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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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auf den Gypsgrund gezeichnet; hierauf der Umriß mit einer Nadel einge¬
kratzt. Nehmen wir an, es sei eine Maria mit Krone, Heiligenschein und
Reichsapfel unter einem goldbrokatenen Baldachin darzustellen, so werden fer¬
ner Heiligenschein, Krone und Reichsapfel in leichtem Relief ausgearbeitet, end-
lich die Ornamente des Brokates vertieft eingegraben. Den Abschluß der
Vorarbeiten bildet ein mehrmaliger Anstrich mit einer fettigen Farbschicht,
Verdeterra. Bolus oder Mennige, letzteres mit Oel verrieben, aus
welche die Vergoldung gesetzt wird.

Es ist leicht nachzuweisen, daß diese Manier nicht nur in Italien, son¬
dern allgemein, vornehmlich auch in Deutschland üblich war. Schultz (Die
Maler Schlesiens. S. 100) macht mit Recht auf eine unvollendete Tafel aus
jener Kunstperiode zu Zindel, einem Dorfe bei Brieg aufmerksam, deren
Malerei eben bis zu dem Stadium gediehen ist, welches wir eben beschrieben.
Das Bild sollte ein Crucifirus mit Maria und Johannes werden. Das
Innere der Figuren ist noch weiß, der Untergrund des Goldes roth, das
Gold selbst zum großen Theile wieder abgekratzt. Uebrigens braucht man
nur eine alte Tafel, vorzüglich wenn sie sich in desolatem Zustande befindet,
näher anzusehen, um allenthalben dieselbe Methode befolgt zu finden. Ja,
auch wo es sich um Bemalung und Vergoldung von Holzschnitzwerken han¬
delt, wird häusig eine sorgfältige Unterlage von Leinwand und Gyps ange¬
bracht.

Selbstverständlich sind diese Untergrunde nicht geeignet, Nässe und Wetter
auszuhalten, wie sie dann auch meist zu Temperamalereien dienten. Man
kam daher auf den Gedanken, Firnisse direct aufs Holz aufzutragen. "Welcher
Maler -- so gibt eine Hamburger Malerordnung des fünfzehnten Jahrhun¬
derts an -- sneäene diläe malen nil eäcler brecle platnsrk das am
Negen und Wetter stehen soll, die Bilder oder Tafeln (breäe) Lelnrl man
ölige Mennigen clrenlcen up 6at regne Jott unäö Wicken (larup eus
srunt urnie ärenken ac grünt ölige verre anäernerue nunc guläen älrrup
uväs malen ...

Dieselbe Malerordnung sagt auch: "Item >ve!K maier sine" suwes
Kerrien nil . . der soll in seinen vorgeschriebenen Unter machen: gucke vasts
A'unäe. . ." ein Zeichen, welchen Werth man auf die Dauerhaftigkeit des
Untergrundes legte. Unsere Neueren denken manchmal nur bis zur nächsten
Ausstellung! Wie wird manches Meisterwerk unserer Coloristen in fünfzig
Jahren aussehen?

Zu Dürer's Zeit finden wir bereits eine Theilung der Arbeit, der Schreiner
liefert die Tafel und der Zubereiter macht sie zurecht.

Eine steilem Dürer's Briefen an Jacob Heller (28. Aug. 1307) lautet:
Und wiewohl ich sie (die Tafel) noch nicht angefangen habe, so habe ich sie


auf den Gypsgrund gezeichnet; hierauf der Umriß mit einer Nadel einge¬
kratzt. Nehmen wir an, es sei eine Maria mit Krone, Heiligenschein und
Reichsapfel unter einem goldbrokatenen Baldachin darzustellen, so werden fer¬
ner Heiligenschein, Krone und Reichsapfel in leichtem Relief ausgearbeitet, end-
lich die Ornamente des Brokates vertieft eingegraben. Den Abschluß der
Vorarbeiten bildet ein mehrmaliger Anstrich mit einer fettigen Farbschicht,
Verdeterra. Bolus oder Mennige, letzteres mit Oel verrieben, aus
welche die Vergoldung gesetzt wird.

Es ist leicht nachzuweisen, daß diese Manier nicht nur in Italien, son¬
dern allgemein, vornehmlich auch in Deutschland üblich war. Schultz (Die
Maler Schlesiens. S. 100) macht mit Recht auf eine unvollendete Tafel aus
jener Kunstperiode zu Zindel, einem Dorfe bei Brieg aufmerksam, deren
Malerei eben bis zu dem Stadium gediehen ist, welches wir eben beschrieben.
Das Bild sollte ein Crucifirus mit Maria und Johannes werden. Das
Innere der Figuren ist noch weiß, der Untergrund des Goldes roth, das
Gold selbst zum großen Theile wieder abgekratzt. Uebrigens braucht man
nur eine alte Tafel, vorzüglich wenn sie sich in desolatem Zustande befindet,
näher anzusehen, um allenthalben dieselbe Methode befolgt zu finden. Ja,
auch wo es sich um Bemalung und Vergoldung von Holzschnitzwerken han¬
delt, wird häusig eine sorgfältige Unterlage von Leinwand und Gyps ange¬
bracht.

Selbstverständlich sind diese Untergrunde nicht geeignet, Nässe und Wetter
auszuhalten, wie sie dann auch meist zu Temperamalereien dienten. Man
kam daher auf den Gedanken, Firnisse direct aufs Holz aufzutragen. „Welcher
Maler — so gibt eine Hamburger Malerordnung des fünfzehnten Jahrhun¬
derts an — sneäene diläe malen nil eäcler brecle platnsrk das am
Negen und Wetter stehen soll, die Bilder oder Tafeln (breäe) Lelnrl man
ölige Mennigen clrenlcen up 6at regne Jott unäö Wicken (larup eus
srunt urnie ärenken ac grünt ölige verre anäernerue nunc guläen älrrup
uväs malen ...

Dieselbe Malerordnung sagt auch: „Item >ve!K maier sine« suwes
Kerrien nil . . der soll in seinen vorgeschriebenen Unter machen: gucke vasts
A'unäe. . .« ein Zeichen, welchen Werth man auf die Dauerhaftigkeit des
Untergrundes legte. Unsere Neueren denken manchmal nur bis zur nächsten
Ausstellung! Wie wird manches Meisterwerk unserer Coloristen in fünfzig
Jahren aussehen?

Zu Dürer's Zeit finden wir bereits eine Theilung der Arbeit, der Schreiner
liefert die Tafel und der Zubereiter macht sie zurecht.

Eine steilem Dürer's Briefen an Jacob Heller (28. Aug. 1307) lautet:
Und wiewohl ich sie (die Tafel) noch nicht angefangen habe, so habe ich sie


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[0333] auf den Gypsgrund gezeichnet; hierauf der Umriß mit einer Nadel einge¬ kratzt. Nehmen wir an, es sei eine Maria mit Krone, Heiligenschein und Reichsapfel unter einem goldbrokatenen Baldachin darzustellen, so werden fer¬ ner Heiligenschein, Krone und Reichsapfel in leichtem Relief ausgearbeitet, end- lich die Ornamente des Brokates vertieft eingegraben. Den Abschluß der Vorarbeiten bildet ein mehrmaliger Anstrich mit einer fettigen Farbschicht, Verdeterra. Bolus oder Mennige, letzteres mit Oel verrieben, aus welche die Vergoldung gesetzt wird. Es ist leicht nachzuweisen, daß diese Manier nicht nur in Italien, son¬ dern allgemein, vornehmlich auch in Deutschland üblich war. Schultz (Die Maler Schlesiens. S. 100) macht mit Recht auf eine unvollendete Tafel aus jener Kunstperiode zu Zindel, einem Dorfe bei Brieg aufmerksam, deren Malerei eben bis zu dem Stadium gediehen ist, welches wir eben beschrieben. Das Bild sollte ein Crucifirus mit Maria und Johannes werden. Das Innere der Figuren ist noch weiß, der Untergrund des Goldes roth, das Gold selbst zum großen Theile wieder abgekratzt. Uebrigens braucht man nur eine alte Tafel, vorzüglich wenn sie sich in desolatem Zustande befindet, näher anzusehen, um allenthalben dieselbe Methode befolgt zu finden. Ja, auch wo es sich um Bemalung und Vergoldung von Holzschnitzwerken han¬ delt, wird häusig eine sorgfältige Unterlage von Leinwand und Gyps ange¬ bracht. Selbstverständlich sind diese Untergrunde nicht geeignet, Nässe und Wetter auszuhalten, wie sie dann auch meist zu Temperamalereien dienten. Man kam daher auf den Gedanken, Firnisse direct aufs Holz aufzutragen. „Welcher Maler — so gibt eine Hamburger Malerordnung des fünfzehnten Jahrhun¬ derts an — sneäene diläe malen nil eäcler brecle platnsrk das am Negen und Wetter stehen soll, die Bilder oder Tafeln (breäe) Lelnrl man ölige Mennigen clrenlcen up 6at regne Jott unäö Wicken (larup eus srunt urnie ärenken ac grünt ölige verre anäernerue nunc guläen älrrup uväs malen ... Dieselbe Malerordnung sagt auch: „Item >ve!K maier sine« suwes Kerrien nil . . der soll in seinen vorgeschriebenen Unter machen: gucke vasts A'unäe. . .« ein Zeichen, welchen Werth man auf die Dauerhaftigkeit des Untergrundes legte. Unsere Neueren denken manchmal nur bis zur nächsten Ausstellung! Wie wird manches Meisterwerk unserer Coloristen in fünfzig Jahren aussehen? Zu Dürer's Zeit finden wir bereits eine Theilung der Arbeit, der Schreiner liefert die Tafel und der Zubereiter macht sie zurecht. Eine steilem Dürer's Briefen an Jacob Heller (28. Aug. 1307) lautet: Und wiewohl ich sie (die Tafel) noch nicht angefangen habe, so habe ich sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/333>, abgerufen am 06.02.2025.