
bildungsschule sehr ehrenvoll erwähnt. Ferner geht einer ihrer Hauptzwecke
dahin, den sozialistischen Verirrungen entgegenzuarbeiten, von denen ja gerade
Sachsen so viel zu leiden hat. Freilich stehen an der Spitze der Gesellschaft
bekannte Namen nicht blos der Fortschrittspartei sondern auch der National-
Liberalen, die in jenen Kreisen nun einmal einen üblen Klang haben!

Das diesjährige Programm war sehr reichhaltig, zu reichhaltig vielleicht,
um das Einzelne mit gehöriger Muße durchzusprechen. Trotz der tüchtigen
Leitung am ersten Tage durch Schulze-Delitzsch, am zweiten durch Franz
Duncker. und obschon die meisten Reden sich knapp an die Sache hielten,
mußte doch über manchen Punkt schneller hinweggegangen werden, als seine
Wichtigkeit verdiente. Mit einer zündenden Ansprache in seiner gewohnten
Weise eröffnete die eigentliche Verhandlung am 6. Juli Schulze-Delitzsch.
„Die Machtstellung des neuen deutschen Reiches selbst" sagte er, „erfordert
Bildung, ebenso die Feindseligkeit gewisser finstrer Mächte gegen das Reich.
Wir müssen die bedrohte geistige Kultur durchkämpfen und retten. Soldaten
allein thun's nicht, Licht allein, mehr Licht vertreibt die Finsterniß. Dem
Fanatismus blinder Menschen muß die Begeisterung freier Männer entge¬
gengesetzt werden. Aber Begeisterung erfordert Organisation, Begeisterung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/509>, abgerufen am 05.02.2025.