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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Schule durchgemacht. Wir wollen nächstens sehen, was sie bei uns wirklich
gelernt und behalten haben.

So leicht es wurde, die Disciplin bei den Mannschaften von Tag zu
Tag immer mehr geltend zu machen, so schwierig war es, die massenhaft
ankommenden französischen Officiere bei den nach Abgabe ihres Ehrenwortes
gegebenen Begünstigungen in Ordnung zu halten.

Gemäß dem Regulativ über die Behandlung und Verpflegung der Kriegs¬
gefangenen wurde den Officieren die freie Bewegung innerhalb der Festung
gestattet gegen ihr schriftlich abzugebendes Ehrenwort, keinen Mißbrauch mit
den eingeräumten Freiheiten zu treiben. Damit war auch die Verpflichtung
verbunden, Correspondenzen weder selbst, noch durch Andere zur Post zu ge-
ben, sondern dieselben ohne Ausnahme dem Gouvernement zur Weiterbeför¬
derung einzureichen. Ein großer Theil der Officiere war beim Eintreffen mit
Geldmitteln versehen, die aus einer Theilung der Kriegskasse nach der Capitu-
lation von Sedan herstammen sollten. Wenn die Mittel reichten, konnten
sie ihre Burschen halten aus der Zahl der kriegsgefangenen Gemeinen, sofern
sie deren wohnliche Unterbringung und gänzliche Verpflegung übernahmen,
wofür sie ein monatliches Pauschquantum im Atarimalbetrag von sechs Tha¬
lern erhielten. Diejenigen, welche auf eigene Kosten Privatquartiere bezogen,
durften sogar ihren Aufenthalt in einer offenen Garnisonstadt nehmen, wo
sie einem dort garnisonirenden Truppentheil attachirt wurden. Aus einer Zahl
von bestimmten Städten konnten sie sich eine auswählen, erhielten sogar die
Reisekosten vergütet und mußten sich nur verpflichten, sich ohne Aufenthalte
oder Abweichung von der Route nach ihrem Bestimmungsorte zu begeben.
Die Unbemittelten, welche ein Privatquartier nicht miethen konnten, erhielten
Kasernen-Quartiere -- womöglich in offenen Garnisonorten.

Uebel Mangel an Freiheit durften die Herren sich also wahrlich nicht
beklagen. Außerdem war ihnen das Tragen von Civilkleidern, in Köln spe¬
ciell der Besuch der Flora, des Zoologischen Gartens, der Theater und
Gürzenich-Concerte eingeräumt. Auf der andern Seite aber machten diese
humanen Rücksichten die Ueberwachung der Officiere, welche durchschnittlich in
einer Zahl von 450 hier wohnten, sehr schwierig. Dazu kam die Masse der,
wenn auch nur vorübergehend in Köln internirten Officiere, welche kaum eine
Uebersicht gestattete. Nach der Uebergabe von Metz war Köln als Durch¬
gangspunkt für kriegsgefangene Officiere bestimmt in der Art, daß dieselben,
soweit sie es verlangten, in den hiesigen Kasernen untergebracht und am an¬
dren Tage, wenn sie sich bereit erklärten, auf eigne Kosten Privatquartiere
zu nehmen, auf schriftliches Ehrenwort unter thunlichster Berücksichtigung
ihrer Wünsche auf die vorgeschriebenen offenen Garnisonorte vertheilt wurden.
Von der Metzer Armee langten über 2000 Officiere hier an mit einem uner-


Schule durchgemacht. Wir wollen nächstens sehen, was sie bei uns wirklich
gelernt und behalten haben.

So leicht es wurde, die Disciplin bei den Mannschaften von Tag zu
Tag immer mehr geltend zu machen, so schwierig war es, die massenhaft
ankommenden französischen Officiere bei den nach Abgabe ihres Ehrenwortes
gegebenen Begünstigungen in Ordnung zu halten.

Gemäß dem Regulativ über die Behandlung und Verpflegung der Kriegs¬
gefangenen wurde den Officieren die freie Bewegung innerhalb der Festung
gestattet gegen ihr schriftlich abzugebendes Ehrenwort, keinen Mißbrauch mit
den eingeräumten Freiheiten zu treiben. Damit war auch die Verpflichtung
verbunden, Correspondenzen weder selbst, noch durch Andere zur Post zu ge-
ben, sondern dieselben ohne Ausnahme dem Gouvernement zur Weiterbeför¬
derung einzureichen. Ein großer Theil der Officiere war beim Eintreffen mit
Geldmitteln versehen, die aus einer Theilung der Kriegskasse nach der Capitu-
lation von Sedan herstammen sollten. Wenn die Mittel reichten, konnten
sie ihre Burschen halten aus der Zahl der kriegsgefangenen Gemeinen, sofern
sie deren wohnliche Unterbringung und gänzliche Verpflegung übernahmen,
wofür sie ein monatliches Pauschquantum im Atarimalbetrag von sechs Tha¬
lern erhielten. Diejenigen, welche auf eigene Kosten Privatquartiere bezogen,
durften sogar ihren Aufenthalt in einer offenen Garnisonstadt nehmen, wo
sie einem dort garnisonirenden Truppentheil attachirt wurden. Aus einer Zahl
von bestimmten Städten konnten sie sich eine auswählen, erhielten sogar die
Reisekosten vergütet und mußten sich nur verpflichten, sich ohne Aufenthalte
oder Abweichung von der Route nach ihrem Bestimmungsorte zu begeben.
Die Unbemittelten, welche ein Privatquartier nicht miethen konnten, erhielten
Kasernen-Quartiere — womöglich in offenen Garnisonorten.

Uebel Mangel an Freiheit durften die Herren sich also wahrlich nicht
beklagen. Außerdem war ihnen das Tragen von Civilkleidern, in Köln spe¬
ciell der Besuch der Flora, des Zoologischen Gartens, der Theater und
Gürzenich-Concerte eingeräumt. Auf der andern Seite aber machten diese
humanen Rücksichten die Ueberwachung der Officiere, welche durchschnittlich in
einer Zahl von 450 hier wohnten, sehr schwierig. Dazu kam die Masse der,
wenn auch nur vorübergehend in Köln internirten Officiere, welche kaum eine
Uebersicht gestattete. Nach der Uebergabe von Metz war Köln als Durch¬
gangspunkt für kriegsgefangene Officiere bestimmt in der Art, daß dieselben,
soweit sie es verlangten, in den hiesigen Kasernen untergebracht und am an¬
dren Tage, wenn sie sich bereit erklärten, auf eigne Kosten Privatquartiere
zu nehmen, auf schriftliches Ehrenwort unter thunlichster Berücksichtigung
ihrer Wünsche auf die vorgeschriebenen offenen Garnisonorte vertheilt wurden.
Von der Metzer Armee langten über 2000 Officiere hier an mit einem uner-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/485>, abgerufen am 06.02.2025.