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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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an einem Aufzuge, der diesmal nicht über das Theater, sondern durch die
Stadt ging und in der glänzendsten Weise sich entfaltete.

Wenn man schon aus "der Sammlung von Reden und Glückwunschge¬
dichten" die freudig erregte Stimmung des Landes und der Stadt Weimar
über die Geburt des Erbprinzen Carl Friedrich ermessen kann, so konnte am
wenigsten die Weimarische Redoute in ihren Leistungen zurückbleiben, um
auch ihre Freude zu erkennen zu geben, Wir wissen schon aus Dornberger's
Sammlung, daß auf einer Redoute, (es war am 14. Februar) "das Opfer
im Haym der Geister"**) gegeben wurde, dessen Abfassung wir am liebsten
dem Rath Bertuch zuschreiben möchten. Daß Goethe hierbei mitwirkte, unter¬
liegt nach unserer Ansicht keinem Zweifel, da jedenfalls das Horoscop
der Elementargeister von ihm herstammt; Form und Inhalt spre¬
chen wenigstens dafür, und auffällig bleibt, daß es ganz besonders gedruckt
wurde.

Einen ungleich größern Antheil scheint Goethe an der Organisation des
Carnevalszuges, welcher am 13. März 1783"^) durch die Stadt ging, gehabt
zu haben; dessen Beschreibung wegen seiner Originalität hier umsomehr eine
Stelle finden mag, als wir ihn unter die theatralischen Producte jener Zeit
rechnen müssen. Ein Vortrab Reiter in türkischer Tracht mit Rvßschweifen
und Fahnen eröffnete den Zug. indem zunächst der Herzog Carl August mit
seinem Hauptcorps sichtbar war. Seine glänzende Ausstattung fiel vor allem
auf, er rrug einen Dolman von 6ra,p Ä'or, der mit Hermelin aufgeschlagen
war und eine Weste von äisx ä'argMt. Reich garnirtes Pferdezeug im türki¬
schen Geschmack siel besonders auf, und die ihn umgebenden Fackelträger und
Janitscharen gaben diesem Theile des Auszugs, dem ein glänzend illuminirter
Wagen mit Trompetern und Paukern folgte, ein besonderes Relief.

Nach diesem erschien in mittelalterlicher Tracht der Carneval auf einem
Pferde, welcher durch Kammerjunker von Scharbe vertreten war, in dessen
Gefolge (Seapin, Pierrot und Polichinell) der Major v. Fritsch, v. Einsiedel
und Franz v. Seckendorf mit ihren roth und weiß gekleideten Polichinellen
theils zu Fuß, theils zu Pferd sich befanden. Diesem folgte in der von den
Redouten her bekannten Maske der Winter, welcher in einem mit Eis und
Reif verbrämten Kleide bestand. Der von dem Oberstallmeister v. Stein reprä-





") Weimar bei J> N. Dornberger 8" 200 Seiten.
") Der erste Druck auf Bogen bei Glüsing erschien in einer Auflage von 500 Exempl.,
wovon 25 Stück auf holländisch Schreibpapier gedruckt wurden. Das Band zu dem Eichen-
kinuz, auf welchem der Vels stand: Empfang aus treuer Geister Hand, ist nicht vervielfältigt
worden. Einen Scparntab druck besitzt das Weimnr'sche Geh. Se. Archiv unter den Festschriften
über die Geburt Carl Friedrich's.
Vgl. Dmcher, Grenzboten "die Maskencavalcade am 1,3. März 1703", die wir ausführ¬
licher geben.

an einem Aufzuge, der diesmal nicht über das Theater, sondern durch die
Stadt ging und in der glänzendsten Weise sich entfaltete.

Wenn man schon aus „der Sammlung von Reden und Glückwunschge¬
dichten" die freudig erregte Stimmung des Landes und der Stadt Weimar
über die Geburt des Erbprinzen Carl Friedrich ermessen kann, so konnte am
wenigsten die Weimarische Redoute in ihren Leistungen zurückbleiben, um
auch ihre Freude zu erkennen zu geben, Wir wissen schon aus Dornberger's
Sammlung, daß auf einer Redoute, (es war am 14. Februar) „das Opfer
im Haym der Geister"**) gegeben wurde, dessen Abfassung wir am liebsten
dem Rath Bertuch zuschreiben möchten. Daß Goethe hierbei mitwirkte, unter¬
liegt nach unserer Ansicht keinem Zweifel, da jedenfalls das Horoscop
der Elementargeister von ihm herstammt; Form und Inhalt spre¬
chen wenigstens dafür, und auffällig bleibt, daß es ganz besonders gedruckt
wurde.

Einen ungleich größern Antheil scheint Goethe an der Organisation des
Carnevalszuges, welcher am 13. März 1783"^) durch die Stadt ging, gehabt
zu haben; dessen Beschreibung wegen seiner Originalität hier umsomehr eine
Stelle finden mag, als wir ihn unter die theatralischen Producte jener Zeit
rechnen müssen. Ein Vortrab Reiter in türkischer Tracht mit Rvßschweifen
und Fahnen eröffnete den Zug. indem zunächst der Herzog Carl August mit
seinem Hauptcorps sichtbar war. Seine glänzende Ausstattung fiel vor allem
auf, er rrug einen Dolman von 6ra,p Ä'or, der mit Hermelin aufgeschlagen
war und eine Weste von äisx ä'argMt. Reich garnirtes Pferdezeug im türki¬
schen Geschmack siel besonders auf, und die ihn umgebenden Fackelträger und
Janitscharen gaben diesem Theile des Auszugs, dem ein glänzend illuminirter
Wagen mit Trompetern und Paukern folgte, ein besonderes Relief.

Nach diesem erschien in mittelalterlicher Tracht der Carneval auf einem
Pferde, welcher durch Kammerjunker von Scharbe vertreten war, in dessen
Gefolge (Seapin, Pierrot und Polichinell) der Major v. Fritsch, v. Einsiedel
und Franz v. Seckendorf mit ihren roth und weiß gekleideten Polichinellen
theils zu Fuß, theils zu Pferd sich befanden. Diesem folgte in der von den
Redouten her bekannten Maske der Winter, welcher in einem mit Eis und
Reif verbrämten Kleide bestand. Der von dem Oberstallmeister v. Stein reprä-





") Weimar bei J> N. Dornberger 8« 200 Seiten.
") Der erste Druck auf Bogen bei Glüsing erschien in einer Auflage von 500 Exempl.,
wovon 25 Stück auf holländisch Schreibpapier gedruckt wurden. Das Band zu dem Eichen-
kinuz, auf welchem der Vels stand: Empfang aus treuer Geister Hand, ist nicht vervielfältigt
worden. Einen Scparntab druck besitzt das Weimnr'sche Geh. Se. Archiv unter den Festschriften
über die Geburt Carl Friedrich's.
Vgl. Dmcher, Grenzboten „die Maskencavalcade am 1,3. März 1703", die wir ausführ¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/30>, abgerufen am 05.02.2025.