Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.inmitten europäischer Völker sitzt und sich stark aufgebläht hat, dereinst im Blickt diese ungarische Russenfurcht, wenn auch noch so gut bemäntelt, Wir wissen wohl, daß die strenge Kritik eines tüchtigen deutschen Orien¬ Das Werk betitelt sich Geschichte Bocharas, allein da Bochara Jahr¬ inmitten europäischer Völker sitzt und sich stark aufgebläht hat, dereinst im Blickt diese ungarische Russenfurcht, wenn auch noch so gut bemäntelt, Wir wissen wohl, daß die strenge Kritik eines tüchtigen deutschen Orien¬ Das Werk betitelt sich Geschichte Bocharas, allein da Bochara Jahr¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193213"/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> inmitten europäischer Völker sitzt und sich stark aufgebläht hat, dereinst im<lb/> Verlaufe der Geschichte von den Slaven mit Rußlands Hilfe unterdrückt und<lb/> weggespült werde, denselben Slaven, die er heute selbst unbillig behandelt<lb/> und an ihrer Nationalität zu schädigen sucht. Uwe laorMms!</p><lb/> <p xml:id="ID_1396"> Blickt diese ungarische Russenfurcht, wenn auch noch so gut bemäntelt,<lb/> überall bei Vambery durch, fo ist doch keineswegs zu verkennen, daß seine<lb/> Schriften einen gewaltigen und sehr wohlthätigen Sauerteig abgegeben haben,<lb/> der bei uns, dem Schauplatz der innerasiatischen Geschichte fern wohnenden<lb/> Völkern eine heilsame Gährung unterhält und unser Interesse an jenen Län¬<lb/> dern nicht erkalten läßt. Er hat alle Beziehungen derselben in das Bereich<lb/> seiner Studien gezogen und entwickelt sie uns geographisch, ethnographisch,<lb/> politisch, historisch. Bis auf jene Zeit, in der die Geschichte das erste dämmrige<lb/> Licht auf Transoxanien zu werfen beginnt, führt uns Vambery in seinem hier<lb/> zuerst genannten Werke zurück und er entwickelt die in vieler Beziehung<lb/> merkwürdige Historie dieser Landschaften bis auf die letzte Zeit herab,<lb/> wo General von Kaufmann mit seinen Russen 1868 Samarkand erobert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1397"> Wir wissen wohl, daß die strenge Kritik eines tüchtigen deutschen Orien¬<lb/> talisten in dieser Geschichte Bocharas sehr viel auszusetzen fand und Vam¬<lb/> bery mit unerbittlicher Strenge arge Fehler und Verstöße nachgewiesen hat.<lb/> Allein dies zugehend, müssen wir Vambery dennoch zu Danke verpflichtet<lb/> bleiben, weil er uns zum ersten Mal Gelegenheit giebt, überhaupt die Ge¬<lb/> schichte Bocharas studiren zu können, die uns durch die neuen politischen<lb/> Vorgänge so nahe gerückt ist, „Ich habe es gewagt", schreibt er bescheiden<lb/> in der Vorrede, „mit den mir zu Gebote stehenden dürftigen Hilfsquellen und<lb/> noch dürftigeren Befähigung die so ziemlich schwere Arbeit zu unternehmen<lb/> und die erste Geschichte Bocharas zu schreiben." Das wollen wir nicht ver¬<lb/> gessen und dafür auch dankbar sein. Es ist freilich keine ganz leichte Auf¬<lb/> gabe sich durch das Werk hindurchzuarbeiten, namentlich in jenen Partien,<lb/> die, uns völlig entrückt, nur auf dem Gebiete innerasiatischer Geschichte<lb/> spielen, während dort, wo ein Contact zwischen Innerasien und Europa<lb/> stattfindet, oder große Völkerannäherungenn aus ethnographischer Grund¬<lb/> lage besprochen werden, das Interesse selbstverständlich ein gesteigertes wer¬<lb/> den muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1398" next="#ID_1399"> Das Werk betitelt sich Geschichte Bocharas, allein da Bochara Jahr¬<lb/> hunderte lang auf die Nachbarländer einen entscheidenden Einfluß ausübte,<lb/> so beschäftigt es sich nothwendigerweise mit einem größeren Theile Jnner-<lb/> asiens. In den Zeiten als durch die Griechen ein Schein auf die barbarische<lb/> Welt zwischen dem Hindukusch und dem Oxus und Jaxartes fiel, mö¬<lb/> gen dort blühende Staaten bestanden haben, die mit China in Beziehungen<lb/> standen. Die Tradition berichtet, daß Maracanda — worunter wir das mo-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
inmitten europäischer Völker sitzt und sich stark aufgebläht hat, dereinst im
Verlaufe der Geschichte von den Slaven mit Rußlands Hilfe unterdrückt und
weggespült werde, denselben Slaven, die er heute selbst unbillig behandelt
und an ihrer Nationalität zu schädigen sucht. Uwe laorMms!
Blickt diese ungarische Russenfurcht, wenn auch noch so gut bemäntelt,
überall bei Vambery durch, fo ist doch keineswegs zu verkennen, daß seine
Schriften einen gewaltigen und sehr wohlthätigen Sauerteig abgegeben haben,
der bei uns, dem Schauplatz der innerasiatischen Geschichte fern wohnenden
Völkern eine heilsame Gährung unterhält und unser Interesse an jenen Län¬
dern nicht erkalten läßt. Er hat alle Beziehungen derselben in das Bereich
seiner Studien gezogen und entwickelt sie uns geographisch, ethnographisch,
politisch, historisch. Bis auf jene Zeit, in der die Geschichte das erste dämmrige
Licht auf Transoxanien zu werfen beginnt, führt uns Vambery in seinem hier
zuerst genannten Werke zurück und er entwickelt die in vieler Beziehung
merkwürdige Historie dieser Landschaften bis auf die letzte Zeit herab,
wo General von Kaufmann mit seinen Russen 1868 Samarkand erobert.
Wir wissen wohl, daß die strenge Kritik eines tüchtigen deutschen Orien¬
talisten in dieser Geschichte Bocharas sehr viel auszusetzen fand und Vam¬
bery mit unerbittlicher Strenge arge Fehler und Verstöße nachgewiesen hat.
Allein dies zugehend, müssen wir Vambery dennoch zu Danke verpflichtet
bleiben, weil er uns zum ersten Mal Gelegenheit giebt, überhaupt die Ge¬
schichte Bocharas studiren zu können, die uns durch die neuen politischen
Vorgänge so nahe gerückt ist, „Ich habe es gewagt", schreibt er bescheiden
in der Vorrede, „mit den mir zu Gebote stehenden dürftigen Hilfsquellen und
noch dürftigeren Befähigung die so ziemlich schwere Arbeit zu unternehmen
und die erste Geschichte Bocharas zu schreiben." Das wollen wir nicht ver¬
gessen und dafür auch dankbar sein. Es ist freilich keine ganz leichte Auf¬
gabe sich durch das Werk hindurchzuarbeiten, namentlich in jenen Partien,
die, uns völlig entrückt, nur auf dem Gebiete innerasiatischer Geschichte
spielen, während dort, wo ein Contact zwischen Innerasien und Europa
stattfindet, oder große Völkerannäherungenn aus ethnographischer Grund¬
lage besprochen werden, das Interesse selbstverständlich ein gesteigertes wer¬
den muß.
Das Werk betitelt sich Geschichte Bocharas, allein da Bochara Jahr¬
hunderte lang auf die Nachbarländer einen entscheidenden Einfluß ausübte,
so beschäftigt es sich nothwendigerweise mit einem größeren Theile Jnner-
asiens. In den Zeiten als durch die Griechen ein Schein auf die barbarische
Welt zwischen dem Hindukusch und dem Oxus und Jaxartes fiel, mö¬
gen dort blühende Staaten bestanden haben, die mit China in Beziehungen
standen. Die Tradition berichtet, daß Maracanda — worunter wir das mo-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |