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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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land unter Preußens Leitung wieder eine völlig selbständige, gebietende Macht¬
stellung in Europa einnimmt! Sein Verhängniß riß Napoleon III. fort.
Er mußte seinem Volke leisten, wozu es ihn erwählt, wofür sein Name
ihm eine Bürgschaft gewesen, oder er verdiente nicht länger über dieses Volk
zu herrschen. Denn nicht Plebiscite und Verfassungen, sondern nur Krieg
und Sieg und Eroberung können einem Beherrscher Frankreichs die Gunst
seiner Nation auf die Dauer sichern. Die Revolution würde daher Napoleon III>
und seine Dynastie hinweggeschwemmt haben, wenn er nicht Preußen bekämpfte
und demüthigte und mit Deutschlands Spolien Frankreich vergrößerte. So
stürzte sich, gleichsam von einem Dämon erfaßt, im Sommer 1870 Napoleon
und sein Volk in diesen Krieg gegen Preußen. Man rechnete dabei wieder
auf die leider nur zu oft erprobte Uneinigkeit der deutschen Fürsten und
Stämme unter einander. Aber man irrte sich! Unter unseres greisen Königs
Führung ergossen sich alsbald die Kriegsschaaren des geeinigten Deutsch¬
land nach Frankreich hinein, und vier Wochen nach Beginn der Operationen
wurden bei Sedan die Legionen des Kaiserreichs zerschmettert, der Kaiser selbst
gefangen. -- Darum der unendliche Jubel in allen Gauen unseres Vater¬
landes über den Tag von Sedan: weil an ihm sichtbar und allem Volke
verständlich sowohl Frankreich, seit Jahrhunderten der Todfeind - unsrer na¬
tionalen Hoffnungen und Einheitsbestrebungen, als auch zugleich der Erbe
jenes Mannes, der einst die furchtbare Gottesgeisel für uns und alle Völker
Europas gewesen, so gänzlich niedergeworfen wurde; und zwar dießmal nicht
mit fremdem Beistand, sondern ganz ausschließlich durch deutsche Kraft und
Tapferkeit. --

Und so meine ich denn, daß das deutsche Volk am passendsten eben diesen
Tag auswählt zu einer alljährlich wiederkehrenden Erinnerungsfeier an den
letzten Krieg gegen Frankreich, die herrliche Fortsetzung gleichsam unsers
heiligen Freiheitskampfes.

Wir wollen aber diesen Tag feiern zunächst in dankbarster pietätvollster
Erinnerung an unsre Todten, die für die höchsten Güter des Vaterlandes in
Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben gelassen, und so ihre Treue für König und
Vaterland, für Kaiser und Reich auch mit ihrem Tode noch besiegelt haben.
Unsre Altvordern glaubten, daß die Seelen derer, die im tapfern Kampfe auf dem
Schlachtfelde starben, von Wuotans Schlachtjungfrauen emporgetragen würden
nach Walhalla zum ewigen Leben, zur seligen Vereinigung mit den Göttern:
unsern edlen Todten soll diese Unsterblichkeit schon hinieden zu Theil wer¬
den in dem unvergänglichen, much die Monumente von Stein und Erz über¬
dauernden Ruhm bei Mit- und Nachwelt.

Wir wollen ferner den Tag feiern in innigster, treuester Dankbarkeit
gegen unsern greisen Heidenkönig, der die Seinen zu so herrlichen Siegen


land unter Preußens Leitung wieder eine völlig selbständige, gebietende Macht¬
stellung in Europa einnimmt! Sein Verhängniß riß Napoleon III. fort.
Er mußte seinem Volke leisten, wozu es ihn erwählt, wofür sein Name
ihm eine Bürgschaft gewesen, oder er verdiente nicht länger über dieses Volk
zu herrschen. Denn nicht Plebiscite und Verfassungen, sondern nur Krieg
und Sieg und Eroberung können einem Beherrscher Frankreichs die Gunst
seiner Nation auf die Dauer sichern. Die Revolution würde daher Napoleon III>
und seine Dynastie hinweggeschwemmt haben, wenn er nicht Preußen bekämpfte
und demüthigte und mit Deutschlands Spolien Frankreich vergrößerte. So
stürzte sich, gleichsam von einem Dämon erfaßt, im Sommer 1870 Napoleon
und sein Volk in diesen Krieg gegen Preußen. Man rechnete dabei wieder
auf die leider nur zu oft erprobte Uneinigkeit der deutschen Fürsten und
Stämme unter einander. Aber man irrte sich! Unter unseres greisen Königs
Führung ergossen sich alsbald die Kriegsschaaren des geeinigten Deutsch¬
land nach Frankreich hinein, und vier Wochen nach Beginn der Operationen
wurden bei Sedan die Legionen des Kaiserreichs zerschmettert, der Kaiser selbst
gefangen. — Darum der unendliche Jubel in allen Gauen unseres Vater¬
landes über den Tag von Sedan: weil an ihm sichtbar und allem Volke
verständlich sowohl Frankreich, seit Jahrhunderten der Todfeind - unsrer na¬
tionalen Hoffnungen und Einheitsbestrebungen, als auch zugleich der Erbe
jenes Mannes, der einst die furchtbare Gottesgeisel für uns und alle Völker
Europas gewesen, so gänzlich niedergeworfen wurde; und zwar dießmal nicht
mit fremdem Beistand, sondern ganz ausschließlich durch deutsche Kraft und
Tapferkeit. —

Und so meine ich denn, daß das deutsche Volk am passendsten eben diesen
Tag auswählt zu einer alljährlich wiederkehrenden Erinnerungsfeier an den
letzten Krieg gegen Frankreich, die herrliche Fortsetzung gleichsam unsers
heiligen Freiheitskampfes.

Wir wollen aber diesen Tag feiern zunächst in dankbarster pietätvollster
Erinnerung an unsre Todten, die für die höchsten Güter des Vaterlandes in
Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben gelassen, und so ihre Treue für König und
Vaterland, für Kaiser und Reich auch mit ihrem Tode noch besiegelt haben.
Unsre Altvordern glaubten, daß die Seelen derer, die im tapfern Kampfe auf dem
Schlachtfelde starben, von Wuotans Schlachtjungfrauen emporgetragen würden
nach Walhalla zum ewigen Leben, zur seligen Vereinigung mit den Göttern:
unsern edlen Todten soll diese Unsterblichkeit schon hinieden zu Theil wer¬
den in dem unvergänglichen, much die Monumente von Stein und Erz über¬
dauernden Ruhm bei Mit- und Nachwelt.

Wir wollen ferner den Tag feiern in innigster, treuester Dankbarkeit
gegen unsern greisen Heidenkönig, der die Seinen zu so herrlichen Siegen


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[0344] land unter Preußens Leitung wieder eine völlig selbständige, gebietende Macht¬ stellung in Europa einnimmt! Sein Verhängniß riß Napoleon III. fort. Er mußte seinem Volke leisten, wozu es ihn erwählt, wofür sein Name ihm eine Bürgschaft gewesen, oder er verdiente nicht länger über dieses Volk zu herrschen. Denn nicht Plebiscite und Verfassungen, sondern nur Krieg und Sieg und Eroberung können einem Beherrscher Frankreichs die Gunst seiner Nation auf die Dauer sichern. Die Revolution würde daher Napoleon III> und seine Dynastie hinweggeschwemmt haben, wenn er nicht Preußen bekämpfte und demüthigte und mit Deutschlands Spolien Frankreich vergrößerte. So stürzte sich, gleichsam von einem Dämon erfaßt, im Sommer 1870 Napoleon und sein Volk in diesen Krieg gegen Preußen. Man rechnete dabei wieder auf die leider nur zu oft erprobte Uneinigkeit der deutschen Fürsten und Stämme unter einander. Aber man irrte sich! Unter unseres greisen Königs Führung ergossen sich alsbald die Kriegsschaaren des geeinigten Deutsch¬ land nach Frankreich hinein, und vier Wochen nach Beginn der Operationen wurden bei Sedan die Legionen des Kaiserreichs zerschmettert, der Kaiser selbst gefangen. — Darum der unendliche Jubel in allen Gauen unseres Vater¬ landes über den Tag von Sedan: weil an ihm sichtbar und allem Volke verständlich sowohl Frankreich, seit Jahrhunderten der Todfeind - unsrer na¬ tionalen Hoffnungen und Einheitsbestrebungen, als auch zugleich der Erbe jenes Mannes, der einst die furchtbare Gottesgeisel für uns und alle Völker Europas gewesen, so gänzlich niedergeworfen wurde; und zwar dießmal nicht mit fremdem Beistand, sondern ganz ausschließlich durch deutsche Kraft und Tapferkeit. — Und so meine ich denn, daß das deutsche Volk am passendsten eben diesen Tag auswählt zu einer alljährlich wiederkehrenden Erinnerungsfeier an den letzten Krieg gegen Frankreich, die herrliche Fortsetzung gleichsam unsers heiligen Freiheitskampfes. Wir wollen aber diesen Tag feiern zunächst in dankbarster pietätvollster Erinnerung an unsre Todten, die für die höchsten Güter des Vaterlandes in Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben gelassen, und so ihre Treue für König und Vaterland, für Kaiser und Reich auch mit ihrem Tode noch besiegelt haben. Unsre Altvordern glaubten, daß die Seelen derer, die im tapfern Kampfe auf dem Schlachtfelde starben, von Wuotans Schlachtjungfrauen emporgetragen würden nach Walhalla zum ewigen Leben, zur seligen Vereinigung mit den Göttern: unsern edlen Todten soll diese Unsterblichkeit schon hinieden zu Theil wer¬ den in dem unvergänglichen, much die Monumente von Stein und Erz über¬ dauernden Ruhm bei Mit- und Nachwelt. Wir wollen ferner den Tag feiern in innigster, treuester Dankbarkeit gegen unsern greisen Heidenkönig, der die Seinen zu so herrlichen Siegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/344>, abgerufen am 24.08.2024.