Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Weinlese in der Champagne nimmt gewöhnlich vierzehn Tage in
Anspruch. Vergangenes Jahr jedoch dehnte sie sich an mehreren Stellen -- in Ap
z. B. -- infolge des späten Reifens der Trauben und der für die Einsamm-
lung ungünstigen Witterung länger als einen Monat aus und schloß erst
gegen das Ende des Octobers. Die Ernte war, was die Menge betrifft, sehr
unbefriedigend, da sie kaum die Hälfte eines Mittelertrages in die Pressen
lieferte. Die Qualität dagegen soll vortrefflich sein. So werden die Weiner¬
zeuger nicht leiden. Der beste ,,vin brüt" (Most), aus welchem der Cham¬
pagner gemacht wird, kostet gewöhnlich vier bis fünfhundert Francs die "riech"
von 200 Litres. Dieses Jahr aber ist er von den großen Champagnersirmen
bereitwillig mit acht bis neunhundert Francs bezahlt worden. So sollte man
ein entsprechendes Steigen im Preise des fabrikmäßig behandelten Artikels --
und der Champagner wird jetzt in einer Weise behandelt, daß man seine Her¬
stellung schier zu den schönen Künsten zählen kann -- zu fürchten haben.
Aber die Consumenten des "vin, mousLoux par exekllönek" mögen sich trösten.
Kein solches Steigen ist in Epernay und Reims in Aussicht genommen. Die
dortigen Häuser haben sich vielmehr entschlossen, es bei den mäßig hinaufge¬
gangenen Preisen des letzten Jahres zu belassen.

Der Champagner -- diese Bemerkung gilt ebenso von den feinsten wie
Von den geringsten Marken -- ist niemals, wie man häusig glaubt, gleich an¬
dern "ZiÄnäs vins" das Product eines bestimmten Weinbergs oder auch nur
einer bestimmten Sorte von Trauben, sondern das Ergebniß einer Mischung
von mehreren Sorten. Und ferner, indem sein Verbrauch mit jedem Jahre
wächst, und die altbekannten Weingegenden von Ap. Bouzy. Ambonnay. Ver-
zennay, Mailly, Verzy, Cramant und Avize, die früher ausschließlich die Trau¬
ben zu den feinen Champagnersorten lieferten, schon lange nicht mehr den
Ansprüchen nachzukommen im Stande sind, welche beide Hemisphären an die
Champagnerhäuser in Reims und Epernay machen, so sind Weinberge unter¬
geordneten Ranges, deren Erzeugnis; früher für ungeeignet zur Herstellung
eines so edlen Getränkes wie Champagnerangesehen wurden, ebenfalls zu Bei¬
trägen an Trauben herangezogen worden, und man ersetzt, was ihnen an Bouquet,
Vinosität und Zuckergehalt abgeht, auf künstlichem Wege. Die Folge davon
ist, daß der hohe Preis, welchen selbst der gemeine Landwein im Hinblick
auf seine Umbildung zu geringem Schaumwein hat, denselben völlig vom Ver¬
brauch an Ort und Stelle ausschließt, und daß die Mittelklasse und der kleine
Mann genöthigt sind, seine Stelle durch die schweren, aber wohlfeilen Weine
des südlichen Frankreich zu ersetzen.

Eine andere Eigenthümlichkeit der Champagne ist, daß im Gegensatz gegen
die andern weinproducirendcn Gegenden Frankreichs, wo der Besitzer selbst des
kleinsten Fleckchens Reblaub seine Trauben selbst keltert, dort nur eine sehr


Die Weinlese in der Champagne nimmt gewöhnlich vierzehn Tage in
Anspruch. Vergangenes Jahr jedoch dehnte sie sich an mehreren Stellen — in Ap
z. B. — infolge des späten Reifens der Trauben und der für die Einsamm-
lung ungünstigen Witterung länger als einen Monat aus und schloß erst
gegen das Ende des Octobers. Die Ernte war, was die Menge betrifft, sehr
unbefriedigend, da sie kaum die Hälfte eines Mittelertrages in die Pressen
lieferte. Die Qualität dagegen soll vortrefflich sein. So werden die Weiner¬
zeuger nicht leiden. Der beste ,,vin brüt" (Most), aus welchem der Cham¬
pagner gemacht wird, kostet gewöhnlich vier bis fünfhundert Francs die „riech"
von 200 Litres. Dieses Jahr aber ist er von den großen Champagnersirmen
bereitwillig mit acht bis neunhundert Francs bezahlt worden. So sollte man
ein entsprechendes Steigen im Preise des fabrikmäßig behandelten Artikels —
und der Champagner wird jetzt in einer Weise behandelt, daß man seine Her¬
stellung schier zu den schönen Künsten zählen kann — zu fürchten haben.
Aber die Consumenten des „vin, mousLoux par exekllönek" mögen sich trösten.
Kein solches Steigen ist in Epernay und Reims in Aussicht genommen. Die
dortigen Häuser haben sich vielmehr entschlossen, es bei den mäßig hinaufge¬
gangenen Preisen des letzten Jahres zu belassen.

Der Champagner — diese Bemerkung gilt ebenso von den feinsten wie
Von den geringsten Marken — ist niemals, wie man häusig glaubt, gleich an¬
dern „ZiÄnäs vins" das Product eines bestimmten Weinbergs oder auch nur
einer bestimmten Sorte von Trauben, sondern das Ergebniß einer Mischung
von mehreren Sorten. Und ferner, indem sein Verbrauch mit jedem Jahre
wächst, und die altbekannten Weingegenden von Ap. Bouzy. Ambonnay. Ver-
zennay, Mailly, Verzy, Cramant und Avize, die früher ausschließlich die Trau¬
ben zu den feinen Champagnersorten lieferten, schon lange nicht mehr den
Ansprüchen nachzukommen im Stande sind, welche beide Hemisphären an die
Champagnerhäuser in Reims und Epernay machen, so sind Weinberge unter¬
geordneten Ranges, deren Erzeugnis; früher für ungeeignet zur Herstellung
eines so edlen Getränkes wie Champagnerangesehen wurden, ebenfalls zu Bei¬
trägen an Trauben herangezogen worden, und man ersetzt, was ihnen an Bouquet,
Vinosität und Zuckergehalt abgeht, auf künstlichem Wege. Die Folge davon
ist, daß der hohe Preis, welchen selbst der gemeine Landwein im Hinblick
auf seine Umbildung zu geringem Schaumwein hat, denselben völlig vom Ver¬
brauch an Ort und Stelle ausschließt, und daß die Mittelklasse und der kleine
Mann genöthigt sind, seine Stelle durch die schweren, aber wohlfeilen Weine
des südlichen Frankreich zu ersetzen.

Eine andere Eigenthümlichkeit der Champagne ist, daß im Gegensatz gegen
die andern weinproducirendcn Gegenden Frankreichs, wo der Besitzer selbst des
kleinsten Fleckchens Reblaub seine Trauben selbst keltert, dort nur eine sehr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129252"/>
            <p xml:id="ID_816"> Die Weinlese in der Champagne nimmt gewöhnlich vierzehn Tage in<lb/>
Anspruch. Vergangenes Jahr jedoch dehnte sie sich an mehreren Stellen &#x2014; in Ap<lb/>
z. B. &#x2014; infolge des späten Reifens der Trauben und der für die Einsamm-<lb/>
lung ungünstigen Witterung länger als einen Monat aus und schloß erst<lb/>
gegen das Ende des Octobers. Die Ernte war, was die Menge betrifft, sehr<lb/>
unbefriedigend, da sie kaum die Hälfte eines Mittelertrages in die Pressen<lb/>
lieferte. Die Qualität dagegen soll vortrefflich sein. So werden die Weiner¬<lb/>
zeuger nicht leiden. Der beste ,,vin brüt" (Most), aus welchem der Cham¬<lb/>
pagner gemacht wird, kostet gewöhnlich vier bis fünfhundert Francs die &#x201E;riech"<lb/>
von 200 Litres. Dieses Jahr aber ist er von den großen Champagnersirmen<lb/>
bereitwillig mit acht bis neunhundert Francs bezahlt worden. So sollte man<lb/>
ein entsprechendes Steigen im Preise des fabrikmäßig behandelten Artikels &#x2014;<lb/>
und der Champagner wird jetzt in einer Weise behandelt, daß man seine Her¬<lb/>
stellung schier zu den schönen Künsten zählen kann &#x2014; zu fürchten haben.<lb/>
Aber die Consumenten des &#x201E;vin, mousLoux par exekllönek" mögen sich trösten.<lb/>
Kein solches Steigen ist in Epernay und Reims in Aussicht genommen. Die<lb/>
dortigen Häuser haben sich vielmehr entschlossen, es bei den mäßig hinaufge¬<lb/>
gangenen Preisen des letzten Jahres zu belassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_817"> Der Champagner &#x2014; diese Bemerkung gilt ebenso von den feinsten wie<lb/>
Von den geringsten Marken &#x2014; ist niemals, wie man häusig glaubt, gleich an¬<lb/>
dern &#x201E;ZiÄnäs vins" das Product eines bestimmten Weinbergs oder auch nur<lb/>
einer bestimmten Sorte von Trauben, sondern das Ergebniß einer Mischung<lb/>
von mehreren Sorten. Und ferner, indem sein Verbrauch mit jedem Jahre<lb/>
wächst, und die altbekannten Weingegenden von Ap. Bouzy. Ambonnay. Ver-<lb/>
zennay, Mailly, Verzy, Cramant und Avize, die früher ausschließlich die Trau¬<lb/>
ben zu den feinen Champagnersorten lieferten, schon lange nicht mehr den<lb/>
Ansprüchen nachzukommen im Stande sind, welche beide Hemisphären an die<lb/>
Champagnerhäuser in Reims und Epernay machen, so sind Weinberge unter¬<lb/>
geordneten Ranges, deren Erzeugnis; früher für ungeeignet zur Herstellung<lb/>
eines so edlen Getränkes wie Champagnerangesehen wurden, ebenfalls zu Bei¬<lb/>
trägen an Trauben herangezogen worden, und man ersetzt, was ihnen an Bouquet,<lb/>
Vinosität und Zuckergehalt abgeht, auf künstlichem Wege. Die Folge davon<lb/>
ist, daß der hohe Preis, welchen selbst der gemeine Landwein im Hinblick<lb/>
auf seine Umbildung zu geringem Schaumwein hat, denselben völlig vom Ver¬<lb/>
brauch an Ort und Stelle ausschließt, und daß die Mittelklasse und der kleine<lb/>
Mann genöthigt sind, seine Stelle durch die schweren, aber wohlfeilen Weine<lb/>
des südlichen Frankreich zu ersetzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_818" next="#ID_819"> Eine andere Eigenthümlichkeit der Champagne ist, daß im Gegensatz gegen<lb/>
die andern weinproducirendcn Gegenden Frankreichs, wo der Besitzer selbst des<lb/>
kleinsten Fleckchens Reblaub seine Trauben selbst keltert, dort nur eine sehr</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] Die Weinlese in der Champagne nimmt gewöhnlich vierzehn Tage in Anspruch. Vergangenes Jahr jedoch dehnte sie sich an mehreren Stellen — in Ap z. B. — infolge des späten Reifens der Trauben und der für die Einsamm- lung ungünstigen Witterung länger als einen Monat aus und schloß erst gegen das Ende des Octobers. Die Ernte war, was die Menge betrifft, sehr unbefriedigend, da sie kaum die Hälfte eines Mittelertrages in die Pressen lieferte. Die Qualität dagegen soll vortrefflich sein. So werden die Weiner¬ zeuger nicht leiden. Der beste ,,vin brüt" (Most), aus welchem der Cham¬ pagner gemacht wird, kostet gewöhnlich vier bis fünfhundert Francs die „riech" von 200 Litres. Dieses Jahr aber ist er von den großen Champagnersirmen bereitwillig mit acht bis neunhundert Francs bezahlt worden. So sollte man ein entsprechendes Steigen im Preise des fabrikmäßig behandelten Artikels — und der Champagner wird jetzt in einer Weise behandelt, daß man seine Her¬ stellung schier zu den schönen Künsten zählen kann — zu fürchten haben. Aber die Consumenten des „vin, mousLoux par exekllönek" mögen sich trösten. Kein solches Steigen ist in Epernay und Reims in Aussicht genommen. Die dortigen Häuser haben sich vielmehr entschlossen, es bei den mäßig hinaufge¬ gangenen Preisen des letzten Jahres zu belassen. Der Champagner — diese Bemerkung gilt ebenso von den feinsten wie Von den geringsten Marken — ist niemals, wie man häusig glaubt, gleich an¬ dern „ZiÄnäs vins" das Product eines bestimmten Weinbergs oder auch nur einer bestimmten Sorte von Trauben, sondern das Ergebniß einer Mischung von mehreren Sorten. Und ferner, indem sein Verbrauch mit jedem Jahre wächst, und die altbekannten Weingegenden von Ap. Bouzy. Ambonnay. Ver- zennay, Mailly, Verzy, Cramant und Avize, die früher ausschließlich die Trau¬ ben zu den feinen Champagnersorten lieferten, schon lange nicht mehr den Ansprüchen nachzukommen im Stande sind, welche beide Hemisphären an die Champagnerhäuser in Reims und Epernay machen, so sind Weinberge unter¬ geordneten Ranges, deren Erzeugnis; früher für ungeeignet zur Herstellung eines so edlen Getränkes wie Champagnerangesehen wurden, ebenfalls zu Bei¬ trägen an Trauben herangezogen worden, und man ersetzt, was ihnen an Bouquet, Vinosität und Zuckergehalt abgeht, auf künstlichem Wege. Die Folge davon ist, daß der hohe Preis, welchen selbst der gemeine Landwein im Hinblick auf seine Umbildung zu geringem Schaumwein hat, denselben völlig vom Ver¬ brauch an Ort und Stelle ausschließt, und daß die Mittelklasse und der kleine Mann genöthigt sind, seine Stelle durch die schweren, aber wohlfeilen Weine des südlichen Frankreich zu ersetzen. Eine andere Eigenthümlichkeit der Champagne ist, daß im Gegensatz gegen die andern weinproducirendcn Gegenden Frankreichs, wo der Besitzer selbst des kleinsten Fleckchens Reblaub seine Trauben selbst keltert, dort nur eine sehr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/260>, abgerufen am 02.10.2024.