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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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des höchsten Nordens zu ihrer und ihres Vaterlandes unvergänglicher Ehre
zurückbrachten, naturgemäß nur in einem Werke gegeben werden, welches sich
dieser einen Aufgabe ausschließlich widmet, und jedem der Theilnehmer an
seinem Orte das lebendige Wort eigener Wahrnehmung und Beobachtung
gestattet. Diesen Erwägungen wohl verdankt das vorliegende Werk seine
Entstehung, das seines Inhaltes wie seiner Ausstattung wegen das höchste
Lob und die aufmerksamste Beachtung aller gebildeten Deutschen verdient.
Die nachfolgenden Zeilen bezwecken, durch Herausgreifung einiger der leben¬
digsten Schilderungen, welche die erste Abtheilung enthält, den Lesern dieses
Blattes das schöne und im besten Sinne patriotische Werk eifriger Theilnahme
zu empfehlen.

Diese erste Abtheilung des Gesammtwerkes könnte füglich den Titel
tragen: Der Hansamänner Noth. Denn drei Viertheile des Bandes oder
mehr find der Erzählung jener unglaublichen Schicksale und Entbehrungen
gewidmet, welche vierzehn deutsche Seefahrer und Gelehrte unter Führung
des Capitän Wegemann nach Untergang der Hansa im Eise (am 19. Octo-
ber 1869) durchlebten: zweihundert Tage auf einer Eisscholle längs der grön¬
ländischen Ostküste nach Süden treibend, dann wochenlang auf drei kleinen
Böten gegen Klima, Eis und Hunger kämpfend, bis ihnen endlich Mitte
Juni 1870 die Landung an der ersten menschenbewohnten Stätte, in der
Herrenhutischen Missionsstation Friedrichsthal an der Südspitze Grönlands
gelingt. Diese Schicksale wollen wir nach dieser treuen Quelle unsern Lesern
in gedrängter Kürze berichten. Nach Erscheinen der zweiten Abtheilung des
Werkes soll in ähnlicher Weise die Fahrt des Schwesterschiffes (Schrau¬
bendampfers) Germania unter Kapitain Koldewey's Führung berücksich¬
tigt werden. --

Unter den glücklichsten Auspizien, in Gegewart des Königs Wilhelm
von Preußen und seiner treuesten Räthe Bismarck, Roon, Moltke, dann
Jachmann u. A., unter Geschützdonner und Flaggenschmuck stach am 15. Juni
1869 die zweite deutsche Nordpolerpedition von Bremerhafen in See. Fröh¬
lich hallte über die Wasser der Gesang der Mannschaft, die gestern noch mit
einem theuern Eide gelobt hatte, alle Schrecknisse des höchsten Nordens in
deutscher Ausdauer und Mannszucht zu tragen. Was seemännische Erfahrung
und Technik in Verbindung mit ausreichenden Mitteln und nationaler Be¬
geisterung aufbieten können, um den Kampf mit den wilden starren Natur¬
gewalten der arktischen Breiten aufzunehmen, war an Bord dieser Schiffe ver¬
einigt. Die Hansa insbesondere -- auf die wir uns für heute beschränken
war 1864, als preuß. Schoner "Fulton" an der Weser erbaut, und be¬
saß 76^ Commerzlast Tragfähigkeit. Sie wurde für die Nordpolfahrt durch
das bremer Comite', gegen Hinterlegung von 8000 Thlr. erworben, Hansa


Grenzboten l873, I. 67

des höchsten Nordens zu ihrer und ihres Vaterlandes unvergänglicher Ehre
zurückbrachten, naturgemäß nur in einem Werke gegeben werden, welches sich
dieser einen Aufgabe ausschließlich widmet, und jedem der Theilnehmer an
seinem Orte das lebendige Wort eigener Wahrnehmung und Beobachtung
gestattet. Diesen Erwägungen wohl verdankt das vorliegende Werk seine
Entstehung, das seines Inhaltes wie seiner Ausstattung wegen das höchste
Lob und die aufmerksamste Beachtung aller gebildeten Deutschen verdient.
Die nachfolgenden Zeilen bezwecken, durch Herausgreifung einiger der leben¬
digsten Schilderungen, welche die erste Abtheilung enthält, den Lesern dieses
Blattes das schöne und im besten Sinne patriotische Werk eifriger Theilnahme
zu empfehlen.

Diese erste Abtheilung des Gesammtwerkes könnte füglich den Titel
tragen: Der Hansamänner Noth. Denn drei Viertheile des Bandes oder
mehr find der Erzählung jener unglaublichen Schicksale und Entbehrungen
gewidmet, welche vierzehn deutsche Seefahrer und Gelehrte unter Führung
des Capitän Wegemann nach Untergang der Hansa im Eise (am 19. Octo-
ber 1869) durchlebten: zweihundert Tage auf einer Eisscholle längs der grön¬
ländischen Ostküste nach Süden treibend, dann wochenlang auf drei kleinen
Böten gegen Klima, Eis und Hunger kämpfend, bis ihnen endlich Mitte
Juni 1870 die Landung an der ersten menschenbewohnten Stätte, in der
Herrenhutischen Missionsstation Friedrichsthal an der Südspitze Grönlands
gelingt. Diese Schicksale wollen wir nach dieser treuen Quelle unsern Lesern
in gedrängter Kürze berichten. Nach Erscheinen der zweiten Abtheilung des
Werkes soll in ähnlicher Weise die Fahrt des Schwesterschiffes (Schrau¬
bendampfers) Germania unter Kapitain Koldewey's Führung berücksich¬
tigt werden. —

Unter den glücklichsten Auspizien, in Gegewart des Königs Wilhelm
von Preußen und seiner treuesten Räthe Bismarck, Roon, Moltke, dann
Jachmann u. A., unter Geschützdonner und Flaggenschmuck stach am 15. Juni
1869 die zweite deutsche Nordpolerpedition von Bremerhafen in See. Fröh¬
lich hallte über die Wasser der Gesang der Mannschaft, die gestern noch mit
einem theuern Eide gelobt hatte, alle Schrecknisse des höchsten Nordens in
deutscher Ausdauer und Mannszucht zu tragen. Was seemännische Erfahrung
und Technik in Verbindung mit ausreichenden Mitteln und nationaler Be¬
geisterung aufbieten können, um den Kampf mit den wilden starren Natur¬
gewalten der arktischen Breiten aufzunehmen, war an Bord dieser Schiffe ver¬
einigt. Die Hansa insbesondere — auf die wir uns für heute beschränken
war 1864, als preuß. Schoner „Fulton" an der Weser erbaut, und be¬
saß 76^ Commerzlast Tragfähigkeit. Sie wurde für die Nordpolfahrt durch
das bremer Comite', gegen Hinterlegung von 8000 Thlr. erworben, Hansa


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[0457] des höchsten Nordens zu ihrer und ihres Vaterlandes unvergänglicher Ehre zurückbrachten, naturgemäß nur in einem Werke gegeben werden, welches sich dieser einen Aufgabe ausschließlich widmet, und jedem der Theilnehmer an seinem Orte das lebendige Wort eigener Wahrnehmung und Beobachtung gestattet. Diesen Erwägungen wohl verdankt das vorliegende Werk seine Entstehung, das seines Inhaltes wie seiner Ausstattung wegen das höchste Lob und die aufmerksamste Beachtung aller gebildeten Deutschen verdient. Die nachfolgenden Zeilen bezwecken, durch Herausgreifung einiger der leben¬ digsten Schilderungen, welche die erste Abtheilung enthält, den Lesern dieses Blattes das schöne und im besten Sinne patriotische Werk eifriger Theilnahme zu empfehlen. Diese erste Abtheilung des Gesammtwerkes könnte füglich den Titel tragen: Der Hansamänner Noth. Denn drei Viertheile des Bandes oder mehr find der Erzählung jener unglaublichen Schicksale und Entbehrungen gewidmet, welche vierzehn deutsche Seefahrer und Gelehrte unter Führung des Capitän Wegemann nach Untergang der Hansa im Eise (am 19. Octo- ber 1869) durchlebten: zweihundert Tage auf einer Eisscholle längs der grön¬ ländischen Ostküste nach Süden treibend, dann wochenlang auf drei kleinen Böten gegen Klima, Eis und Hunger kämpfend, bis ihnen endlich Mitte Juni 1870 die Landung an der ersten menschenbewohnten Stätte, in der Herrenhutischen Missionsstation Friedrichsthal an der Südspitze Grönlands gelingt. Diese Schicksale wollen wir nach dieser treuen Quelle unsern Lesern in gedrängter Kürze berichten. Nach Erscheinen der zweiten Abtheilung des Werkes soll in ähnlicher Weise die Fahrt des Schwesterschiffes (Schrau¬ bendampfers) Germania unter Kapitain Koldewey's Führung berücksich¬ tigt werden. — Unter den glücklichsten Auspizien, in Gegewart des Königs Wilhelm von Preußen und seiner treuesten Räthe Bismarck, Roon, Moltke, dann Jachmann u. A., unter Geschützdonner und Flaggenschmuck stach am 15. Juni 1869 die zweite deutsche Nordpolerpedition von Bremerhafen in See. Fröh¬ lich hallte über die Wasser der Gesang der Mannschaft, die gestern noch mit einem theuern Eide gelobt hatte, alle Schrecknisse des höchsten Nordens in deutscher Ausdauer und Mannszucht zu tragen. Was seemännische Erfahrung und Technik in Verbindung mit ausreichenden Mitteln und nationaler Be¬ geisterung aufbieten können, um den Kampf mit den wilden starren Natur¬ gewalten der arktischen Breiten aufzunehmen, war an Bord dieser Schiffe ver¬ einigt. Die Hansa insbesondere — auf die wir uns für heute beschränken war 1864, als preuß. Schoner „Fulton" an der Weser erbaut, und be¬ saß 76^ Commerzlast Tragfähigkeit. Sie wurde für die Nordpolfahrt durch das bremer Comite', gegen Hinterlegung von 8000 Thlr. erworben, Hansa Grenzboten l873, I. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/457>, abgerufen am 24.08.2024.