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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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hängenden Kämpfe die ganze Armee Mac Masons, c. 150,000 Mann, -- von
ein Paar Tausend Versprengten abgesehen -- eingebüßt; dazu ein unerme߬
liches Heergeräth mit allein über 400 Feldgeschützen. Durch Mac Mahon's
Niederlage war aber ferner und vor Allem auch das Schicksal der in Metz
eingeschlossenen Rhein-Armee besiegelt. Bazaine hatte gerade am 3l. August
und 1, September seinen großen Ausfall gemacht, durch den er dem anrücken¬
den Kameraden die Hand zu bieten gedachte; er war durch die Cernirungs-
Armee blutig zurückgewiesen worden. Seitdem nun das Entsatz-Heer Mac
Masons vernichtet war, gab es für die französische Kriegsleitung absolut
keine Möglichkeit mehr, die Belagerung von Metz von außen her ernst¬
lich auch nur zu bedrohen, und für den eingeschlossenen Bazaine ebenso gar
keine Möglichkeit mehr, mit einem geschlossenen, im freien Felde operations¬
fähigen Armee-Körper die Festung zu verlassen. Nur ein schneller Friedens¬
schluß, auf den der Marschall sicher rechnete, konnte diese Armee noch retten;
ihn machte jedoch die verblendete neue Regierung der nationalen Verthei¬
digung unmöglich. Die Katastrophe des 27. October war daher unabwend¬
bar; sie führte wiederum 173,000 Franzosen in die Kriegsgefangenschaft nach
Deutschland.

Diese eingerechnet hatte aber Frankreich durch den bisherigen Verlauf
des Krieges, ganz abgesehen von dem unermeßlichen Heeresgeräth und dem
Terrain, das es verloren, allein an Kriegsgefangenen 300,000 Mann mehr
eingebüßt, als Deutschland, das noch dazu von Anfang an in der Lage ge¬
wesen war. größere Heeresmassen aufbieten zu können als sein Gegner. Schon
das nunmehrige Mißverhältniß der beiderseitigen Streitkräfte war für Frank¬
reich in keiner Weise mehr auszugleichen, zumal es seine ganze bisherige Feld-
Armee verloren, und darum seine Neuformation bei dem Mangel an Officieren.
Unterofsicieren und geschulten Mannschaften in ihrer Qualität unendlich hinter
den kriegserfahrenen deutschen Heeren zurückstehen mußten.

Nach Sedan konnte jeder unbefangene Beurtheiler der Situation den
Ausgang des Krieges vorhersehen. Eine irgendwie besonnene und der leiden¬
schaftlich aufgeregten Nation gegenüber muthige Regierung Frankreichs konnte
daher nichts Patriotischeres thun, als schleunigst die Friedenspräliminarien zu
vereinbaren. Metz wäre dann sicher noch heute das drohende Ausfallthor der
Franzosen an unsern Grenzen! -- Man hat ja auch vielfach geglaubt, daß
die Katastrophe vyn Sedan einen baldigen Friedensschluß zur Folge haben
würde; die Männer aber, die am 4. September in Paris die Zügel der
Regierung ergriffen, Advocaten und Journalisten, waren anderer Ansicht; sie
mochten doch wol einen ganz besondern Beruf zur Kriegsleitung in sich fühlen,
und beschlossen daher, wir können ja jetzt sagen zu unserm Heile, den Krieg
ü. outrauec Es ist das vielleicht das eclatanteste Beispiel dafür, wie eine große


hängenden Kämpfe die ganze Armee Mac Masons, c. 150,000 Mann, — von
ein Paar Tausend Versprengten abgesehen — eingebüßt; dazu ein unerme߬
liches Heergeräth mit allein über 400 Feldgeschützen. Durch Mac Mahon's
Niederlage war aber ferner und vor Allem auch das Schicksal der in Metz
eingeschlossenen Rhein-Armee besiegelt. Bazaine hatte gerade am 3l. August
und 1, September seinen großen Ausfall gemacht, durch den er dem anrücken¬
den Kameraden die Hand zu bieten gedachte; er war durch die Cernirungs-
Armee blutig zurückgewiesen worden. Seitdem nun das Entsatz-Heer Mac
Masons vernichtet war, gab es für die französische Kriegsleitung absolut
keine Möglichkeit mehr, die Belagerung von Metz von außen her ernst¬
lich auch nur zu bedrohen, und für den eingeschlossenen Bazaine ebenso gar
keine Möglichkeit mehr, mit einem geschlossenen, im freien Felde operations¬
fähigen Armee-Körper die Festung zu verlassen. Nur ein schneller Friedens¬
schluß, auf den der Marschall sicher rechnete, konnte diese Armee noch retten;
ihn machte jedoch die verblendete neue Regierung der nationalen Verthei¬
digung unmöglich. Die Katastrophe des 27. October war daher unabwend¬
bar; sie führte wiederum 173,000 Franzosen in die Kriegsgefangenschaft nach
Deutschland.

Diese eingerechnet hatte aber Frankreich durch den bisherigen Verlauf
des Krieges, ganz abgesehen von dem unermeßlichen Heeresgeräth und dem
Terrain, das es verloren, allein an Kriegsgefangenen 300,000 Mann mehr
eingebüßt, als Deutschland, das noch dazu von Anfang an in der Lage ge¬
wesen war. größere Heeresmassen aufbieten zu können als sein Gegner. Schon
das nunmehrige Mißverhältniß der beiderseitigen Streitkräfte war für Frank¬
reich in keiner Weise mehr auszugleichen, zumal es seine ganze bisherige Feld-
Armee verloren, und darum seine Neuformation bei dem Mangel an Officieren.
Unterofsicieren und geschulten Mannschaften in ihrer Qualität unendlich hinter
den kriegserfahrenen deutschen Heeren zurückstehen mußten.

Nach Sedan konnte jeder unbefangene Beurtheiler der Situation den
Ausgang des Krieges vorhersehen. Eine irgendwie besonnene und der leiden¬
schaftlich aufgeregten Nation gegenüber muthige Regierung Frankreichs konnte
daher nichts Patriotischeres thun, als schleunigst die Friedenspräliminarien zu
vereinbaren. Metz wäre dann sicher noch heute das drohende Ausfallthor der
Franzosen an unsern Grenzen! — Man hat ja auch vielfach geglaubt, daß
die Katastrophe vyn Sedan einen baldigen Friedensschluß zur Folge haben
würde; die Männer aber, die am 4. September in Paris die Zügel der
Regierung ergriffen, Advocaten und Journalisten, waren anderer Ansicht; sie
mochten doch wol einen ganz besondern Beruf zur Kriegsleitung in sich fühlen,
und beschlossen daher, wir können ja jetzt sagen zu unserm Heile, den Krieg
ü. outrauec Es ist das vielleicht das eclatanteste Beispiel dafür, wie eine große


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/341>, abgerufen am 24.08.2024.