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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Steuervorlagen bezeugt. Eigentlich politische Parteifarben zu zeigen, hat er
in seiner jetzigen Stellung weniger Veranlassung. Solche, die ihn als Minister
des Innern in der Uebergangszeit von den Bewegungsjahren 1848/49 zu der
Reaction von 1860/51 gekannt haben, rühmen von ihm, daß er selbst damals
freieren Ideen zugänglich gewesen, auch hielt er nicht lange in jener Stellung
aus, sondern trat aus dem Beust'schen Cabinet, als dieses Miene machte,
Oesterreich zu Liebe ebenso den Zollverein zu sprengen, wie es schon die
preußisch-deutsche Union gesprengt hatte. Erst viele Jahre später trat er als
Finanzminister wieder ein. Der einzige von den jetzigen Ministern, der noch
solidarisch für den Staatsstreich von 1850 mit haftet, hat er es neuerdings
aufgegeben. diese "rettende That" Beust's zu vertheidigen, höchstens sucht er
sie noch zu entschuldigen.

Der Kriegs- und der Justizminister sind größentheils nur noch Minister
in xartidns. Des Ersteren Stellung gegenüber den Kammern ist eine ganz
eigenthümliche. Mit seinem Budget an das Reich gewiesen, ist er gleichwohl,
da Sachsen nun einmal noch ein eignes Contingent und insofern eine geson¬
derte Heeresverwaltung hat, für diese den Kammern verantwortlich, nur weiß
Niemand recht zu sagen, wo diese Verantwortlichkeit anfängt und aufhört.
Das zeigte sich in der berufenen "Pleißenburg-Frage", wo Herr von Fabriee
anfangs nicht übel Lust zu haben schien, jedes Redestehen vor dem Landtage
als durch sein Verhältniß zum Reich ausgeschlossen zu betrachten. Indeß ließ
er sich doch noch dazu herbei, und seine anfängliche Schroffheit in Behandlung
dieser Sache schmolz einigermaßen in der wärmeren Temperatur, welche die
Debatte darüber in der II. Kammer annahm. Im Grunde meinte er es über¬
haupt so bös nicht: man hatte sich eben nur von beiden Seiten, wie das zu
gehen pflegt, "verrannt;" von beiden Seiten waren Fehler begangen worden,
hier im Handeln, dort im Unterlassen. Ehrenwerth war es jedenfalls, daß
Herr von Fabriee selbst (so wenigstens ward uns berichtet) die gesundheitliche
Untersuchung der Pleißenburg von Reichswegen veranlaßte, die der Reichstag
beantragt, die Reichsgewalt aber aus Rücksichten für Sachsen, vielleicht auch
für Herrn von Fabriee persönlich, anzuordnen gezögert hatte. Herr von Fabriee
hat 1870/71. wie bekannt, eine hervorragende und ausgezeichnete militärisch¬
politische Vertrauensstellung in den besetzten Landestheilen Frankreichs einge^
nommer. Sein nationaler Standpunkt, der niemals verdächtig war, ist da¬
durch sicherlich noch mehr befestigt worden.

Noch in andrer Beziehung hat Herr von Fabriee den parlamentarischen
Nothwendigkeiten sich allmcihlig anbequemen gelernt. Beim vorigen Landtag
nahm er es sehr übel, als einmal in der Form einer Jnterpellation vom Abg.
Biedermann auf gewisse Mißstände im Militär nur ganz von fern und mit durch¬
aus correcter sächsischer Höflichkeit hingedeutet ward; neuerdings scheute er sich


Steuervorlagen bezeugt. Eigentlich politische Parteifarben zu zeigen, hat er
in seiner jetzigen Stellung weniger Veranlassung. Solche, die ihn als Minister
des Innern in der Uebergangszeit von den Bewegungsjahren 1848/49 zu der
Reaction von 1860/51 gekannt haben, rühmen von ihm, daß er selbst damals
freieren Ideen zugänglich gewesen, auch hielt er nicht lange in jener Stellung
aus, sondern trat aus dem Beust'schen Cabinet, als dieses Miene machte,
Oesterreich zu Liebe ebenso den Zollverein zu sprengen, wie es schon die
preußisch-deutsche Union gesprengt hatte. Erst viele Jahre später trat er als
Finanzminister wieder ein. Der einzige von den jetzigen Ministern, der noch
solidarisch für den Staatsstreich von 1850 mit haftet, hat er es neuerdings
aufgegeben. diese „rettende That" Beust's zu vertheidigen, höchstens sucht er
sie noch zu entschuldigen.

Der Kriegs- und der Justizminister sind größentheils nur noch Minister
in xartidns. Des Ersteren Stellung gegenüber den Kammern ist eine ganz
eigenthümliche. Mit seinem Budget an das Reich gewiesen, ist er gleichwohl,
da Sachsen nun einmal noch ein eignes Contingent und insofern eine geson¬
derte Heeresverwaltung hat, für diese den Kammern verantwortlich, nur weiß
Niemand recht zu sagen, wo diese Verantwortlichkeit anfängt und aufhört.
Das zeigte sich in der berufenen „Pleißenburg-Frage", wo Herr von Fabriee
anfangs nicht übel Lust zu haben schien, jedes Redestehen vor dem Landtage
als durch sein Verhältniß zum Reich ausgeschlossen zu betrachten. Indeß ließ
er sich doch noch dazu herbei, und seine anfängliche Schroffheit in Behandlung
dieser Sache schmolz einigermaßen in der wärmeren Temperatur, welche die
Debatte darüber in der II. Kammer annahm. Im Grunde meinte er es über¬
haupt so bös nicht: man hatte sich eben nur von beiden Seiten, wie das zu
gehen pflegt, „verrannt;" von beiden Seiten waren Fehler begangen worden,
hier im Handeln, dort im Unterlassen. Ehrenwerth war es jedenfalls, daß
Herr von Fabriee selbst (so wenigstens ward uns berichtet) die gesundheitliche
Untersuchung der Pleißenburg von Reichswegen veranlaßte, die der Reichstag
beantragt, die Reichsgewalt aber aus Rücksichten für Sachsen, vielleicht auch
für Herrn von Fabriee persönlich, anzuordnen gezögert hatte. Herr von Fabriee
hat 1870/71. wie bekannt, eine hervorragende und ausgezeichnete militärisch¬
politische Vertrauensstellung in den besetzten Landestheilen Frankreichs einge^
nommer. Sein nationaler Standpunkt, der niemals verdächtig war, ist da¬
durch sicherlich noch mehr befestigt worden.

Noch in andrer Beziehung hat Herr von Fabriee den parlamentarischen
Nothwendigkeiten sich allmcihlig anbequemen gelernt. Beim vorigen Landtag
nahm er es sehr übel, als einmal in der Form einer Jnterpellation vom Abg.
Biedermann auf gewisse Mißstände im Militär nur ganz von fern und mit durch¬
aus correcter sächsischer Höflichkeit hingedeutet ward; neuerdings scheute er sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/278>, abgerufen am 24.08.2024.