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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Glück genommen und erhalten werden möchten; da aber Gott einen unver-
hoffentlichen Fall über Einen der Contrahenten verhängen werde, daß Er
nothdringlich Etwas aufnehmen müßte, so solle er ohne Vorbewußt der An¬
deren über 5000 Thlr. aufzunehmen nicht Macht haben. solle es aber ein
Mehreres sein, solle Solches jederzeit mit Ersuchen, Wissen und Willen und
Beliebung der Anderen und anderer Gestalt nicht geschehen."*) Hieran hatten
sich nun schon die Regierungsvorgänger Aug. Christ. Friedrichs nicht gehalten,
obgleich dieses Uebereinkommen noch im Jahre 1709 eine formelle ausdrück¬
liche Bestätigung erhalten hatte. Die Kammer hatte im Laus der Zeit, am
meisten unter Aug. Christ. Friedrich, große Summen Geldes ausgeborgt,
die hiernach gänzlich ohne Fundation waren, und an deren Wieder¬
bezahlung nicht gedacht wurde." Der Herzog hatte, wie einer der Gewährs¬
männer Stenzel's schreibt/*) seine Chatoulle und die Kammerkasse als
ganz verschieden betrachtet, zur erstem gezogen, was er nur immer ein¬
nehmen konnte, auf die letztern aber alle Hofbuchschulden und beliebigen Aus¬
gaben angewiesen, sodaß keine Gewißheit über den Zustand des Creditwesens
vorhanden und weder ein Einnahme-, noch ein Ausgabe-Etat möglich war.
Ja, so unglaublich es klingt, die Kammer wußte selbst nicht, was sie schul¬
dig war, und im Verlauf der Dinge mußte der Betrag der Schulden, sowohl
der Kammer als des Hofes, erst durch Liquidationscommissionen ermittelt
werden, welche die Gläubiger zur Namhaftmachung ihrer Ansprüche auf¬
forderten.

Es kann nicht Wunder nehmen, daß bei solcher Wirthschaft keine Gel¬
der zur Zahlung der Zinsen vorhanden waren. Als die Noth endlich be¬
ängstigend wurde, hatte der Staatsrath Berghauer eine freiwillige Anleihe
von 100,000 Thlr. -- einen Schlag in's Wasser! -- vorgeschlagen.***) Diese
hatte aber nicht realisirt werden können. Nirgends war ein Ausweg, wenn
nicht neue, hohe Steuern zu den alten, ungleich vertheilten und theilweise
schon sehr drückenden, aufgelegt werden sollten. Und in der Zeit der höchsten
Noth war zu dem Allen Davelow mit einer Forderung von jährlich 134,000 Thlr.
als Civilliste des Herzogs aufgetreten. Das war nicht mehr zu erschwingen
bei der äußersten Anspannung der Steuerkraft des Landes. 1')

Es mußte jedoch überhaupt von der einseitigen Einführung neuer Steuern
abgesehen werden. Die aufgehobene Cöthensche Ritterschaft hatte sich an den




") Die,, Zeiten" von Voß Bd. 32 S. 137ff. ") Anhang S. 32. Zeiten Bd. 32 S. 367.
1) Die Kammer schlug damals eine neue Grundsteuer (12 Gr. von jedem Morgen Garten
und Wiesen, " Gr. von jedem Morgen Acker, 6 Gr. von jedem 100 Pfd. des Jmmobiliar-
Fener-Katasters, dazu eine neue Personensteuer zu der schon bestehenden, eine Erhöhung der
Stadt- und eine neue Landaccise und noch sonstige neue Taren vor.

Glück genommen und erhalten werden möchten; da aber Gott einen unver-
hoffentlichen Fall über Einen der Contrahenten verhängen werde, daß Er
nothdringlich Etwas aufnehmen müßte, so solle er ohne Vorbewußt der An¬
deren über 5000 Thlr. aufzunehmen nicht Macht haben. solle es aber ein
Mehreres sein, solle Solches jederzeit mit Ersuchen, Wissen und Willen und
Beliebung der Anderen und anderer Gestalt nicht geschehen."*) Hieran hatten
sich nun schon die Regierungsvorgänger Aug. Christ. Friedrichs nicht gehalten,
obgleich dieses Uebereinkommen noch im Jahre 1709 eine formelle ausdrück¬
liche Bestätigung erhalten hatte. Die Kammer hatte im Laus der Zeit, am
meisten unter Aug. Christ. Friedrich, große Summen Geldes ausgeborgt,
die hiernach gänzlich ohne Fundation waren, und an deren Wieder¬
bezahlung nicht gedacht wurde." Der Herzog hatte, wie einer der Gewährs¬
männer Stenzel's schreibt/*) seine Chatoulle und die Kammerkasse als
ganz verschieden betrachtet, zur erstem gezogen, was er nur immer ein¬
nehmen konnte, auf die letztern aber alle Hofbuchschulden und beliebigen Aus¬
gaben angewiesen, sodaß keine Gewißheit über den Zustand des Creditwesens
vorhanden und weder ein Einnahme-, noch ein Ausgabe-Etat möglich war.
Ja, so unglaublich es klingt, die Kammer wußte selbst nicht, was sie schul¬
dig war, und im Verlauf der Dinge mußte der Betrag der Schulden, sowohl
der Kammer als des Hofes, erst durch Liquidationscommissionen ermittelt
werden, welche die Gläubiger zur Namhaftmachung ihrer Ansprüche auf¬
forderten.

Es kann nicht Wunder nehmen, daß bei solcher Wirthschaft keine Gel¬
der zur Zahlung der Zinsen vorhanden waren. Als die Noth endlich be¬
ängstigend wurde, hatte der Staatsrath Berghauer eine freiwillige Anleihe
von 100,000 Thlr. — einen Schlag in's Wasser! — vorgeschlagen.***) Diese
hatte aber nicht realisirt werden können. Nirgends war ein Ausweg, wenn
nicht neue, hohe Steuern zu den alten, ungleich vertheilten und theilweise
schon sehr drückenden, aufgelegt werden sollten. Und in der Zeit der höchsten
Noth war zu dem Allen Davelow mit einer Forderung von jährlich 134,000 Thlr.
als Civilliste des Herzogs aufgetreten. Das war nicht mehr zu erschwingen
bei der äußersten Anspannung der Steuerkraft des Landes. 1')

Es mußte jedoch überhaupt von der einseitigen Einführung neuer Steuern
abgesehen werden. Die aufgehobene Cöthensche Ritterschaft hatte sich an den




") Die,, Zeiten" von Voß Bd. 32 S. 137ff. ") Anhang S. 32. Zeiten Bd. 32 S. 367.
1) Die Kammer schlug damals eine neue Grundsteuer (12 Gr. von jedem Morgen Garten
und Wiesen, « Gr. von jedem Morgen Acker, 6 Gr. von jedem 100 Pfd. des Jmmobiliar-
Fener-Katasters, dazu eine neue Personensteuer zu der schon bestehenden, eine Erhöhung der
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[0384] Glück genommen und erhalten werden möchten; da aber Gott einen unver- hoffentlichen Fall über Einen der Contrahenten verhängen werde, daß Er nothdringlich Etwas aufnehmen müßte, so solle er ohne Vorbewußt der An¬ deren über 5000 Thlr. aufzunehmen nicht Macht haben. solle es aber ein Mehreres sein, solle Solches jederzeit mit Ersuchen, Wissen und Willen und Beliebung der Anderen und anderer Gestalt nicht geschehen."*) Hieran hatten sich nun schon die Regierungsvorgänger Aug. Christ. Friedrichs nicht gehalten, obgleich dieses Uebereinkommen noch im Jahre 1709 eine formelle ausdrück¬ liche Bestätigung erhalten hatte. Die Kammer hatte im Laus der Zeit, am meisten unter Aug. Christ. Friedrich, große Summen Geldes ausgeborgt, die hiernach gänzlich ohne Fundation waren, und an deren Wieder¬ bezahlung nicht gedacht wurde." Der Herzog hatte, wie einer der Gewährs¬ männer Stenzel's schreibt/*) seine Chatoulle und die Kammerkasse als ganz verschieden betrachtet, zur erstem gezogen, was er nur immer ein¬ nehmen konnte, auf die letztern aber alle Hofbuchschulden und beliebigen Aus¬ gaben angewiesen, sodaß keine Gewißheit über den Zustand des Creditwesens vorhanden und weder ein Einnahme-, noch ein Ausgabe-Etat möglich war. Ja, so unglaublich es klingt, die Kammer wußte selbst nicht, was sie schul¬ dig war, und im Verlauf der Dinge mußte der Betrag der Schulden, sowohl der Kammer als des Hofes, erst durch Liquidationscommissionen ermittelt werden, welche die Gläubiger zur Namhaftmachung ihrer Ansprüche auf¬ forderten. Es kann nicht Wunder nehmen, daß bei solcher Wirthschaft keine Gel¬ der zur Zahlung der Zinsen vorhanden waren. Als die Noth endlich be¬ ängstigend wurde, hatte der Staatsrath Berghauer eine freiwillige Anleihe von 100,000 Thlr. — einen Schlag in's Wasser! — vorgeschlagen.***) Diese hatte aber nicht realisirt werden können. Nirgends war ein Ausweg, wenn nicht neue, hohe Steuern zu den alten, ungleich vertheilten und theilweise schon sehr drückenden, aufgelegt werden sollten. Und in der Zeit der höchsten Noth war zu dem Allen Davelow mit einer Forderung von jährlich 134,000 Thlr. als Civilliste des Herzogs aufgetreten. Das war nicht mehr zu erschwingen bei der äußersten Anspannung der Steuerkraft des Landes. 1') Es mußte jedoch überhaupt von der einseitigen Einführung neuer Steuern abgesehen werden. Die aufgehobene Cöthensche Ritterschaft hatte sich an den ") Die,, Zeiten" von Voß Bd. 32 S. 137ff. ") Anhang S. 32. Zeiten Bd. 32 S. 367. 1) Die Kammer schlug damals eine neue Grundsteuer (12 Gr. von jedem Morgen Garten und Wiesen, « Gr. von jedem Morgen Acker, 6 Gr. von jedem 100 Pfd. des Jmmobiliar- Fener-Katasters, dazu eine neue Personensteuer zu der schon bestehenden, eine Erhöhung der Stadt- und eine neue Landaccise und noch sonstige neue Taren vor.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/384>, abgerufen am 24.08.2024.