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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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eine Klage anhängig, um ihre Verwaltung oder wenigstens die eines ange¬
messenen Theiles zu ihren Zwecken in Besitz zu bekommen. Der oberste Ge¬
richtshof entschied zu Gunsten der exkludirenden alten Partei. Hier mußten
natürlich Artikel des Glaubens und der Kirchenzucht in Betracht gezogen wer¬
den, doch nur zum Zwecke der Entscheidung der Rechtsfrage." Aehnliche
Entscheidungen find im Staate New-Jersey ergangen, dahin zielend "daß
die Gerichtshöfe Glaubens- und Meinungssätze religiöser Gesellschaften zu
prüfen hätten, nicht ob sie richtig oder falsch seien, sondern nur, wenn Rechts¬
fragen von ihnen abhängen, und daß dies dann an der Hand so sicherer
Beweismittel, als die Natur des Falles nur zuläßt, zu geschehen habe."
Eine wichtige Entscheidung hat der Gerichtshof von Chicago gefällt: "Wenn
eine Localkirche und ihr Rector unter der Oberaufsicht und Controlle einer
höheren kirchlichen Organisation stehen, deren Mitglieder sie sind, und deren
Glauben und Disciplin sie sich freiwillig unterworfen haben, so sind dieje¬
nigen, welche fortfahren, dem Glauben und der Disciplin der allge¬
meinen Kirche anzuhängen, die Beneficiaten, zu deren Vortheil das Kirchen¬
vermögen verwaltet wird, und wenn sie auch die Minorität der localen
kirchlichen Organisation bilden. In Fällen, wo die eigenen kirchlichen Tri¬
bunale ihre Jurisdiktion auszuüben berechtigt sind") und von ihnen über
ein Vergehen verhandelt, und die Amtsentsetzung ausgesprochen worden ist,
haben die Civilgerichtshöfe nicht allein das Urtheil des kirchlichen Gerichtshofes
anzuerkennen, sondern ihm auch Geltung zu verschaffen. In allen Ange¬
legenheiten des Glaubens und religiöser Handlungen sind die kirchlichen Ge¬
richtshöfe, vorausgesetzt, daß ihre Junsdietion rechtskräftig^) erworben ist,
vollständig unabhängig von den Civiltribunalen, wie es diese von jenen in
Bermögensfragen sind. Auch können die Gerichtshöfe nicht zugeben, daß,
falls bei der Corporationsacte die allgemeinen Gesetze nicht verletzt sind, eine
Majorität der Mitglieder einer Kirche, die verknüpft ist mit der oberen Kir¬
chenbehörde, und ihrer Leitung und Jurisdiction unterworfen ist, aus der
Seele, der sie freiwillig beigetreten ist, ausscheiden und das Kirchenvermögen
mit hinüber nehmen könne. Ein solches Verfahren ist als Vertrauensmi߬
brauch anzusehen, und ein Gerichtshof, welcher Billigkeit übt, muß dies
verhindern. Die Verwalter eines solchen Vermögens haben es zu verwenden
im Sinne der Gründer der Organisation, zum Unterhalt des bestimmten
Glaubens und der besonderen Gottesverehrung, und die Verwendung für
eine andere Secte ist ein Vertrauensbruch, bei dem der Gerichtshof interve-




' ") Durch wen? durch den Staat? Dann gäbe es bevorzugte Religionsgesellschaften. Durch
die Kirche? Dann liegt eine Tautologie vor, ein Tribunal hat als solches die Competenz der
Jurisdiction.
") Dieselbe Unklarheit wie vorhin.

eine Klage anhängig, um ihre Verwaltung oder wenigstens die eines ange¬
messenen Theiles zu ihren Zwecken in Besitz zu bekommen. Der oberste Ge¬
richtshof entschied zu Gunsten der exkludirenden alten Partei. Hier mußten
natürlich Artikel des Glaubens und der Kirchenzucht in Betracht gezogen wer¬
den, doch nur zum Zwecke der Entscheidung der Rechtsfrage." Aehnliche
Entscheidungen find im Staate New-Jersey ergangen, dahin zielend „daß
die Gerichtshöfe Glaubens- und Meinungssätze religiöser Gesellschaften zu
prüfen hätten, nicht ob sie richtig oder falsch seien, sondern nur, wenn Rechts¬
fragen von ihnen abhängen, und daß dies dann an der Hand so sicherer
Beweismittel, als die Natur des Falles nur zuläßt, zu geschehen habe."
Eine wichtige Entscheidung hat der Gerichtshof von Chicago gefällt: „Wenn
eine Localkirche und ihr Rector unter der Oberaufsicht und Controlle einer
höheren kirchlichen Organisation stehen, deren Mitglieder sie sind, und deren
Glauben und Disciplin sie sich freiwillig unterworfen haben, so sind dieje¬
nigen, welche fortfahren, dem Glauben und der Disciplin der allge¬
meinen Kirche anzuhängen, die Beneficiaten, zu deren Vortheil das Kirchen¬
vermögen verwaltet wird, und wenn sie auch die Minorität der localen
kirchlichen Organisation bilden. In Fällen, wo die eigenen kirchlichen Tri¬
bunale ihre Jurisdiktion auszuüben berechtigt sind") und von ihnen über
ein Vergehen verhandelt, und die Amtsentsetzung ausgesprochen worden ist,
haben die Civilgerichtshöfe nicht allein das Urtheil des kirchlichen Gerichtshofes
anzuerkennen, sondern ihm auch Geltung zu verschaffen. In allen Ange¬
legenheiten des Glaubens und religiöser Handlungen sind die kirchlichen Ge¬
richtshöfe, vorausgesetzt, daß ihre Junsdietion rechtskräftig^) erworben ist,
vollständig unabhängig von den Civiltribunalen, wie es diese von jenen in
Bermögensfragen sind. Auch können die Gerichtshöfe nicht zugeben, daß,
falls bei der Corporationsacte die allgemeinen Gesetze nicht verletzt sind, eine
Majorität der Mitglieder einer Kirche, die verknüpft ist mit der oberen Kir¬
chenbehörde, und ihrer Leitung und Jurisdiction unterworfen ist, aus der
Seele, der sie freiwillig beigetreten ist, ausscheiden und das Kirchenvermögen
mit hinüber nehmen könne. Ein solches Verfahren ist als Vertrauensmi߬
brauch anzusehen, und ein Gerichtshof, welcher Billigkeit übt, muß dies
verhindern. Die Verwalter eines solchen Vermögens haben es zu verwenden
im Sinne der Gründer der Organisation, zum Unterhalt des bestimmten
Glaubens und der besonderen Gottesverehrung, und die Verwendung für
eine andere Secte ist ein Vertrauensbruch, bei dem der Gerichtshof interve-




' ") Durch wen? durch den Staat? Dann gäbe es bevorzugte Religionsgesellschaften. Durch
die Kirche? Dann liegt eine Tautologie vor, ein Tribunal hat als solches die Competenz der
Jurisdiction.
") Dieselbe Unklarheit wie vorhin.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/458>, abgerufen am 06.02.2025.