Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.wurde, welche für jeden desertirten Officier in engeren Gewahrsam gebracht werden Der von den Officieren als Entschuldigung gebrauchte Vorwand, daß sie Ueber den Bruch des Ehrenwortes der französischen Officiere erließ Fürst In Folge der vielen Desertionen fielen die bisher den Officieren gewährten wurde, welche für jeden desertirten Officier in engeren Gewahrsam gebracht werden Der von den Officieren als Entschuldigung gebrauchte Vorwand, daß sie Ueber den Bruch des Ehrenwortes der französischen Officiere erließ Fürst In Folge der vielen Desertionen fielen die bisher den Officieren gewährten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193290"/> <p xml:id="ID_1611" prev="#ID_1610"> wurde, welche für jeden desertirten Officier in engeren Gewahrsam gebracht werden<lb/> sollten, so daß für einen desertirten Lieutenant zehn aus der Klasse der Lieute¬<lb/> nants, für jeden Hauptmann zehn Hauptleute verantwortlich gemacht wurden.<lb/> Diese Maßregel des Loosens konnte vielfach gemildert werden, da sich viele,<lb/> besonders höhere Officiere, welche sich einander gesellschaftlich näher standen,<lb/> freiwillig zu Gruppen zusammenstellten und sich solidarisch für das Halten<lb/> des Ehrenworts verbindlich machten. Weiterhin verfügte das Kriegs-Mini¬<lb/> sterium, daß die mit Bruch des Ehrenwortes desertirten Officiere nicht mehr<lb/> als Officiere zu behandeln, sondern als Arrestanten einer Militär-Strafab¬<lb/> theilung zu überweisen und in diesem Verhältniß wie Militär-Sträflinge zu<lb/> verpflegen sein sollten, da es sich bei diesen Officieren um Zuwiderhandlung<lb/> gegen die militärische Standesehre handle, für welche die Militärgesetze keine<lb/> ausreichenden Strafbestimmungen enthalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1612"> Der von den Officieren als Entschuldigung gebrauchte Vorwand, daß sie<lb/> bei der geringen Gefangenengage — für den Lieutenant 12, für den Haupt¬<lb/> mann 23 Thlr. — nicht leben könnten, und daß der Hunger manchen zur<lb/> Desertion verleite, erwies sich als durchaus unbegründet. Von 30 Quartieren<lb/> für unbemittelte Offiziere, welche das Gouvernement in einer Kaserne einge¬<lb/> richtet hatte, wurden anfangs nur 3, späterhin 13 benutzt. Außerdem erhielt<lb/> das Gouvernement die Mittel, um einen Mittagstisch für 30 bis 40 kriegs-<lb/> gefangene Offiziere in einem Saale der Neumarktskaserne einzurichten, wo sie<lb/> drei Silbergroschen für ein anständiges Mittagessen zahlen sollten. Auch nicht<lb/> ein Einziger hat von diesem Anerbieten Gebrauch gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1613"> Ueber den Bruch des Ehrenwortes der französischen Officiere erließ Fürst<lb/> Bismarck am 14. December 1870 ein Circular an die auswärtigen Cabinete,<lb/> welches den Gefangenen in französischer Uebersetzung mitgetheilt wurde. Dieses<lb/> Circular darf als bekannt voraus gesetzt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614" next="#ID_1615"> In Folge der vielen Desertionen fielen die bisher den Officieren gewährten<lb/> Vergünstigungen weg. Niemand durfte mehr die Thore der Festung verlassen,<lb/> die Polizei überwachte die Privatquartiere, Urlaubsgesuche wurden nicht mehr<lb/> bewilligt, das Halten der Jndependance Belge, der Besuch der Theater und<lb/> Concerte nicht gestattet. Die vielen schriftlichen Gesuche um Wiedergewäh¬<lb/> rung der früheren Freiheiten waren ohne Erfolg. Am 15. December 1870<lb/> ging beim Gouvernement folgender Brief ein, dessen Echtheit ich übrigens be¬<lb/> zweifle: „Ich bitte Sie. zu nicht übel nemen das ich anonym« schreibe, denn<lb/> ich wage nicht zu übergeben meiner mehren Kameraden Petition für die Er-<lb/> lobnis zu gehn in das Theater. Wir sein sicherlich nur Ihr Gefangne, aber<lb/> ich globe nicht zu sein unbescheid wenn ich S. Excellenz um die Erlobnis in<lb/> das Theatre gehorsam bitte. Begönne S. Excellenz uns ein klein Unteraltung<lb/> für die lang Abender. ^gr6e2 ceo." — Etwas später lief eine anonyme</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
wurde, welche für jeden desertirten Officier in engeren Gewahrsam gebracht werden
sollten, so daß für einen desertirten Lieutenant zehn aus der Klasse der Lieute¬
nants, für jeden Hauptmann zehn Hauptleute verantwortlich gemacht wurden.
Diese Maßregel des Loosens konnte vielfach gemildert werden, da sich viele,
besonders höhere Officiere, welche sich einander gesellschaftlich näher standen,
freiwillig zu Gruppen zusammenstellten und sich solidarisch für das Halten
des Ehrenworts verbindlich machten. Weiterhin verfügte das Kriegs-Mini¬
sterium, daß die mit Bruch des Ehrenwortes desertirten Officiere nicht mehr
als Officiere zu behandeln, sondern als Arrestanten einer Militär-Strafab¬
theilung zu überweisen und in diesem Verhältniß wie Militär-Sträflinge zu
verpflegen sein sollten, da es sich bei diesen Officieren um Zuwiderhandlung
gegen die militärische Standesehre handle, für welche die Militärgesetze keine
ausreichenden Strafbestimmungen enthalten.
Der von den Officieren als Entschuldigung gebrauchte Vorwand, daß sie
bei der geringen Gefangenengage — für den Lieutenant 12, für den Haupt¬
mann 23 Thlr. — nicht leben könnten, und daß der Hunger manchen zur
Desertion verleite, erwies sich als durchaus unbegründet. Von 30 Quartieren
für unbemittelte Offiziere, welche das Gouvernement in einer Kaserne einge¬
richtet hatte, wurden anfangs nur 3, späterhin 13 benutzt. Außerdem erhielt
das Gouvernement die Mittel, um einen Mittagstisch für 30 bis 40 kriegs-
gefangene Offiziere in einem Saale der Neumarktskaserne einzurichten, wo sie
drei Silbergroschen für ein anständiges Mittagessen zahlen sollten. Auch nicht
ein Einziger hat von diesem Anerbieten Gebrauch gemacht.
Ueber den Bruch des Ehrenwortes der französischen Officiere erließ Fürst
Bismarck am 14. December 1870 ein Circular an die auswärtigen Cabinete,
welches den Gefangenen in französischer Uebersetzung mitgetheilt wurde. Dieses
Circular darf als bekannt voraus gesetzt werden.
In Folge der vielen Desertionen fielen die bisher den Officieren gewährten
Vergünstigungen weg. Niemand durfte mehr die Thore der Festung verlassen,
die Polizei überwachte die Privatquartiere, Urlaubsgesuche wurden nicht mehr
bewilligt, das Halten der Jndependance Belge, der Besuch der Theater und
Concerte nicht gestattet. Die vielen schriftlichen Gesuche um Wiedergewäh¬
rung der früheren Freiheiten waren ohne Erfolg. Am 15. December 1870
ging beim Gouvernement folgender Brief ein, dessen Echtheit ich übrigens be¬
zweifle: „Ich bitte Sie. zu nicht übel nemen das ich anonym« schreibe, denn
ich wage nicht zu übergeben meiner mehren Kameraden Petition für die Er-
lobnis zu gehn in das Theater. Wir sein sicherlich nur Ihr Gefangne, aber
ich globe nicht zu sein unbescheid wenn ich S. Excellenz um die Erlobnis in
das Theatre gehorsam bitte. Begönne S. Excellenz uns ein klein Unteraltung
für die lang Abender. ^gr6e2 ceo." — Etwas später lief eine anonyme
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