Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.mindestens siebzig bis achtzig Gästen aus aller Herren Ländern zu sorgen hat, Dieses anonyme Cur- und Verschönerungscomite, das von jedem hier Was Berneck fehlt, das sind vor Allem tüchtige wissenschaftliche Kräfte mindestens siebzig bis achtzig Gästen aus aller Herren Ländern zu sorgen hat, Dieses anonyme Cur- und Verschönerungscomite, das von jedem hier Was Berneck fehlt, das sind vor Allem tüchtige wissenschaftliche Kräfte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193130"/> <p xml:id="ID_1116" prev="#ID_1115"> mindestens siebzig bis achtzig Gästen aus aller Herren Ländern zu sorgen hat,<lb/> nicht dazu zu bewegen, die anderthalbstündige Tafel mit viertelstündigen Pausen<lb/> Mischen den einzelnen Gerichten etwas zu beschleunigen und von den unbe¬<lb/> rechtigten und zum Theil geradezu abscheulichen Eigenthümlichkeiten ihrer ein¬<lb/> heimischen Küche zu Gunsten einer etwas kosmopolitischeren Kost einiges fallen<lb/> zu lassen; noch immer hast du es als eine besondere Vergünstigung anzusehen,<lb/> Wenn dir ein Glas Milch oder ein paar Messerspitzen voll Butter verabreicht<lb/> Werden-, noch immer mußt du, wenn du als „Curgast" des Morgens unter<lb/> der „Colonnade" deine Molken und den Kräutersaft schlürfst, die Jahrmarkts-<lb/> Dudelei von sechs oder sieben Blasinstrumenten als unerwünschten Ohrenschmaus<lb/> w't in Kauf nehmen; noch immer wirst du, wenn du die Wohlthat eines<lb/> kühlen Bades genießen willst, nach langem Warten in einen schmalen halb¬<lb/> dunklen Holzkasten eingesperrt, in welchem du dich kaum drehen und wenden<lb/> kannst; noch immer -- ja, ich könnte noch lange, lange so fortfahren, denn<lb/> es ist eben, wie gesagt, alles beim Alten geblieben. Die einzigen Verände¬<lb/> rungen, die ich gespürt habe, sind die, daß eine gewisse Baulust hier erwacht<lb/> ist, daß alles das, was früher 36 Kreuzer kostete,' jetzt 48 Kreuzer kostet, daß<lb/> beim Mittagstisch das Compot von einem besondern Tellerchen gegessen wird<lb/> ^- für diese Errungenschaft mögen übrigens die Curgäste den alten, würdigen<lb/> Amsterdamer Handelsherrn segnen, der droben am sonnigen Kirchabhange seit<lb/> hörigen Sommer im Grabe ruht, und der manch liebes Jahr in Berneck die<lb/> Pflaumen aus der Bratenbrühe gefischt hat — daß das „Verschönerungs-<lb/> eomite'" sich das kindliche Vergnügen bereitet hat, zu der „Funksquelle", dem<lb/> ..Ludwigsfelsen", der „Heinrichsbuche", der „Blüchersruh" und dem „Philo-<lb/> WPhenweg" noch eine „Westphalskuppe" hinzuzufügen und die lehnenlosen<lb/> <?ante auf den Waldwegen um einige belehnte Exemplare vermehrt hat, bei<lb/> deren Construction entschieden kein normaler Mensch Probe gesessen hat.<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_1117"> Dieses anonyme Cur- und Verschönerungscomite, das von jedem hier<lb/> weilenden Curgäste einen ganz respectabeln Beitrag zu seiner Casse eintreibt,<lb/> hat es in fünfzehnjähriger Thätigkeit — so lange steht nun Berneck schon<lb/> w der Reihe der officiellen Sommerfrischen — nicht weiter gebracht, als da¬<lb/> hin, daß man glauben könnte, sich an einem erst seit 3 oder 4 Jahren ein¬<lb/> gerichteten Curorte zu befinden, wenn einem nicht die neuerdings hier üblich<lb/> gewordenen Preise eines Besseren belehrten. Das Geldeinstreichen haben die<lb/> ^-ente hier mit der Zeit ganz vortrefflich gelernt, und sie üben dies Ge¬<lb/> schäft ohne jede Blödigkeit; aber leisten wollen sie durchaus nichts dafür.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118" next="#ID_1119"> Was Berneck fehlt, das sind vor Allem tüchtige wissenschaftliche Kräfte<lb/> ^on Auswärts, die etwas Leben in die träge Bewegung der hiesigen Ver¬<lb/> hältnisse bringen. Ein einziger intelligenter, rühriger, unternehmender und<lb/> ehrlicher Mann, der hier in Berneck, vielleicht am Zusammenflusse der Oels-<lb/> "itz und des weißen Mains — an Areal, Baumaterial und Arbeitskräften<lb/> fehlt es nicht —ein anständiges Gasthaus mit hübschem Garten erbaute, ein<lb/> Dutzend Kühe und ein halb Dutzend Pferde im Stall und drei Wagen in der<lb/> Remise hätte — sie stünden kaum die Nacht darin — fünfzig bis sechzig gute<lb/> -Letten aufstellte, — in den Hundstagen Matrazen mit Decken, nicht berg¬<lb/> hohe Federkissen — im Bache drei, vier freundliche, geräumige Badezellen er¬<lb/> achtete, einen guten kräftigen Mittags- und Abendtisch einrichtete ohne<lb/> »enchelbrod und ohne die abscheulichen Zwiebel- und Schnittlauchsaucen —<lb/> "uf schnelle und saubere Bedienung hielt und nur einigermaßen die Ansprüche<lb/> an Ordnung. Reinlichkeit und Bequemlichkeit berücksichtigte, die gebildete Leute,<lb/> welche aus 'großen Städten kommen, zu machen gewöhnt sind, ein solcher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
mindestens siebzig bis achtzig Gästen aus aller Herren Ländern zu sorgen hat,
nicht dazu zu bewegen, die anderthalbstündige Tafel mit viertelstündigen Pausen
Mischen den einzelnen Gerichten etwas zu beschleunigen und von den unbe¬
rechtigten und zum Theil geradezu abscheulichen Eigenthümlichkeiten ihrer ein¬
heimischen Küche zu Gunsten einer etwas kosmopolitischeren Kost einiges fallen
zu lassen; noch immer hast du es als eine besondere Vergünstigung anzusehen,
Wenn dir ein Glas Milch oder ein paar Messerspitzen voll Butter verabreicht
Werden-, noch immer mußt du, wenn du als „Curgast" des Morgens unter
der „Colonnade" deine Molken und den Kräutersaft schlürfst, die Jahrmarkts-
Dudelei von sechs oder sieben Blasinstrumenten als unerwünschten Ohrenschmaus
w't in Kauf nehmen; noch immer wirst du, wenn du die Wohlthat eines
kühlen Bades genießen willst, nach langem Warten in einen schmalen halb¬
dunklen Holzkasten eingesperrt, in welchem du dich kaum drehen und wenden
kannst; noch immer -- ja, ich könnte noch lange, lange so fortfahren, denn
es ist eben, wie gesagt, alles beim Alten geblieben. Die einzigen Verände¬
rungen, die ich gespürt habe, sind die, daß eine gewisse Baulust hier erwacht
ist, daß alles das, was früher 36 Kreuzer kostete,' jetzt 48 Kreuzer kostet, daß
beim Mittagstisch das Compot von einem besondern Tellerchen gegessen wird
^- für diese Errungenschaft mögen übrigens die Curgäste den alten, würdigen
Amsterdamer Handelsherrn segnen, der droben am sonnigen Kirchabhange seit
hörigen Sommer im Grabe ruht, und der manch liebes Jahr in Berneck die
Pflaumen aus der Bratenbrühe gefischt hat — daß das „Verschönerungs-
eomite'" sich das kindliche Vergnügen bereitet hat, zu der „Funksquelle", dem
..Ludwigsfelsen", der „Heinrichsbuche", der „Blüchersruh" und dem „Philo-
WPhenweg" noch eine „Westphalskuppe" hinzuzufügen und die lehnenlosen
<?ante auf den Waldwegen um einige belehnte Exemplare vermehrt hat, bei
deren Construction entschieden kein normaler Mensch Probe gesessen hat.
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Dieses anonyme Cur- und Verschönerungscomite, das von jedem hier
weilenden Curgäste einen ganz respectabeln Beitrag zu seiner Casse eintreibt,
hat es in fünfzehnjähriger Thätigkeit — so lange steht nun Berneck schon
w der Reihe der officiellen Sommerfrischen — nicht weiter gebracht, als da¬
hin, daß man glauben könnte, sich an einem erst seit 3 oder 4 Jahren ein¬
gerichteten Curorte zu befinden, wenn einem nicht die neuerdings hier üblich
gewordenen Preise eines Besseren belehrten. Das Geldeinstreichen haben die
^-ente hier mit der Zeit ganz vortrefflich gelernt, und sie üben dies Ge¬
schäft ohne jede Blödigkeit; aber leisten wollen sie durchaus nichts dafür.
Was Berneck fehlt, das sind vor Allem tüchtige wissenschaftliche Kräfte
^on Auswärts, die etwas Leben in die träge Bewegung der hiesigen Ver¬
hältnisse bringen. Ein einziger intelligenter, rühriger, unternehmender und
ehrlicher Mann, der hier in Berneck, vielleicht am Zusammenflusse der Oels-
"itz und des weißen Mains — an Areal, Baumaterial und Arbeitskräften
fehlt es nicht —ein anständiges Gasthaus mit hübschem Garten erbaute, ein
Dutzend Kühe und ein halb Dutzend Pferde im Stall und drei Wagen in der
Remise hätte — sie stünden kaum die Nacht darin — fünfzig bis sechzig gute
-Letten aufstellte, — in den Hundstagen Matrazen mit Decken, nicht berg¬
hohe Federkissen — im Bache drei, vier freundliche, geräumige Badezellen er¬
achtete, einen guten kräftigen Mittags- und Abendtisch einrichtete ohne
»enchelbrod und ohne die abscheulichen Zwiebel- und Schnittlauchsaucen —
"uf schnelle und saubere Bedienung hielt und nur einigermaßen die Ansprüche
an Ordnung. Reinlichkeit und Bequemlichkeit berücksichtigte, die gebildete Leute,
welche aus 'großen Städten kommen, zu machen gewöhnt sind, ein solcher
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