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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Hand, saßen Tag und Nacht mit den Aufsehern, den Angestellten der Bau¬
gesellschaft in den Kneipen und ließen draufgehen, was diese wollten, Herz
was begehrst Du? -- Dafür wurde ihnen jeder Arbeiter doppelt und dreifach
angeschrieben. Die elendesten, verkommensten Subjekte kamen als Bahnbau-
Aufseher aus Frankreich hierher, wie man sagt, als pi'0t6g'6s hoher und ein¬
flußreicher Herren und Actionäre der Gesellschaft. Wir wollen gerne zugeben,
daß unter den obersten Beamten auch verschiedene rechtschaffene, wackre, unbe¬
scholtene Leute waren, die ihre Pflichten kannten und nach besten Kräften
dem heillosen Diebeswesen zu steuern suchten. Doch diese Leute bildeten den
verschwindenden Theil dieser Angestellten-Clique, und ihre Bemühungen
blieben in den meisten Fällen ohne Erfolg. Die Archive der Gesellschaft
Wilhelm-Luxemburg sind da, um die Wahrheit unserer Angaben darzuthun.

Doch was lag den Leitern dieses Schwindels am Gelde, wenn nur Frank¬
reich seinen geheimen uneingestandenen Zweck erreichte, und uns für die An¬
nexion reif machte. Zuerst sollten wir durch das saubere Beispiel der Send-
linge der finsteren Gewalten durch und durch demoralisirt werden. Unsere
Arbeiter sollten von dem Gestndel, das uns von allen Seiten zuströmte, ver¬
führt, zum Trunk, zur Faulheit, zur Unsittlichkeit verleitet werden und Be¬
dürfnisse annehmen, die sie hernach zwingen sollten, sich dem Mammon mit
Haut und Haar zu verkaufen. Wenigstens schien Alles darauf auszugehen
und berechnet zu sein. Den einflußreicheren Persönlichkeiten im Lande wurden
goldene Brücken, alles Mögliche versprochen, wenn sie helfen wollten, das
Land an Frankreich zu bringen. Dazu kam, daß durch die verkehrte Er¬
ziehungsweise der höheren Klassen bei uns, die ganz und gar nur nach fran¬
zösischen Pfeifen tanzen wollten, diese schon ohnehin Frankreich gewonnen und
gegen Deutschland eingenommen waren.

So kam das Jahr 1867. Schon waren wir, wie es überall hieß, ver¬
kauft an Frankreich. Doch der Himmel wachte über uns. Das deutsche
Volk, unsere Brüder legten Einspruch wider den Verkauf eines deutschen
Bruderstammes an eine fremde deutschfeindliche Macht vor der Welt ein, und
-- wir waren gerettet.

Heute stehen wir Deutschland näher, als je. Wir gehören nach wie
vor zum deutschen Zollverbande. Unsere Eisenbahnen sind in deutschen Hän¬
den. Eine große Anzahl von unseren jungen Leuten sind Angestellte und
Beamte einer deutschen Gesellschaft, des deutschen Reiches selbst.

Die Jesuitensippe hat in letzter Zeit sehr viel an Boden bei uns ver¬
loren. Ihre verkappten Helfershelfer, die so manchen ehrlichen Spießbürger
unter liberaler Maske geprellt, stehen entlarvt, und ihre Kniffe ziehen nicht
mehr. Steht uns nur Deutschland fest zur Seite, finden wir bei seiner Presse
den kräftigen Schutz, den uns die Jesuitenpresse im eigenen Lande versagt,


Hand, saßen Tag und Nacht mit den Aufsehern, den Angestellten der Bau¬
gesellschaft in den Kneipen und ließen draufgehen, was diese wollten, Herz
was begehrst Du? — Dafür wurde ihnen jeder Arbeiter doppelt und dreifach
angeschrieben. Die elendesten, verkommensten Subjekte kamen als Bahnbau-
Aufseher aus Frankreich hierher, wie man sagt, als pi'0t6g'6s hoher und ein¬
flußreicher Herren und Actionäre der Gesellschaft. Wir wollen gerne zugeben,
daß unter den obersten Beamten auch verschiedene rechtschaffene, wackre, unbe¬
scholtene Leute waren, die ihre Pflichten kannten und nach besten Kräften
dem heillosen Diebeswesen zu steuern suchten. Doch diese Leute bildeten den
verschwindenden Theil dieser Angestellten-Clique, und ihre Bemühungen
blieben in den meisten Fällen ohne Erfolg. Die Archive der Gesellschaft
Wilhelm-Luxemburg sind da, um die Wahrheit unserer Angaben darzuthun.

Doch was lag den Leitern dieses Schwindels am Gelde, wenn nur Frank¬
reich seinen geheimen uneingestandenen Zweck erreichte, und uns für die An¬
nexion reif machte. Zuerst sollten wir durch das saubere Beispiel der Send-
linge der finsteren Gewalten durch und durch demoralisirt werden. Unsere
Arbeiter sollten von dem Gestndel, das uns von allen Seiten zuströmte, ver¬
führt, zum Trunk, zur Faulheit, zur Unsittlichkeit verleitet werden und Be¬
dürfnisse annehmen, die sie hernach zwingen sollten, sich dem Mammon mit
Haut und Haar zu verkaufen. Wenigstens schien Alles darauf auszugehen
und berechnet zu sein. Den einflußreicheren Persönlichkeiten im Lande wurden
goldene Brücken, alles Mögliche versprochen, wenn sie helfen wollten, das
Land an Frankreich zu bringen. Dazu kam, daß durch die verkehrte Er¬
ziehungsweise der höheren Klassen bei uns, die ganz und gar nur nach fran¬
zösischen Pfeifen tanzen wollten, diese schon ohnehin Frankreich gewonnen und
gegen Deutschland eingenommen waren.

So kam das Jahr 1867. Schon waren wir, wie es überall hieß, ver¬
kauft an Frankreich. Doch der Himmel wachte über uns. Das deutsche
Volk, unsere Brüder legten Einspruch wider den Verkauf eines deutschen
Bruderstammes an eine fremde deutschfeindliche Macht vor der Welt ein, und
— wir waren gerettet.

Heute stehen wir Deutschland näher, als je. Wir gehören nach wie
vor zum deutschen Zollverbande. Unsere Eisenbahnen sind in deutschen Hän¬
den. Eine große Anzahl von unseren jungen Leuten sind Angestellte und
Beamte einer deutschen Gesellschaft, des deutschen Reiches selbst.

Die Jesuitensippe hat in letzter Zeit sehr viel an Boden bei uns ver¬
loren. Ihre verkappten Helfershelfer, die so manchen ehrlichen Spießbürger
unter liberaler Maske geprellt, stehen entlarvt, und ihre Kniffe ziehen nicht
mehr. Steht uns nur Deutschland fest zur Seite, finden wir bei seiner Presse
den kräftigen Schutz, den uns die Jesuitenpresse im eigenen Lande versagt,


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[0434] Hand, saßen Tag und Nacht mit den Aufsehern, den Angestellten der Bau¬ gesellschaft in den Kneipen und ließen draufgehen, was diese wollten, Herz was begehrst Du? — Dafür wurde ihnen jeder Arbeiter doppelt und dreifach angeschrieben. Die elendesten, verkommensten Subjekte kamen als Bahnbau- Aufseher aus Frankreich hierher, wie man sagt, als pi'0t6g'6s hoher und ein¬ flußreicher Herren und Actionäre der Gesellschaft. Wir wollen gerne zugeben, daß unter den obersten Beamten auch verschiedene rechtschaffene, wackre, unbe¬ scholtene Leute waren, die ihre Pflichten kannten und nach besten Kräften dem heillosen Diebeswesen zu steuern suchten. Doch diese Leute bildeten den verschwindenden Theil dieser Angestellten-Clique, und ihre Bemühungen blieben in den meisten Fällen ohne Erfolg. Die Archive der Gesellschaft Wilhelm-Luxemburg sind da, um die Wahrheit unserer Angaben darzuthun. Doch was lag den Leitern dieses Schwindels am Gelde, wenn nur Frank¬ reich seinen geheimen uneingestandenen Zweck erreichte, und uns für die An¬ nexion reif machte. Zuerst sollten wir durch das saubere Beispiel der Send- linge der finsteren Gewalten durch und durch demoralisirt werden. Unsere Arbeiter sollten von dem Gestndel, das uns von allen Seiten zuströmte, ver¬ führt, zum Trunk, zur Faulheit, zur Unsittlichkeit verleitet werden und Be¬ dürfnisse annehmen, die sie hernach zwingen sollten, sich dem Mammon mit Haut und Haar zu verkaufen. Wenigstens schien Alles darauf auszugehen und berechnet zu sein. Den einflußreicheren Persönlichkeiten im Lande wurden goldene Brücken, alles Mögliche versprochen, wenn sie helfen wollten, das Land an Frankreich zu bringen. Dazu kam, daß durch die verkehrte Er¬ ziehungsweise der höheren Klassen bei uns, die ganz und gar nur nach fran¬ zösischen Pfeifen tanzen wollten, diese schon ohnehin Frankreich gewonnen und gegen Deutschland eingenommen waren. So kam das Jahr 1867. Schon waren wir, wie es überall hieß, ver¬ kauft an Frankreich. Doch der Himmel wachte über uns. Das deutsche Volk, unsere Brüder legten Einspruch wider den Verkauf eines deutschen Bruderstammes an eine fremde deutschfeindliche Macht vor der Welt ein, und — wir waren gerettet. Heute stehen wir Deutschland näher, als je. Wir gehören nach wie vor zum deutschen Zollverbande. Unsere Eisenbahnen sind in deutschen Hän¬ den. Eine große Anzahl von unseren jungen Leuten sind Angestellte und Beamte einer deutschen Gesellschaft, des deutschen Reiches selbst. Die Jesuitensippe hat in letzter Zeit sehr viel an Boden bei uns ver¬ loren. Ihre verkappten Helfershelfer, die so manchen ehrlichen Spießbürger unter liberaler Maske geprellt, stehen entlarvt, und ihre Kniffe ziehen nicht mehr. Steht uns nur Deutschland fest zur Seite, finden wir bei seiner Presse den kräftigen Schutz, den uns die Jesuitenpresse im eigenen Lande versagt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/434>, abgerufen am 06.02.2025.