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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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klassificirten Einkommensteuer für das natürliche Ergebniß der Zukunft zu
erklären. Aber wir sind bis auf das Aeußerste Gegner der sogenannten
Quotisirung. Das Steuereontingent muß vielmehr, nachdem er auf einen
muthmaßlich für lange Jahre ausreichenden Betrag normirt worden, unan¬
tastbar gegen eine jede Verminderung sein; es sei denn in Uebereinstimmung
mit der Staatsregierung. In außerordentlichen Fällen mögen zur Deckung
außerordentlicher Bedürfnisse vorübergehende Zuschlage zu dem Contingent
bewilligt werden. Der Hauptvortheil der Contingentirung lieg-t aber gerade
in der Unbeweglichst des Contingents, vermöge derer es unverminderbar ist
für die Regierung, aber auch unerhöhbar für die Steuerpflichtigen. Die Un-
erhöhbarkeit enthält in Perioden steigenden Wohlstandes eine von selbst ein¬
tretende Erleichterung der Steuerlast.

Der Finanzminister, welcher der Contingentirung zugestimmt hatte, sah
sich deßhalb maßlosen Angriffen Seitens einzelner konservativen Abgeordneten
ausgesetzt, die in der Contingentirung sofort auch die Quotisirung erblickten.

Aber man vermeidet nicht immer ein Uebel dadurch, daß man ihm in
die äußerste Ferne rückt. In gewissen Fällen muß man bis dicht an die
Grenze herantreten, weil man es dadurch am sichersten einschränkt. Grade
ein solcher Fall liegt hier vor. Das maßlose Wachsen der Steuern hat nur
zur Folge, die höchst verderbliche Forderung des unbedingten Steuerbewilli¬
gungsrechts einzubürgern. Die Forderung wird schweigen, wenn dem unend¬
lichen Wachsthum der Steuer eine Grenze gezogen ist. Die Grenze ist ungefähr¬
lich, wenn sie weit gezogen, so daß die Nothwendigkeit ihrer Überschreitung,
wenn überhaupt, nur in langen Zeiträumen vorauszusehen ist. Das Noth¬
wendige wird eine tüchtige Regierung auch immer vor der Landesvertretung
erhalten. Staatsverderblich ist nur wenn das Nothwendige alle Jahre wieder
in Frage gestellt werden muß. Eine tüchtige Regierung wird auch das Gebot
der Weisheit nicht vernachlässigen, wenn aus den fixirten Steuern große
Ueberschüsse erwachsen sollten, dieselben so zu verwenden, daß die allgemeine
Beistimmung sicher ist.

Ein Streitpunkt von untergeordneter Bedeutung ergab sich noch daraus,
daß in einigen Gemeinden das Wahlrecht bisher an die Entrichtung eines
Klassensteuerbetrags von mindestens 3 auch 4 Thlr. geknüpft war. Da nun
die Einkommen bis zu 300 Thlr. nach dem neuen Gesetz nur einen, bezw.
zwei Thaler Klassensteuer zu entrichten haben, so würden damit eine Anzahl
Personen des Gemeindewahlrechtes verlustig gehen, die dasselbe bisher genossen.
Uns erscheint diese Folge absolut gleichgültig, wenn nicht gar erwünscht. Die
Grundbedingung gesunder Gemeindebildungen ist die Basirung der Gemeinde¬
rechte und Pflichten allein auf den Grundbesitz. Soweit sind wir freilich einst¬
weilen noch nicht wieder gelangt, obwohl es einst das selbstverständliche Prin-


klassificirten Einkommensteuer für das natürliche Ergebniß der Zukunft zu
erklären. Aber wir sind bis auf das Aeußerste Gegner der sogenannten
Quotisirung. Das Steuereontingent muß vielmehr, nachdem er auf einen
muthmaßlich für lange Jahre ausreichenden Betrag normirt worden, unan¬
tastbar gegen eine jede Verminderung sein; es sei denn in Uebereinstimmung
mit der Staatsregierung. In außerordentlichen Fällen mögen zur Deckung
außerordentlicher Bedürfnisse vorübergehende Zuschlage zu dem Contingent
bewilligt werden. Der Hauptvortheil der Contingentirung lieg-t aber gerade
in der Unbeweglichst des Contingents, vermöge derer es unverminderbar ist
für die Regierung, aber auch unerhöhbar für die Steuerpflichtigen. Die Un-
erhöhbarkeit enthält in Perioden steigenden Wohlstandes eine von selbst ein¬
tretende Erleichterung der Steuerlast.

Der Finanzminister, welcher der Contingentirung zugestimmt hatte, sah
sich deßhalb maßlosen Angriffen Seitens einzelner konservativen Abgeordneten
ausgesetzt, die in der Contingentirung sofort auch die Quotisirung erblickten.

Aber man vermeidet nicht immer ein Uebel dadurch, daß man ihm in
die äußerste Ferne rückt. In gewissen Fällen muß man bis dicht an die
Grenze herantreten, weil man es dadurch am sichersten einschränkt. Grade
ein solcher Fall liegt hier vor. Das maßlose Wachsen der Steuern hat nur
zur Folge, die höchst verderbliche Forderung des unbedingten Steuerbewilli¬
gungsrechts einzubürgern. Die Forderung wird schweigen, wenn dem unend¬
lichen Wachsthum der Steuer eine Grenze gezogen ist. Die Grenze ist ungefähr¬
lich, wenn sie weit gezogen, so daß die Nothwendigkeit ihrer Überschreitung,
wenn überhaupt, nur in langen Zeiträumen vorauszusehen ist. Das Noth¬
wendige wird eine tüchtige Regierung auch immer vor der Landesvertretung
erhalten. Staatsverderblich ist nur wenn das Nothwendige alle Jahre wieder
in Frage gestellt werden muß. Eine tüchtige Regierung wird auch das Gebot
der Weisheit nicht vernachlässigen, wenn aus den fixirten Steuern große
Ueberschüsse erwachsen sollten, dieselben so zu verwenden, daß die allgemeine
Beistimmung sicher ist.

Ein Streitpunkt von untergeordneter Bedeutung ergab sich noch daraus,
daß in einigen Gemeinden das Wahlrecht bisher an die Entrichtung eines
Klassensteuerbetrags von mindestens 3 auch 4 Thlr. geknüpft war. Da nun
die Einkommen bis zu 300 Thlr. nach dem neuen Gesetz nur einen, bezw.
zwei Thaler Klassensteuer zu entrichten haben, so würden damit eine Anzahl
Personen des Gemeindewahlrechtes verlustig gehen, die dasselbe bisher genossen.
Uns erscheint diese Folge absolut gleichgültig, wenn nicht gar erwünscht. Die
Grundbedingung gesunder Gemeindebildungen ist die Basirung der Gemeinde¬
rechte und Pflichten allein auf den Grundbesitz. Soweit sind wir freilich einst¬
weilen noch nicht wieder gelangt, obwohl es einst das selbstverständliche Prin-


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[0439] klassificirten Einkommensteuer für das natürliche Ergebniß der Zukunft zu erklären. Aber wir sind bis auf das Aeußerste Gegner der sogenannten Quotisirung. Das Steuereontingent muß vielmehr, nachdem er auf einen muthmaßlich für lange Jahre ausreichenden Betrag normirt worden, unan¬ tastbar gegen eine jede Verminderung sein; es sei denn in Uebereinstimmung mit der Staatsregierung. In außerordentlichen Fällen mögen zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse vorübergehende Zuschlage zu dem Contingent bewilligt werden. Der Hauptvortheil der Contingentirung lieg-t aber gerade in der Unbeweglichst des Contingents, vermöge derer es unverminderbar ist für die Regierung, aber auch unerhöhbar für die Steuerpflichtigen. Die Un- erhöhbarkeit enthält in Perioden steigenden Wohlstandes eine von selbst ein¬ tretende Erleichterung der Steuerlast. Der Finanzminister, welcher der Contingentirung zugestimmt hatte, sah sich deßhalb maßlosen Angriffen Seitens einzelner konservativen Abgeordneten ausgesetzt, die in der Contingentirung sofort auch die Quotisirung erblickten. Aber man vermeidet nicht immer ein Uebel dadurch, daß man ihm in die äußerste Ferne rückt. In gewissen Fällen muß man bis dicht an die Grenze herantreten, weil man es dadurch am sichersten einschränkt. Grade ein solcher Fall liegt hier vor. Das maßlose Wachsen der Steuern hat nur zur Folge, die höchst verderbliche Forderung des unbedingten Steuerbewilli¬ gungsrechts einzubürgern. Die Forderung wird schweigen, wenn dem unend¬ lichen Wachsthum der Steuer eine Grenze gezogen ist. Die Grenze ist ungefähr¬ lich, wenn sie weit gezogen, so daß die Nothwendigkeit ihrer Überschreitung, wenn überhaupt, nur in langen Zeiträumen vorauszusehen ist. Das Noth¬ wendige wird eine tüchtige Regierung auch immer vor der Landesvertretung erhalten. Staatsverderblich ist nur wenn das Nothwendige alle Jahre wieder in Frage gestellt werden muß. Eine tüchtige Regierung wird auch das Gebot der Weisheit nicht vernachlässigen, wenn aus den fixirten Steuern große Ueberschüsse erwachsen sollten, dieselben so zu verwenden, daß die allgemeine Beistimmung sicher ist. Ein Streitpunkt von untergeordneter Bedeutung ergab sich noch daraus, daß in einigen Gemeinden das Wahlrecht bisher an die Entrichtung eines Klassensteuerbetrags von mindestens 3 auch 4 Thlr. geknüpft war. Da nun die Einkommen bis zu 300 Thlr. nach dem neuen Gesetz nur einen, bezw. zwei Thaler Klassensteuer zu entrichten haben, so würden damit eine Anzahl Personen des Gemeindewahlrechtes verlustig gehen, die dasselbe bisher genossen. Uns erscheint diese Folge absolut gleichgültig, wenn nicht gar erwünscht. Die Grundbedingung gesunder Gemeindebildungen ist die Basirung der Gemeinde¬ rechte und Pflichten allein auf den Grundbesitz. Soweit sind wir freilich einst¬ weilen noch nicht wieder gelangt, obwohl es einst das selbstverständliche Prin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/439>, abgerufen am 25.08.2024.