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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Großherzogthum Baden hat seine früher regelmäßig gezählten Beiträge ohne
jede äußere Veranlassung seit Oktober 1872 gänzlich eingestellt, obwohl von
den im Jahr 1872/73 Unterstützten die zweitstärkste Ziffer (nämlich 455
Köpfe) dem badischen Lande angehörte.*) Daß beide Mecklenburg, Schwarz¬
burg u. a. deutsche Domanialterritorien unter den Gebern nicht figuriren,
ist bei der patriarchalischen Finanzverfassung dieser Länder nicht zu ver¬
wundern.

Eine sehr wichtige Unterstützung wurde den deutschen Hilfsvereinen der
Schweiz durch freie, bezw. halb freie Eisenbahnfahrt an die von
ihnen Empfohlenen gewährt. In dieser Hinsicht zeichneten sich die Badischen
und Würrtembergischen Staatsbahnen, und von Privatbahnen die Main-
Neckarbahn, die Schweizerische Centralbahn und Nordostbahn rühmlich aus.
Während des letzten Vereinsjahres sind die Bahnen der Reichslande Elsaß-
Lothringen diesem rühmlichen Beispiel gefolgt, während die Hessische Ludwigs¬
bahn freie Fahrt und selbst eine Preisermäßigung für die von den deutschen
Hilfsvereinen der Schweiz abgegebenen Eisenbahnbillets ablehnte, "da die
Principien der Gesellschaft dies absolut unmöglich machten". Welche Prin¬
cipien der Humanität wären auch nicht unvereinbar mit den "Grundsätzen"
gewisser deutscher Eisenbahn-Verwaltungsräthe?

Die Verwendung der Einnahmen durch die Localvereine und den
Centralverein bietet in mannigfacher Hinsicht Gelegenheit zu interessanten Be¬
trachtungen. Wir beschränken uns auf wenige Bemerkungen. Wir sahen
bereits oben, daß die Localvereine im wesentlichen durch regelmäßige Steuern
ihrer Mitglieder ihrem Vereinszwecke genügen, während der Centcalcasse S"/g
dieser Loealsteuern und die Beiträge der Regierungen zufließen. Bis vor
wenigen Jahren ist die bei weitem größere Hälfte aller dieser Summen jener
Art von Hilfsbedürftigen zu Gute gekommen, die unter der Firma des rei¬
senden Handwerksburschen arbeitet. Nicht den kleinsten Bestand dieser fah¬
renden Fechter bilden die Helden der Internationale, welche ihr tödtlicher
Haß gegen Kapital und Bourgeofie nicht hindert, außer den Schweißgroschen
ihrer Glaubensgenossen, auch die milden Gaben der deutschen Hilfsvereine zu



*) Der Heimaths- und Staatsangehörigkeit nach vertheilen sich die Unterstützungen näm¬
lich 1872--73 in folgender Weise:
Im Ganzen sind also 2462 Personen unterstützt worden. Charakteristisch ist die gegen die
Vorjahre sehr viel stärkere Ziffer der neuen Reichsbrüder aus Elsaß-Lothringen. Ihre stärkere
Hilfsbedürftigkeit ist fast ausschließlich auf Rechnung der Unglücklichen zu schreiben, die durch
die Lockungen französischer Schwindler von Rang aus der Heimath in die Fremde gezogen
wurden und dann, nach den bittersten Enttäuschungen und von Allem entblößt, ins Reich zu¬
rückkehrten.

Großherzogthum Baden hat seine früher regelmäßig gezählten Beiträge ohne
jede äußere Veranlassung seit Oktober 1872 gänzlich eingestellt, obwohl von
den im Jahr 1872/73 Unterstützten die zweitstärkste Ziffer (nämlich 455
Köpfe) dem badischen Lande angehörte.*) Daß beide Mecklenburg, Schwarz¬
burg u. a. deutsche Domanialterritorien unter den Gebern nicht figuriren,
ist bei der patriarchalischen Finanzverfassung dieser Länder nicht zu ver¬
wundern.

Eine sehr wichtige Unterstützung wurde den deutschen Hilfsvereinen der
Schweiz durch freie, bezw. halb freie Eisenbahnfahrt an die von
ihnen Empfohlenen gewährt. In dieser Hinsicht zeichneten sich die Badischen
und Würrtembergischen Staatsbahnen, und von Privatbahnen die Main-
Neckarbahn, die Schweizerische Centralbahn und Nordostbahn rühmlich aus.
Während des letzten Vereinsjahres sind die Bahnen der Reichslande Elsaß-
Lothringen diesem rühmlichen Beispiel gefolgt, während die Hessische Ludwigs¬
bahn freie Fahrt und selbst eine Preisermäßigung für die von den deutschen
Hilfsvereinen der Schweiz abgegebenen Eisenbahnbillets ablehnte, „da die
Principien der Gesellschaft dies absolut unmöglich machten". Welche Prin¬
cipien der Humanität wären auch nicht unvereinbar mit den „Grundsätzen"
gewisser deutscher Eisenbahn-Verwaltungsräthe?

Die Verwendung der Einnahmen durch die Localvereine und den
Centralverein bietet in mannigfacher Hinsicht Gelegenheit zu interessanten Be¬
trachtungen. Wir beschränken uns auf wenige Bemerkungen. Wir sahen
bereits oben, daß die Localvereine im wesentlichen durch regelmäßige Steuern
ihrer Mitglieder ihrem Vereinszwecke genügen, während der Centcalcasse S"/g
dieser Loealsteuern und die Beiträge der Regierungen zufließen. Bis vor
wenigen Jahren ist die bei weitem größere Hälfte aller dieser Summen jener
Art von Hilfsbedürftigen zu Gute gekommen, die unter der Firma des rei¬
senden Handwerksburschen arbeitet. Nicht den kleinsten Bestand dieser fah¬
renden Fechter bilden die Helden der Internationale, welche ihr tödtlicher
Haß gegen Kapital und Bourgeofie nicht hindert, außer den Schweißgroschen
ihrer Glaubensgenossen, auch die milden Gaben der deutschen Hilfsvereine zu



*) Der Heimaths- und Staatsangehörigkeit nach vertheilen sich die Unterstützungen näm¬
lich 1872—73 in folgender Weise:
Im Ganzen sind also 2462 Personen unterstützt worden. Charakteristisch ist die gegen die
Vorjahre sehr viel stärkere Ziffer der neuen Reichsbrüder aus Elsaß-Lothringen. Ihre stärkere
Hilfsbedürftigkeit ist fast ausschließlich auf Rechnung der Unglücklichen zu schreiben, die durch
die Lockungen französischer Schwindler von Rang aus der Heimath in die Fremde gezogen
wurden und dann, nach den bittersten Enttäuschungen und von Allem entblößt, ins Reich zu¬
rückkehrten.
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[0392] Großherzogthum Baden hat seine früher regelmäßig gezählten Beiträge ohne jede äußere Veranlassung seit Oktober 1872 gänzlich eingestellt, obwohl von den im Jahr 1872/73 Unterstützten die zweitstärkste Ziffer (nämlich 455 Köpfe) dem badischen Lande angehörte.*) Daß beide Mecklenburg, Schwarz¬ burg u. a. deutsche Domanialterritorien unter den Gebern nicht figuriren, ist bei der patriarchalischen Finanzverfassung dieser Länder nicht zu ver¬ wundern. Eine sehr wichtige Unterstützung wurde den deutschen Hilfsvereinen der Schweiz durch freie, bezw. halb freie Eisenbahnfahrt an die von ihnen Empfohlenen gewährt. In dieser Hinsicht zeichneten sich die Badischen und Würrtembergischen Staatsbahnen, und von Privatbahnen die Main- Neckarbahn, die Schweizerische Centralbahn und Nordostbahn rühmlich aus. Während des letzten Vereinsjahres sind die Bahnen der Reichslande Elsaß- Lothringen diesem rühmlichen Beispiel gefolgt, während die Hessische Ludwigs¬ bahn freie Fahrt und selbst eine Preisermäßigung für die von den deutschen Hilfsvereinen der Schweiz abgegebenen Eisenbahnbillets ablehnte, „da die Principien der Gesellschaft dies absolut unmöglich machten". Welche Prin¬ cipien der Humanität wären auch nicht unvereinbar mit den „Grundsätzen" gewisser deutscher Eisenbahn-Verwaltungsräthe? Die Verwendung der Einnahmen durch die Localvereine und den Centralverein bietet in mannigfacher Hinsicht Gelegenheit zu interessanten Be¬ trachtungen. Wir beschränken uns auf wenige Bemerkungen. Wir sahen bereits oben, daß die Localvereine im wesentlichen durch regelmäßige Steuern ihrer Mitglieder ihrem Vereinszwecke genügen, während der Centcalcasse S"/g dieser Loealsteuern und die Beiträge der Regierungen zufließen. Bis vor wenigen Jahren ist die bei weitem größere Hälfte aller dieser Summen jener Art von Hilfsbedürftigen zu Gute gekommen, die unter der Firma des rei¬ senden Handwerksburschen arbeitet. Nicht den kleinsten Bestand dieser fah¬ renden Fechter bilden die Helden der Internationale, welche ihr tödtlicher Haß gegen Kapital und Bourgeofie nicht hindert, außer den Schweißgroschen ihrer Glaubensgenossen, auch die milden Gaben der deutschen Hilfsvereine zu *) Der Heimaths- und Staatsangehörigkeit nach vertheilen sich die Unterstützungen näm¬ lich 1872—73 in folgender Weise: Preußen 566 Köpfe Baden 455 Württemberg 335Sachsen 93 Köpfe Hessen 59 „ Verses. Staaten 93Bayern 324 Köpfe Elsaß-Lothr. 276 .. Oesterreich 26l „ Im Ganzen sind also 2462 Personen unterstützt worden. Charakteristisch ist die gegen die Vorjahre sehr viel stärkere Ziffer der neuen Reichsbrüder aus Elsaß-Lothringen. Ihre stärkere Hilfsbedürftigkeit ist fast ausschließlich auf Rechnung der Unglücklichen zu schreiben, die durch die Lockungen französischer Schwindler von Rang aus der Heimath in die Fremde gezogen wurden und dann, nach den bittersten Enttäuschungen und von Allem entblößt, ins Reich zu¬ rückkehrten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/392>, abgerufen am 06.02.2025.