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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Mermillod, hier Lachat, jener ein Genferkind, dieser aus dem bernischen Jura,
beide romanischen Geblütes und vom hohen Klerus Frankreichs mit ganz
besonderer Sympathie umgeben, beide Jnfallibilisten, doch jener aus Ehrgeiz,
dieser nur aus unwissender Beschränktheit, darum jener ebenso selbstherrschend,
wie dieser von seinem bösen Geist, dem Kanzler Duret aus der Jnnerschweiz,
beherrscht. Nun berichtete ich schon in meinem letzten Brief vom 2. Novem¬
ber 1872, wie Mermillod im Laufe des letzten Sommers aus einem Bischof
bloß von Hebron Bischof von Genf werden und sich seinem Heimatkanton
aufzwingen wollte, nachdem dieser vom Bisthum Freiburg (früher Lausanne)
wäre losgerissen worden. Dieser Plan scheiterte an dem festen Willen des
Staatsrathes und Volkes von Genf; ja Mermillod ward nun auch als Pfarrer
von Genf und Generalvicar des Bischofs von Freiburg nicht mehr anerkannt.
Damals schon trug die Persönlichkeit Mermillods zu der Heftigkeit und Ver¬
bitterung des ganzen Streites das Meiste bei. Genf wollte weniger keinen
Bischof, als vielmehr Mermillod nicht als solchen, Rom weniger einen Bi¬
schof von Genf, als vielmehr Mermillod der Kardinalwürde näher bringen.
Darum ging die päpstliche Kurie denn auch nicht zurück, sondern, erfindungs¬
reich wie sie ist, schlug sie von ihren verschiedenen krummen Wegen nur einen
neuen ein und ernannte Mermillod zum apostolischen Vicar zu Genf. Sie
übertrug ihm ein Amt, dessen Inhaber mit dem Papst in unmittelbarer Ver¬
bindung steht, das aber eben deßhalb sonst bloß für weit entlegene Länder
verliehen wird, deren Obrigkeit mit dem römischen Stuhl durchaus keinen
Verkehr pflegt, nie aber für ein Land, wie die Schweiz, mit eigenen Diöce-
sanverträgen und einem päpstlichen Nuntius. Offenbar war das ein erster
frecher Versuch, uns ganz über unsere Köpfe hinweg, gegen jedes Gesetz und
Recht unsere Bischöfe zu setzen, gerade so wie diese selbst wieder, unbekümmert
um jede Regierung und jede Gemeinde, ihre Diöcesangeistlichkeit ein- und
abzusetzen und zu versetzen den Anspruch erheben. Dieser höchst bedenkliche
Vorgang durfte unmöglich geduldet werden. Bundesrath und Staatsrath
von Genf in vollstem EinVerständniß bestimmten Mermillod eine kurze Frist,
um seine angemaßte Würde niederzulegen. Als er sich weigerte und sich auf
den durchaus geistlichen Charakter eines apostolischen Vicars berief, ward er
von der Genfer Polizei kurzer Hand über die Grenze gebracht. Das Aus¬
weisungsdekret des Bundesrathes nahm er mit sich "als seinen Paß ins
Himmelreich".

Viel weniger spannend verlief bisher der Streit mit Lachat. Schon
brauchte es lange Zeit, ehe man dem Topf seinen Henkel fand. Der Zucht¬
hausprediger Egli in Luzern war vor zwei Jahren als offener Gegner der
Unfehlbarkeit erkommunicirt, allein seine Stelle verlor er erst durch die neu
aufgekommene konservative Regierung. Doch schon das hiedurch entstandene


Mermillod, hier Lachat, jener ein Genferkind, dieser aus dem bernischen Jura,
beide romanischen Geblütes und vom hohen Klerus Frankreichs mit ganz
besonderer Sympathie umgeben, beide Jnfallibilisten, doch jener aus Ehrgeiz,
dieser nur aus unwissender Beschränktheit, darum jener ebenso selbstherrschend,
wie dieser von seinem bösen Geist, dem Kanzler Duret aus der Jnnerschweiz,
beherrscht. Nun berichtete ich schon in meinem letzten Brief vom 2. Novem¬
ber 1872, wie Mermillod im Laufe des letzten Sommers aus einem Bischof
bloß von Hebron Bischof von Genf werden und sich seinem Heimatkanton
aufzwingen wollte, nachdem dieser vom Bisthum Freiburg (früher Lausanne)
wäre losgerissen worden. Dieser Plan scheiterte an dem festen Willen des
Staatsrathes und Volkes von Genf; ja Mermillod ward nun auch als Pfarrer
von Genf und Generalvicar des Bischofs von Freiburg nicht mehr anerkannt.
Damals schon trug die Persönlichkeit Mermillods zu der Heftigkeit und Ver¬
bitterung des ganzen Streites das Meiste bei. Genf wollte weniger keinen
Bischof, als vielmehr Mermillod nicht als solchen, Rom weniger einen Bi¬
schof von Genf, als vielmehr Mermillod der Kardinalwürde näher bringen.
Darum ging die päpstliche Kurie denn auch nicht zurück, sondern, erfindungs¬
reich wie sie ist, schlug sie von ihren verschiedenen krummen Wegen nur einen
neuen ein und ernannte Mermillod zum apostolischen Vicar zu Genf. Sie
übertrug ihm ein Amt, dessen Inhaber mit dem Papst in unmittelbarer Ver¬
bindung steht, das aber eben deßhalb sonst bloß für weit entlegene Länder
verliehen wird, deren Obrigkeit mit dem römischen Stuhl durchaus keinen
Verkehr pflegt, nie aber für ein Land, wie die Schweiz, mit eigenen Diöce-
sanverträgen und einem päpstlichen Nuntius. Offenbar war das ein erster
frecher Versuch, uns ganz über unsere Köpfe hinweg, gegen jedes Gesetz und
Recht unsere Bischöfe zu setzen, gerade so wie diese selbst wieder, unbekümmert
um jede Regierung und jede Gemeinde, ihre Diöcesangeistlichkeit ein- und
abzusetzen und zu versetzen den Anspruch erheben. Dieser höchst bedenkliche
Vorgang durfte unmöglich geduldet werden. Bundesrath und Staatsrath
von Genf in vollstem EinVerständniß bestimmten Mermillod eine kurze Frist,
um seine angemaßte Würde niederzulegen. Als er sich weigerte und sich auf
den durchaus geistlichen Charakter eines apostolischen Vicars berief, ward er
von der Genfer Polizei kurzer Hand über die Grenze gebracht. Das Aus¬
weisungsdekret des Bundesrathes nahm er mit sich „als seinen Paß ins
Himmelreich".

Viel weniger spannend verlief bisher der Streit mit Lachat. Schon
brauchte es lange Zeit, ehe man dem Topf seinen Henkel fand. Der Zucht¬
hausprediger Egli in Luzern war vor zwei Jahren als offener Gegner der
Unfehlbarkeit erkommunicirt, allein seine Stelle verlor er erst durch die neu
aufgekommene konservative Regierung. Doch schon das hiedurch entstandene


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[0362] Mermillod, hier Lachat, jener ein Genferkind, dieser aus dem bernischen Jura, beide romanischen Geblütes und vom hohen Klerus Frankreichs mit ganz besonderer Sympathie umgeben, beide Jnfallibilisten, doch jener aus Ehrgeiz, dieser nur aus unwissender Beschränktheit, darum jener ebenso selbstherrschend, wie dieser von seinem bösen Geist, dem Kanzler Duret aus der Jnnerschweiz, beherrscht. Nun berichtete ich schon in meinem letzten Brief vom 2. Novem¬ ber 1872, wie Mermillod im Laufe des letzten Sommers aus einem Bischof bloß von Hebron Bischof von Genf werden und sich seinem Heimatkanton aufzwingen wollte, nachdem dieser vom Bisthum Freiburg (früher Lausanne) wäre losgerissen worden. Dieser Plan scheiterte an dem festen Willen des Staatsrathes und Volkes von Genf; ja Mermillod ward nun auch als Pfarrer von Genf und Generalvicar des Bischofs von Freiburg nicht mehr anerkannt. Damals schon trug die Persönlichkeit Mermillods zu der Heftigkeit und Ver¬ bitterung des ganzen Streites das Meiste bei. Genf wollte weniger keinen Bischof, als vielmehr Mermillod nicht als solchen, Rom weniger einen Bi¬ schof von Genf, als vielmehr Mermillod der Kardinalwürde näher bringen. Darum ging die päpstliche Kurie denn auch nicht zurück, sondern, erfindungs¬ reich wie sie ist, schlug sie von ihren verschiedenen krummen Wegen nur einen neuen ein und ernannte Mermillod zum apostolischen Vicar zu Genf. Sie übertrug ihm ein Amt, dessen Inhaber mit dem Papst in unmittelbarer Ver¬ bindung steht, das aber eben deßhalb sonst bloß für weit entlegene Länder verliehen wird, deren Obrigkeit mit dem römischen Stuhl durchaus keinen Verkehr pflegt, nie aber für ein Land, wie die Schweiz, mit eigenen Diöce- sanverträgen und einem päpstlichen Nuntius. Offenbar war das ein erster frecher Versuch, uns ganz über unsere Köpfe hinweg, gegen jedes Gesetz und Recht unsere Bischöfe zu setzen, gerade so wie diese selbst wieder, unbekümmert um jede Regierung und jede Gemeinde, ihre Diöcesangeistlichkeit ein- und abzusetzen und zu versetzen den Anspruch erheben. Dieser höchst bedenkliche Vorgang durfte unmöglich geduldet werden. Bundesrath und Staatsrath von Genf in vollstem EinVerständniß bestimmten Mermillod eine kurze Frist, um seine angemaßte Würde niederzulegen. Als er sich weigerte und sich auf den durchaus geistlichen Charakter eines apostolischen Vicars berief, ward er von der Genfer Polizei kurzer Hand über die Grenze gebracht. Das Aus¬ weisungsdekret des Bundesrathes nahm er mit sich „als seinen Paß ins Himmelreich". Viel weniger spannend verlief bisher der Streit mit Lachat. Schon brauchte es lange Zeit, ehe man dem Topf seinen Henkel fand. Der Zucht¬ hausprediger Egli in Luzern war vor zwei Jahren als offener Gegner der Unfehlbarkeit erkommunicirt, allein seine Stelle verlor er erst durch die neu aufgekommene konservative Regierung. Doch schon das hiedurch entstandene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/362>, abgerufen am 22.07.2024.