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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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daß es gegen diesen unglaublichen Unfug, sobald er zu seiner Kenntniß ge¬
kommen, energisch eingeschritten ist. Denn es kann unmöglich dulden, daß
den sächsischen Schulkindern durch die eingeführten Schulbücher solche falsche
Vorstellungen beigebracht werden.

Beiläufig wollen wir nur erwähnen, wie die specielle Tücke, welche diese
Edlen gegen Friedrich den Großen haben, auch in diesem Buch zum Durch¬
bruch kommt. Es heißt nämlich in der geschichtlichen Uebersicht über den
7jährigen Krieg: "Friedrich nahm 1756 bei Pirna 17,000 Sachsen gefangen,
siegte 1757 bei Prag, wurde von Daun bei Kollin geschlagen, siegte bei
Roßbach über die Franzosen, schlug 1758 bei Zorndorf die Nüssen, wurde
bei Hochkirch von Daun überfallen, 1759 bei Cunersdorf empfindlich geschla¬
gen, verlor bei Maxen unter Fink 11,000 Mann und bombardirte 1760
Dresden vergeblich. 1763 den 15. Februar Friedensschluß zu Hubertusburg."
-- Hiernach kommt es heraus, als ob Friedrich nicht mehr Siege-erfochten,
als Niederlagen erlitten und namentlich in den letzten Jahren immer geschla¬
gen worden sei. Seine Siege bei Leuthen (einer der ruhmvollsten), bei Lieg-
nitz. bei Torgau werden einfach verschwiegen.

Solche Schulbücher machen dem sächsischen Schulwesen, das sich in so
vielen Beziehungen eines wohlbegründeten Rufes erfreut, wahrlich keine Ehre.
Jeder, der es mit demselben gut meint, sollte also dahin wirken, daß diese
Bücher, und mit ihnen der schlechte Geist, der sie beseelt, aus den sächsischen
Schulen für immer verbannt werden. Es giebt ja jetzt der brauchbaren Schul¬
bücher so viele, und wenn es gälte, neue zu verfassen in ächt deutschem Geist,
der als solcher in wahrem Sinne auch ein gut sächsischer ist, so giebt es unter
den Schulmännern Sachsens so viele tüchtige Kräfte, die es wohl mit den
Dresdnern aufnehmen könnten. Leipzig und Chemnitz haben sich von jeher
dem Dresdner Einfluß widersetzt und sich auf eigene Füße gestellt. Aber auch
in dem ganzen übrigen Land muß sich eine geschlossene Opposition gegen die
Dresdner Schulbücher-Fabrik bilden und lauten Protest erheben gegen die
verwerfliche Gesinnung, *die dort gepflegt wird.

Was haben denn aber, könnten wir fragen, jene Ehrenmänner von ihrem
Treiben? Nun vielleicht tragen sie sich mit der thörichten Hoffnung, daß
solche hypersächsische und antipreußische Gesinnung noch immer wie zu den
Zeiten des großen Beust oben gern gesehen werde. Daß sie außerdem ganz
direkt um die Gunst des Cultusmiuisteriums sich eifrig bemühen, das haben
sie in der letzten Zeit durch offenkundige Thatsachen bewiesen.

Bekanntlich war über das dem letzten sächsischen Landtag vorgelegte neue
VoMschulgesetz ein heftiger Kampf entbrannt. Der Regierungsentwurf, der
von der I. Kammer angenommen wurde, hielt mit aller Schroffheit an dem
Princip der confessionellen Volksschule fest. Die liberale Partei der II. Kam-


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daß es gegen diesen unglaublichen Unfug, sobald er zu seiner Kenntniß ge¬
kommen, energisch eingeschritten ist. Denn es kann unmöglich dulden, daß
den sächsischen Schulkindern durch die eingeführten Schulbücher solche falsche
Vorstellungen beigebracht werden.

Beiläufig wollen wir nur erwähnen, wie die specielle Tücke, welche diese
Edlen gegen Friedrich den Großen haben, auch in diesem Buch zum Durch¬
bruch kommt. Es heißt nämlich in der geschichtlichen Uebersicht über den
7jährigen Krieg: „Friedrich nahm 1756 bei Pirna 17,000 Sachsen gefangen,
siegte 1757 bei Prag, wurde von Daun bei Kollin geschlagen, siegte bei
Roßbach über die Franzosen, schlug 1758 bei Zorndorf die Nüssen, wurde
bei Hochkirch von Daun überfallen, 1759 bei Cunersdorf empfindlich geschla¬
gen, verlor bei Maxen unter Fink 11,000 Mann und bombardirte 1760
Dresden vergeblich. 1763 den 15. Februar Friedensschluß zu Hubertusburg."
— Hiernach kommt es heraus, als ob Friedrich nicht mehr Siege-erfochten,
als Niederlagen erlitten und namentlich in den letzten Jahren immer geschla¬
gen worden sei. Seine Siege bei Leuthen (einer der ruhmvollsten), bei Lieg-
nitz. bei Torgau werden einfach verschwiegen.

Solche Schulbücher machen dem sächsischen Schulwesen, das sich in so
vielen Beziehungen eines wohlbegründeten Rufes erfreut, wahrlich keine Ehre.
Jeder, der es mit demselben gut meint, sollte also dahin wirken, daß diese
Bücher, und mit ihnen der schlechte Geist, der sie beseelt, aus den sächsischen
Schulen für immer verbannt werden. Es giebt ja jetzt der brauchbaren Schul¬
bücher so viele, und wenn es gälte, neue zu verfassen in ächt deutschem Geist,
der als solcher in wahrem Sinne auch ein gut sächsischer ist, so giebt es unter
den Schulmännern Sachsens so viele tüchtige Kräfte, die es wohl mit den
Dresdnern aufnehmen könnten. Leipzig und Chemnitz haben sich von jeher
dem Dresdner Einfluß widersetzt und sich auf eigene Füße gestellt. Aber auch
in dem ganzen übrigen Land muß sich eine geschlossene Opposition gegen die
Dresdner Schulbücher-Fabrik bilden und lauten Protest erheben gegen die
verwerfliche Gesinnung, *die dort gepflegt wird.

Was haben denn aber, könnten wir fragen, jene Ehrenmänner von ihrem
Treiben? Nun vielleicht tragen sie sich mit der thörichten Hoffnung, daß
solche hypersächsische und antipreußische Gesinnung noch immer wie zu den
Zeiten des großen Beust oben gern gesehen werde. Daß sie außerdem ganz
direkt um die Gunst des Cultusmiuisteriums sich eifrig bemühen, das haben
sie in der letzten Zeit durch offenkundige Thatsachen bewiesen.

Bekanntlich war über das dem letzten sächsischen Landtag vorgelegte neue
VoMschulgesetz ein heftiger Kampf entbrannt. Der Regierungsentwurf, der
von der I. Kammer angenommen wurde, hielt mit aller Schroffheit an dem
Princip der confessionellen Volksschule fest. Die liberale Partei der II. Kam-


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[0241] daß es gegen diesen unglaublichen Unfug, sobald er zu seiner Kenntniß ge¬ kommen, energisch eingeschritten ist. Denn es kann unmöglich dulden, daß den sächsischen Schulkindern durch die eingeführten Schulbücher solche falsche Vorstellungen beigebracht werden. Beiläufig wollen wir nur erwähnen, wie die specielle Tücke, welche diese Edlen gegen Friedrich den Großen haben, auch in diesem Buch zum Durch¬ bruch kommt. Es heißt nämlich in der geschichtlichen Uebersicht über den 7jährigen Krieg: „Friedrich nahm 1756 bei Pirna 17,000 Sachsen gefangen, siegte 1757 bei Prag, wurde von Daun bei Kollin geschlagen, siegte bei Roßbach über die Franzosen, schlug 1758 bei Zorndorf die Nüssen, wurde bei Hochkirch von Daun überfallen, 1759 bei Cunersdorf empfindlich geschla¬ gen, verlor bei Maxen unter Fink 11,000 Mann und bombardirte 1760 Dresden vergeblich. 1763 den 15. Februar Friedensschluß zu Hubertusburg." — Hiernach kommt es heraus, als ob Friedrich nicht mehr Siege-erfochten, als Niederlagen erlitten und namentlich in den letzten Jahren immer geschla¬ gen worden sei. Seine Siege bei Leuthen (einer der ruhmvollsten), bei Lieg- nitz. bei Torgau werden einfach verschwiegen. Solche Schulbücher machen dem sächsischen Schulwesen, das sich in so vielen Beziehungen eines wohlbegründeten Rufes erfreut, wahrlich keine Ehre. Jeder, der es mit demselben gut meint, sollte also dahin wirken, daß diese Bücher, und mit ihnen der schlechte Geist, der sie beseelt, aus den sächsischen Schulen für immer verbannt werden. Es giebt ja jetzt der brauchbaren Schul¬ bücher so viele, und wenn es gälte, neue zu verfassen in ächt deutschem Geist, der als solcher in wahrem Sinne auch ein gut sächsischer ist, so giebt es unter den Schulmännern Sachsens so viele tüchtige Kräfte, die es wohl mit den Dresdnern aufnehmen könnten. Leipzig und Chemnitz haben sich von jeher dem Dresdner Einfluß widersetzt und sich auf eigene Füße gestellt. Aber auch in dem ganzen übrigen Land muß sich eine geschlossene Opposition gegen die Dresdner Schulbücher-Fabrik bilden und lauten Protest erheben gegen die verwerfliche Gesinnung, *die dort gepflegt wird. Was haben denn aber, könnten wir fragen, jene Ehrenmänner von ihrem Treiben? Nun vielleicht tragen sie sich mit der thörichten Hoffnung, daß solche hypersächsische und antipreußische Gesinnung noch immer wie zu den Zeiten des großen Beust oben gern gesehen werde. Daß sie außerdem ganz direkt um die Gunst des Cultusmiuisteriums sich eifrig bemühen, das haben sie in der letzten Zeit durch offenkundige Thatsachen bewiesen. Bekanntlich war über das dem letzten sächsischen Landtag vorgelegte neue VoMschulgesetz ein heftiger Kampf entbrannt. Der Regierungsentwurf, der von der I. Kammer angenommen wurde, hielt mit aller Schroffheit an dem Princip der confessionellen Volksschule fest. Die liberale Partei der II. Kam- Gm'Ma >873. ni. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/241>, abgerufen am 06.02.2025.