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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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von Sect benutzt werden, der mit 3 Francs per Flasche verkauft werden sollte.
Lillorv Ltzo ist ein voller, herber, angenehm schmeckender Wein von dun¬
kelgelber Farbe, von dem man gewöhnlich, aber irrthümlich annimmt, daß er
auf dem Gute Sillery erzeugt werde, wo im vorigen Jahrhundert ein Mar¬
quis dieses Namens, nachdem er von Dom Perignon das Geheimniß der Be¬
reitung von Schaumwein erfahren, Champagnerfabrikant für eigne Rechnung
wurde, wo einige Jahre nachher die Marschallin d'Estre'es die Aufsicht über
die Produktion des berühmten herben Sillery führte und ein ausgedehntes
Geschäft als Weinhändlerin trieb, und wo die langweilige und pedantische
Frau von Genlis, die Gouvernante der orlecmistischen Prinzen, wie sie sagt,
die glücklichsten'Tage ihres Lebens verbrachte.

Von Mailly nach Sillery müssen wir unsern Weg über den Berg fort¬
setzen, und wie wir das von Gästen überfüllte Cabaret am Ende des Dorfes
Passiren, schallt uns, von Gläserklingen begleitet, das wohlbekannte Winzer-
liedchen entgegen:


"Venäangeons, et vive ig, ?ra.nos!
I,e inonälz un i'our s,pee nous trinouöi'a,."

Die Straße fällt hinter Mailly steil ab, indem sie sich um den Berg
schlängelt, der bis hinauf zu dem dunkeln Gürtel von Bäumen auf seinem
Gipfel mit Neben bepflanzt ist. Allenthalben sind auf dieser Seite die Winzer
emsig bei der Arbeit. Lange Karren mit Trauben beladen, verstopfen die
engen Hohlwege. Esel mit Körben behängen, plagen sich die steileren Ab¬
hänge hinauf und hinunter. Auf halber Höhe des Bergsattels liegt an einem
dichten Walde und einem Steinbruch das Dorf Verzennay. Seine weißen Häuser
sind mit Schiefer gedeckt, ausgenommen das Pressoir der Herren Most und
Chandon, ein großes Haus mit hellrothen Ziegeldach, welches ringsum von
Weinstöcken umgeben ist. Hier arbeiten nicht weniger als sieben Keltermaschi¬
nen; denn diese Firma besitzt auf den benachbarten Abhängen 120 Acker Reb¬
laub. Cltcquot, Roederer und andere bekannte Häuser haben in Verzennay
gleichfalls ihre Pressen und machen eine beträchtliche Quantität vin brüt.
Roederer hat indeß hier nur 26 Acker Weinland und hängt in Betreff seiner
Trauben hauptsächlich von den kleineren Weinbauern ab.

Zu Verzennay wurde uns dieselbe Geschichte erzählt, die wir früher gehört
hatten, nämlich, daß es unmöglich sei, guten Champagner ohne Beimischung
eines gewissen Antheils von vin Wut aus diesem besonderen District zu be"
reiten, da diese Zuthat wesentlich sei, um dem Schaumweine die nöthige
Blume zu verleihen. Die Weine von Mailly, Verzennay und Verzy haben
dieses Jahr alle denselben Preis, 800 Francs das Stück, während die ordi¬
nären Weine von Ludis und Rilly, westlich von Mailly, wie alle andern
untergeordneten crus einen willigen Markt zu hohen Preisen gefunden haben.


von Sect benutzt werden, der mit 3 Francs per Flasche verkauft werden sollte.
Lillorv Ltzo ist ein voller, herber, angenehm schmeckender Wein von dun¬
kelgelber Farbe, von dem man gewöhnlich, aber irrthümlich annimmt, daß er
auf dem Gute Sillery erzeugt werde, wo im vorigen Jahrhundert ein Mar¬
quis dieses Namens, nachdem er von Dom Perignon das Geheimniß der Be¬
reitung von Schaumwein erfahren, Champagnerfabrikant für eigne Rechnung
wurde, wo einige Jahre nachher die Marschallin d'Estre'es die Aufsicht über
die Produktion des berühmten herben Sillery führte und ein ausgedehntes
Geschäft als Weinhändlerin trieb, und wo die langweilige und pedantische
Frau von Genlis, die Gouvernante der orlecmistischen Prinzen, wie sie sagt,
die glücklichsten'Tage ihres Lebens verbrachte.

Von Mailly nach Sillery müssen wir unsern Weg über den Berg fort¬
setzen, und wie wir das von Gästen überfüllte Cabaret am Ende des Dorfes
Passiren, schallt uns, von Gläserklingen begleitet, das wohlbekannte Winzer-
liedchen entgegen:


„Venäangeons, et vive ig, ?ra.nos!
I,e inonälz un i'our s,pee nous trinouöi'a,."

Die Straße fällt hinter Mailly steil ab, indem sie sich um den Berg
schlängelt, der bis hinauf zu dem dunkeln Gürtel von Bäumen auf seinem
Gipfel mit Neben bepflanzt ist. Allenthalben sind auf dieser Seite die Winzer
emsig bei der Arbeit. Lange Karren mit Trauben beladen, verstopfen die
engen Hohlwege. Esel mit Körben behängen, plagen sich die steileren Ab¬
hänge hinauf und hinunter. Auf halber Höhe des Bergsattels liegt an einem
dichten Walde und einem Steinbruch das Dorf Verzennay. Seine weißen Häuser
sind mit Schiefer gedeckt, ausgenommen das Pressoir der Herren Most und
Chandon, ein großes Haus mit hellrothen Ziegeldach, welches ringsum von
Weinstöcken umgeben ist. Hier arbeiten nicht weniger als sieben Keltermaschi¬
nen; denn diese Firma besitzt auf den benachbarten Abhängen 120 Acker Reb¬
laub. Cltcquot, Roederer und andere bekannte Häuser haben in Verzennay
gleichfalls ihre Pressen und machen eine beträchtliche Quantität vin brüt.
Roederer hat indeß hier nur 26 Acker Weinland und hängt in Betreff seiner
Trauben hauptsächlich von den kleineren Weinbauern ab.

Zu Verzennay wurde uns dieselbe Geschichte erzählt, die wir früher gehört
hatten, nämlich, daß es unmöglich sei, guten Champagner ohne Beimischung
eines gewissen Antheils von vin Wut aus diesem besonderen District zu be»
reiten, da diese Zuthat wesentlich sei, um dem Schaumweine die nöthige
Blume zu verleihen. Die Weine von Mailly, Verzennay und Verzy haben
dieses Jahr alle denselben Preis, 800 Francs das Stück, während die ordi¬
nären Weine von Ludis und Rilly, westlich von Mailly, wie alle andern
untergeordneten crus einen willigen Markt zu hohen Preisen gefunden haben.


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[0269] von Sect benutzt werden, der mit 3 Francs per Flasche verkauft werden sollte. Lillorv Ltzo ist ein voller, herber, angenehm schmeckender Wein von dun¬ kelgelber Farbe, von dem man gewöhnlich, aber irrthümlich annimmt, daß er auf dem Gute Sillery erzeugt werde, wo im vorigen Jahrhundert ein Mar¬ quis dieses Namens, nachdem er von Dom Perignon das Geheimniß der Be¬ reitung von Schaumwein erfahren, Champagnerfabrikant für eigne Rechnung wurde, wo einige Jahre nachher die Marschallin d'Estre'es die Aufsicht über die Produktion des berühmten herben Sillery führte und ein ausgedehntes Geschäft als Weinhändlerin trieb, und wo die langweilige und pedantische Frau von Genlis, die Gouvernante der orlecmistischen Prinzen, wie sie sagt, die glücklichsten'Tage ihres Lebens verbrachte. Von Mailly nach Sillery müssen wir unsern Weg über den Berg fort¬ setzen, und wie wir das von Gästen überfüllte Cabaret am Ende des Dorfes Passiren, schallt uns, von Gläserklingen begleitet, das wohlbekannte Winzer- liedchen entgegen: „Venäangeons, et vive ig, ?ra.nos! I,e inonälz un i'our s,pee nous trinouöi'a,." Die Straße fällt hinter Mailly steil ab, indem sie sich um den Berg schlängelt, der bis hinauf zu dem dunkeln Gürtel von Bäumen auf seinem Gipfel mit Neben bepflanzt ist. Allenthalben sind auf dieser Seite die Winzer emsig bei der Arbeit. Lange Karren mit Trauben beladen, verstopfen die engen Hohlwege. Esel mit Körben behängen, plagen sich die steileren Ab¬ hänge hinauf und hinunter. Auf halber Höhe des Bergsattels liegt an einem dichten Walde und einem Steinbruch das Dorf Verzennay. Seine weißen Häuser sind mit Schiefer gedeckt, ausgenommen das Pressoir der Herren Most und Chandon, ein großes Haus mit hellrothen Ziegeldach, welches ringsum von Weinstöcken umgeben ist. Hier arbeiten nicht weniger als sieben Keltermaschi¬ nen; denn diese Firma besitzt auf den benachbarten Abhängen 120 Acker Reb¬ laub. Cltcquot, Roederer und andere bekannte Häuser haben in Verzennay gleichfalls ihre Pressen und machen eine beträchtliche Quantität vin brüt. Roederer hat indeß hier nur 26 Acker Weinland und hängt in Betreff seiner Trauben hauptsächlich von den kleineren Weinbauern ab. Zu Verzennay wurde uns dieselbe Geschichte erzählt, die wir früher gehört hatten, nämlich, daß es unmöglich sei, guten Champagner ohne Beimischung eines gewissen Antheils von vin Wut aus diesem besonderen District zu be» reiten, da diese Zuthat wesentlich sei, um dem Schaumweine die nöthige Blume zu verleihen. Die Weine von Mailly, Verzennay und Verzy haben dieses Jahr alle denselben Preis, 800 Francs das Stück, während die ordi¬ nären Weine von Ludis und Rilly, westlich von Mailly, wie alle andern untergeordneten crus einen willigen Markt zu hohen Preisen gefunden haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/269>, abgerufen am 24.08.2024.