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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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geht in dieselbe Schüssel zu Gaste, und gar mancher verschiedene Schmutz, gar
manche verschiedene Art und Sorte von Duft tritt zu den Tugenden ihres
Inhalts.

Um eine kleine Bude waren eine Menge von Eingebornen versammelt,
um die Awa-Wurzel zu kaufen. Es heißt, ohne den Gebrauch dieser Wurzel
würde die Abnahme des Volkes, die in früheren Zeiten infolge gewisser ein¬
geschleppter Krankheiten sich kundgab, viel größer gewesen sein, als sie war,
aber Andere behaupten, das sei lediglich eine Einbildung. Alle aber stimmen
darin überein, daß Poi jemand, der abgelebt und durch Trunksucht in seiner
Lebenskraft gebrochen ist, wieder jung macht, und daß es in manchen Krank¬
heiten zur Genesung führt, nachdem alle andern Arzneien sich nutzlos erwiesen
haben. Dagegen gestehen nicht Alle der Awa die heilsamen Eigenschaften zu,
die Einige ihr zuschreiben. Die Eingebornen bereiten aus ihr ein berauschen¬
des Getränk, welches bei denen, welche beharrlich darin schwelgen, fürchterliche
Wirkung hat. Es bedeckt den Körper mit trocknen, weißen Flechten, entzün¬
det die Augen und hat frühzeitige Gebrechlichkeit zur Folge. Obwohl der Mann,
vor dessen Etablissement wir stehen blieben, der Negierung jährlich für die Er¬
laubniß, Awa-Wurzeln zu verkaufen, achthundert Dollars zu entrichten hat,
soll er alle zwölf Monate ein kleines Vermögen zurücklegen, wogegen Salon¬
wirthe, die jährlich tausend Dollars für das Privilegium, Whisky im Einzel¬
nen verkaufen, zahlen, nur das knappe Leben dabei herausschlagen.

Wir fanden den Fischmarkt gedrängt voll Menschen; denn der Einge-
borne ist ein großer Liebhaber von Fischen. Er verspeist die Waare roh und
lebendig und -- aber sprechen wir lieber von was Anderem.

In alten Zeiten war der Sonnabend hier ein großer Galatag. Die
ganze eingeborne Bevölkerung der Stadt ließ dann ihre Arbeit liegen, und das
benachbarte Landvolk reiste nach der Kapitale. Dann mußten die weißen
Leute sich in ihren vier Pfählen halten; denn jede Straße war fo voll von
dahersprengendcn Reitern und Reiterinnen, daß es nahezu unmöglich war,
durch die Cavaleaden sich hindurch zu winden, ohne zum Krüppel getreten
zu werden.

Des Nachts schmaußen sie, und die Mädchen tanzen die laseive Hulahula
-- einen Tanz, der die wohlerzogne Bewegung von Bein und Arm, Hand,
Kopf und Körper in höchster Vollkommenheit, den genauesten Einklang aller
Wendungen und den besten Takt im Tritt zeigen soll. Derselbe wurde von
einem Kreise von Mädchen getanzt, die kein Kleidungsstück anhatten, das
der Rede werth war, und eine endlose Reihenfolge von Drehungen und Fi¬
guren durchmachten. Es gab weder einen Tanzmeister noch Musik dabei, und
doch hielten sie so gut Takt und bewegten sich so übereinstimmend, daß, wenn
sie eine gerade Linie bildeten, Hände, Arme, Leiber. Deine und Köpfe in einer


geht in dieselbe Schüssel zu Gaste, und gar mancher verschiedene Schmutz, gar
manche verschiedene Art und Sorte von Duft tritt zu den Tugenden ihres
Inhalts.

Um eine kleine Bude waren eine Menge von Eingebornen versammelt,
um die Awa-Wurzel zu kaufen. Es heißt, ohne den Gebrauch dieser Wurzel
würde die Abnahme des Volkes, die in früheren Zeiten infolge gewisser ein¬
geschleppter Krankheiten sich kundgab, viel größer gewesen sein, als sie war,
aber Andere behaupten, das sei lediglich eine Einbildung. Alle aber stimmen
darin überein, daß Poi jemand, der abgelebt und durch Trunksucht in seiner
Lebenskraft gebrochen ist, wieder jung macht, und daß es in manchen Krank¬
heiten zur Genesung führt, nachdem alle andern Arzneien sich nutzlos erwiesen
haben. Dagegen gestehen nicht Alle der Awa die heilsamen Eigenschaften zu,
die Einige ihr zuschreiben. Die Eingebornen bereiten aus ihr ein berauschen¬
des Getränk, welches bei denen, welche beharrlich darin schwelgen, fürchterliche
Wirkung hat. Es bedeckt den Körper mit trocknen, weißen Flechten, entzün¬
det die Augen und hat frühzeitige Gebrechlichkeit zur Folge. Obwohl der Mann,
vor dessen Etablissement wir stehen blieben, der Negierung jährlich für die Er¬
laubniß, Awa-Wurzeln zu verkaufen, achthundert Dollars zu entrichten hat,
soll er alle zwölf Monate ein kleines Vermögen zurücklegen, wogegen Salon¬
wirthe, die jährlich tausend Dollars für das Privilegium, Whisky im Einzel¬
nen verkaufen, zahlen, nur das knappe Leben dabei herausschlagen.

Wir fanden den Fischmarkt gedrängt voll Menschen; denn der Einge-
borne ist ein großer Liebhaber von Fischen. Er verspeist die Waare roh und
lebendig und — aber sprechen wir lieber von was Anderem.

In alten Zeiten war der Sonnabend hier ein großer Galatag. Die
ganze eingeborne Bevölkerung der Stadt ließ dann ihre Arbeit liegen, und das
benachbarte Landvolk reiste nach der Kapitale. Dann mußten die weißen
Leute sich in ihren vier Pfählen halten; denn jede Straße war fo voll von
dahersprengendcn Reitern und Reiterinnen, daß es nahezu unmöglich war,
durch die Cavaleaden sich hindurch zu winden, ohne zum Krüppel getreten
zu werden.

Des Nachts schmaußen sie, und die Mädchen tanzen die laseive Hulahula
— einen Tanz, der die wohlerzogne Bewegung von Bein und Arm, Hand,
Kopf und Körper in höchster Vollkommenheit, den genauesten Einklang aller
Wendungen und den besten Takt im Tritt zeigen soll. Derselbe wurde von
einem Kreise von Mädchen getanzt, die kein Kleidungsstück anhatten, das
der Rede werth war, und eine endlose Reihenfolge von Drehungen und Fi¬
guren durchmachten. Es gab weder einen Tanzmeister noch Musik dabei, und
doch hielten sie so gut Takt und bewegten sich so übereinstimmend, daß, wenn
sie eine gerade Linie bildeten, Hände, Arme, Leiber. Deine und Köpfe in einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/110>, abgerufen am 06.02.2025.