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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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deutschen und dann im deutschen Reichstage war dieser groß angelegte Poli¬
tiker erst an seinem rechten Platze.

Aber welchen Platz sollte er innerhall) dieser verschiedenen Körperschaften ein¬
nehmen? Seine alten demokratischen Collegen vom Ausschuß des National¬
vereins: Schulze-Delitzsch, Löwe, Hoverbeck und Dunkerscheinen alles Ernstes
erwartet zu haben, er werde dem Zusammenhang mit ihnen den Vorzug
geben vor der Seite, auf welche Forckenbeck und Unruh sich stellten. Seine
frühere Connivenz gegen populäre Strömungen, als er selbst von diesen noch
ganz abhängig war, noch gar keinen Halt für seine Bestrebungen in Regie¬
rungssphären sah, hat sie über seine wahre Natur als politischer Mann ge¬
täuscht. Sie übersahen den mächtigen positiven Zug in ihm und nahmen
wohl gar für einen aristokratisch-konservativen Rückfall, was doch nur der
Durchbruch seines wirklichen staatsmännischen Wesens war. Später sind auch
Metz und Volk und Hölder dieselbe Bahn wie Bennigsen ins nationalliberale
Lager gegangen, mit ihm schon Miqu6l und Braun; aber da er der Erste
war, die Hoffnungen der Fortschrittspartei zu täuschen, so warf sich ihr Zorn
hauptsächlich auf ihn und verfolgt ihn gelegentlich noch heute.

Bennigsen's Rolle in den parlamentarischen Körperschaften zu
Berlin ist bekannt genug. Er drängt sich nicht in den Vordergrund;
aber es gibt gewisse Aufgaben von so zu sagen besonders feierlicher Art,
welche ihm seine Partei sowohl wie das übrige Haus, soweit es jeweils in
der Sache einverstanden ist, gern vor allen Anderen anvertraut. Dahin ge¬
hört die Berichterstattung über Adressen zur Beantwortung von Thronreden,
die Einbringung wichtiger politischer Anträge, über welche sich mehrere Frac-
tionen geeinigt haben, die Stellung solcher Interpellationen an den Reichskanz¬
ler-Ministerpräsidenten wie z. B. im Jahre 1867 derjenigen über Luxemburg,
-- kurz das Auftreten in großen Hauptfragen, bei deren Behandlung es sich
vorzugsweise um staatsmännisches Urtheil, zuverlässigen Tact und würdige
Beredsamkeit handelt. In der nationalliberalen Fraction ferner theilt
er mit Forckenbeck die Ehre, als das eigentliche Haupt betrachtet zu werden,
-- beide einander darin gleich, daß sie sich von der Oeffentlichkeit weit mehr
zurückhalten, als die schlagfertigen Debatten der Partei: Laster, Miquel, Braun
u, f. f.

Neben der parlamentarischen Thätigkeit hat sich für Bennigsen übrigens
seit dem Umschwung in Hannover noch eine andere eröffnet, die er zum Segen
seines Heimatlandes ausfüllt. Nachdem es vornehmlich seinen Bemühungen
gelungen war, der Provinz einen ausgiebigen Provinzialfonds mit selbststän¬
diger Verwaltung zu verschaffen, berief das Vertrauen seiner Landsleute ihn
selbst an die Spitze der letzteren als Landesdirector. In dieser Stellung
verschafft er dem dünnbevölkerten ehemaligen Welfenreiche vor allem die


deutschen und dann im deutschen Reichstage war dieser groß angelegte Poli¬
tiker erst an seinem rechten Platze.

Aber welchen Platz sollte er innerhall) dieser verschiedenen Körperschaften ein¬
nehmen? Seine alten demokratischen Collegen vom Ausschuß des National¬
vereins: Schulze-Delitzsch, Löwe, Hoverbeck und Dunkerscheinen alles Ernstes
erwartet zu haben, er werde dem Zusammenhang mit ihnen den Vorzug
geben vor der Seite, auf welche Forckenbeck und Unruh sich stellten. Seine
frühere Connivenz gegen populäre Strömungen, als er selbst von diesen noch
ganz abhängig war, noch gar keinen Halt für seine Bestrebungen in Regie¬
rungssphären sah, hat sie über seine wahre Natur als politischer Mann ge¬
täuscht. Sie übersahen den mächtigen positiven Zug in ihm und nahmen
wohl gar für einen aristokratisch-konservativen Rückfall, was doch nur der
Durchbruch seines wirklichen staatsmännischen Wesens war. Später sind auch
Metz und Volk und Hölder dieselbe Bahn wie Bennigsen ins nationalliberale
Lager gegangen, mit ihm schon Miqu6l und Braun; aber da er der Erste
war, die Hoffnungen der Fortschrittspartei zu täuschen, so warf sich ihr Zorn
hauptsächlich auf ihn und verfolgt ihn gelegentlich noch heute.

Bennigsen's Rolle in den parlamentarischen Körperschaften zu
Berlin ist bekannt genug. Er drängt sich nicht in den Vordergrund;
aber es gibt gewisse Aufgaben von so zu sagen besonders feierlicher Art,
welche ihm seine Partei sowohl wie das übrige Haus, soweit es jeweils in
der Sache einverstanden ist, gern vor allen Anderen anvertraut. Dahin ge¬
hört die Berichterstattung über Adressen zur Beantwortung von Thronreden,
die Einbringung wichtiger politischer Anträge, über welche sich mehrere Frac-
tionen geeinigt haben, die Stellung solcher Interpellationen an den Reichskanz¬
ler-Ministerpräsidenten wie z. B. im Jahre 1867 derjenigen über Luxemburg,
— kurz das Auftreten in großen Hauptfragen, bei deren Behandlung es sich
vorzugsweise um staatsmännisches Urtheil, zuverlässigen Tact und würdige
Beredsamkeit handelt. In der nationalliberalen Fraction ferner theilt
er mit Forckenbeck die Ehre, als das eigentliche Haupt betrachtet zu werden,
— beide einander darin gleich, daß sie sich von der Oeffentlichkeit weit mehr
zurückhalten, als die schlagfertigen Debatten der Partei: Laster, Miquel, Braun
u, f. f.

Neben der parlamentarischen Thätigkeit hat sich für Bennigsen übrigens
seit dem Umschwung in Hannover noch eine andere eröffnet, die er zum Segen
seines Heimatlandes ausfüllt. Nachdem es vornehmlich seinen Bemühungen
gelungen war, der Provinz einen ausgiebigen Provinzialfonds mit selbststän¬
diger Verwaltung zu verschaffen, berief das Vertrauen seiner Landsleute ihn
selbst an die Spitze der letzteren als Landesdirector. In dieser Stellung
verschafft er dem dünnbevölkerten ehemaligen Welfenreiche vor allem die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/22>, abgerufen am 24.08.2024.