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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Die "Weingärten des Berges" bedecken, wie noch zu bemerken, die ge¬
summten nördlichen Abhänge des Hügelzugs, der auf der Seite von Reims
in östlicher Richtung von Rilly und Ludis, Orten, deren ordinäre Weine in
die dritte Klasse gerechnet werden, Mailly und Verzennay nach Verzy streicht,
Orten, welche zur zweiten Klasse gehören. Auf der Ostseite liefern die hier
an dem Abhang wachsenden Reben keinen Wein von Bedeutung. Dagegen
finden wir auf der südlichen Abdachung den berühmten "xrsmior ern as IZou?^",
neben dem sich der Weinberg von Ambonnay hinzieht, dessen Rebenblut,
wenigstens in Betreff der Champagner-Fabrikation dem seines Nachbars
kaum nachsteht.

"Auf unserm Wege nach Bouzy", so erzählt unser Gewährsmann, "gehen
wir hinter Avenay an der Eisenbahn von Reims nach Epernay auf einer
hügeligen Straße hin, welche gelegentlich große behäbig aussehende Bauern¬
höfe streift, wo der klappernde Dreschflegel schon dabei ist, das neulich ge-
erntete Getreide auszudreschen, um es so schnell wie möglich zu Markte zu
bringen, da die Ebenen der Champagne dieses Jahr von einer ungeheuren
Zahl von Feldmäusen überlaufen sind. Neben der Straße sehen wir von
Zeit zu Zeit verfaulende Kreuze, vor denen beiläufig der französische Bauer
selbst in der Bretagne schon lange nicht mehr betet. Hier und da sieht man
in der Tiefe umgeben von Bäumen ein Dorf liegen, während die Höhen hinauf
in allen Richtungen Reben und immer wieder Neben klettern, bis oben ein
dunkler Hintergrund von Waldbäumen ist, von dem sich bisweilen eine ein¬
same Windmühle abhebt. Nicht lange, so tauchten wir in offnes Ackerland
hinaus, auf dem wir hart neben der Straße Volk auf Volk von Rebhühnern
erblickten, die zwischen den kurzen Stoppeln wie Kücken herumtrippelten. Das
Geklapper der Hufe unsrer Pferde und das Geräusch der Räder unsres Wagens
störten sie durchaus nicht in ihrer Seelenruhe. In Folge der Occupation
durch die Deutschen ist die Jagd nun schon drei Saisons hintereinander im
Departement der Marne suspendirt gewesen, und inzwischen haben die Vögel
sich vermehrt, bis buchstäblich "touMrs xercirix" und die Hühner so massen¬
haft in den Ebenen der Champagne waren wie die Heidelberen auf einer
englischen Haide. Da wir auf unserer ganzen Fahrt, die einen vollen Tag
in Anspruch nahm, nicht ein einziges Mal einen Gensdarmen oder Feldhüter
begegneten, so ist es nur die eigne Schuld des Bewohners der Champagne,
wenn er nicht mitunter seine monotone "souxs s,ux edoux" mit einem derben
jungen Rebhühnchen abwechseln läßt.

Bouzy, welches am Fuße der rebenbekleideten Abhänge liegt, die sich
nach Ambonnay hinziehen, hat gleich den übrigen Dörfern der weinbauenden
Gegenden Frankreichs ein ungewöhnlich wohlhäbiges Aussehen. Die Wein¬
lese ging eben zu Ende, und bei der Presse der Firma Clicquot standen gegen


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Die „Weingärten des Berges" bedecken, wie noch zu bemerken, die ge¬
summten nördlichen Abhänge des Hügelzugs, der auf der Seite von Reims
in östlicher Richtung von Rilly und Ludis, Orten, deren ordinäre Weine in
die dritte Klasse gerechnet werden, Mailly und Verzennay nach Verzy streicht,
Orten, welche zur zweiten Klasse gehören. Auf der Ostseite liefern die hier
an dem Abhang wachsenden Reben keinen Wein von Bedeutung. Dagegen
finden wir auf der südlichen Abdachung den berühmten „xrsmior ern as IZou?^",
neben dem sich der Weinberg von Ambonnay hinzieht, dessen Rebenblut,
wenigstens in Betreff der Champagner-Fabrikation dem seines Nachbars
kaum nachsteht.

„Auf unserm Wege nach Bouzy", so erzählt unser Gewährsmann, „gehen
wir hinter Avenay an der Eisenbahn von Reims nach Epernay auf einer
hügeligen Straße hin, welche gelegentlich große behäbig aussehende Bauern¬
höfe streift, wo der klappernde Dreschflegel schon dabei ist, das neulich ge-
erntete Getreide auszudreschen, um es so schnell wie möglich zu Markte zu
bringen, da die Ebenen der Champagne dieses Jahr von einer ungeheuren
Zahl von Feldmäusen überlaufen sind. Neben der Straße sehen wir von
Zeit zu Zeit verfaulende Kreuze, vor denen beiläufig der französische Bauer
selbst in der Bretagne schon lange nicht mehr betet. Hier und da sieht man
in der Tiefe umgeben von Bäumen ein Dorf liegen, während die Höhen hinauf
in allen Richtungen Reben und immer wieder Neben klettern, bis oben ein
dunkler Hintergrund von Waldbäumen ist, von dem sich bisweilen eine ein¬
same Windmühle abhebt. Nicht lange, so tauchten wir in offnes Ackerland
hinaus, auf dem wir hart neben der Straße Volk auf Volk von Rebhühnern
erblickten, die zwischen den kurzen Stoppeln wie Kücken herumtrippelten. Das
Geklapper der Hufe unsrer Pferde und das Geräusch der Räder unsres Wagens
störten sie durchaus nicht in ihrer Seelenruhe. In Folge der Occupation
durch die Deutschen ist die Jagd nun schon drei Saisons hintereinander im
Departement der Marne suspendirt gewesen, und inzwischen haben die Vögel
sich vermehrt, bis buchstäblich „touMrs xercirix" und die Hühner so massen¬
haft in den Ebenen der Champagne waren wie die Heidelberen auf einer
englischen Haide. Da wir auf unserer ganzen Fahrt, die einen vollen Tag
in Anspruch nahm, nicht ein einziges Mal einen Gensdarmen oder Feldhüter
begegneten, so ist es nur die eigne Schuld des Bewohners der Champagne,
wenn er nicht mitunter seine monotone „souxs s,ux edoux" mit einem derben
jungen Rebhühnchen abwechseln läßt.

Bouzy, welches am Fuße der rebenbekleideten Abhänge liegt, die sich
nach Ambonnay hinziehen, hat gleich den übrigen Dörfern der weinbauenden
Gegenden Frankreichs ein ungewöhnlich wohlhäbiges Aussehen. Die Wein¬
lese ging eben zu Ende, und bei der Presse der Firma Clicquot standen gegen


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[0265] Die „Weingärten des Berges" bedecken, wie noch zu bemerken, die ge¬ summten nördlichen Abhänge des Hügelzugs, der auf der Seite von Reims in östlicher Richtung von Rilly und Ludis, Orten, deren ordinäre Weine in die dritte Klasse gerechnet werden, Mailly und Verzennay nach Verzy streicht, Orten, welche zur zweiten Klasse gehören. Auf der Ostseite liefern die hier an dem Abhang wachsenden Reben keinen Wein von Bedeutung. Dagegen finden wir auf der südlichen Abdachung den berühmten „xrsmior ern as IZou?^", neben dem sich der Weinberg von Ambonnay hinzieht, dessen Rebenblut, wenigstens in Betreff der Champagner-Fabrikation dem seines Nachbars kaum nachsteht. „Auf unserm Wege nach Bouzy", so erzählt unser Gewährsmann, „gehen wir hinter Avenay an der Eisenbahn von Reims nach Epernay auf einer hügeligen Straße hin, welche gelegentlich große behäbig aussehende Bauern¬ höfe streift, wo der klappernde Dreschflegel schon dabei ist, das neulich ge- erntete Getreide auszudreschen, um es so schnell wie möglich zu Markte zu bringen, da die Ebenen der Champagne dieses Jahr von einer ungeheuren Zahl von Feldmäusen überlaufen sind. Neben der Straße sehen wir von Zeit zu Zeit verfaulende Kreuze, vor denen beiläufig der französische Bauer selbst in der Bretagne schon lange nicht mehr betet. Hier und da sieht man in der Tiefe umgeben von Bäumen ein Dorf liegen, während die Höhen hinauf in allen Richtungen Reben und immer wieder Neben klettern, bis oben ein dunkler Hintergrund von Waldbäumen ist, von dem sich bisweilen eine ein¬ same Windmühle abhebt. Nicht lange, so tauchten wir in offnes Ackerland hinaus, auf dem wir hart neben der Straße Volk auf Volk von Rebhühnern erblickten, die zwischen den kurzen Stoppeln wie Kücken herumtrippelten. Das Geklapper der Hufe unsrer Pferde und das Geräusch der Räder unsres Wagens störten sie durchaus nicht in ihrer Seelenruhe. In Folge der Occupation durch die Deutschen ist die Jagd nun schon drei Saisons hintereinander im Departement der Marne suspendirt gewesen, und inzwischen haben die Vögel sich vermehrt, bis buchstäblich „touMrs xercirix" und die Hühner so massen¬ haft in den Ebenen der Champagne waren wie die Heidelberen auf einer englischen Haide. Da wir auf unserer ganzen Fahrt, die einen vollen Tag in Anspruch nahm, nicht ein einziges Mal einen Gensdarmen oder Feldhüter begegneten, so ist es nur die eigne Schuld des Bewohners der Champagne, wenn er nicht mitunter seine monotone „souxs s,ux edoux" mit einem derben jungen Rebhühnchen abwechseln läßt. Bouzy, welches am Fuße der rebenbekleideten Abhänge liegt, die sich nach Ambonnay hinziehen, hat gleich den übrigen Dörfern der weinbauenden Gegenden Frankreichs ein ungewöhnlich wohlhäbiges Aussehen. Die Wein¬ lese ging eben zu Ende, und bei der Presse der Firma Clicquot standen gegen GvenjswKlI l, 187-;. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/265>, abgerufen am 24.08.2024.