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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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gänge des Perollo'schen Schlosses zu versperren, während Luna selbst nebst
den ihn begleitenden Edelleuten*) mit fliegenden Fahnen durch die Port" Pa¬
lermo in die Stadt einziehen wollte. -- Er führte auch seine Absicht aus und
zog am frühen Morgen des 19. Juli in weißer Rüstung, auf einem präch¬
tigen Schimmel, seine Kugelbüchse vor sich quer über dem Sattel, unter
lautem Geschrei und Trompetenschall in Sciacca ein. Alle Einwohner fuhren
aus dem Schlafe empor und wurden von ahnungsvollem Schrecken ergriffen.
Der Stadthauptmann Federigo Perollo, der Oheim Giacomo's, der einzige
der ganzen Familie, der sich in jenem Augenblicke nicht im Schlosse befand,
hüllte sich bei dem ersten Lärm in einen Fischermantel und floh unbemerkt
nach Mazzara. Die Schöffen (Lriurati) von Sciacca ließen ihr Amt im Stich
und verschwanden gleichfalls aus der Stadt.

Die erste Sorge des Grafen Luna war, die Straßen zwischen dem Schlosse
Perollo's und dem von Statella bewohnten Hause besetzen und versperren zu
lassen, um so die Verbindung zwischen ihnen abzuschneiden und gegenseitigen
Succurs zu hindern. Seine Leute griffen demgemäß zuvörderst die Wohnung
Statella's an. Dieser nebst den Gerichtsbeamten und seinem ganzen Gefolge
schloß sich in den daranstehenden Thurm ein. Die Angreifer plünderten und
verwüsteten sein Haus, verbrannten die Untersuchungs-Proceßacten und wandten
sich dann gegen den Thurm, indem sie von Statella unter lauten Schmähungen
und Drohungen die Uebergabe desselben verlangten. Er aber rief ihnen von
oben zu, sie sollten in ihm die Majestät des Kaisers respectiren, in dessen
Namen er sein Amt ausübe, und forderte zugleich die Schöffen und Bürger
auf, ihm zu helfen. Die Angreifer erbrachen inzwischen die Thür des Thur¬
mes und stürmten die Treppe hinauf, wobei Statella, der ihnen mit ge¬
schwungenem Degen muthig entgegentrat, von einem Steine am Kopf ge¬
troffen, und von dem Anführer der Griechen, Giorgio Comito, in der Brust
durchbohrt, seinen Tod fand. Auch seine Begleiter wurden sämmtlich nieder¬
gehauen. Die Gattin Statella's, die ihn muthig mit ihrem eigenen Leibe zu
schützen suchte, lag, aus mehreren Wunden blutend, zu seinen Füßen. Die
nackten Leichname der Getödteten warf man auf die Straße hinab. Der Graf
ließ hierauf zum Sammeln blasen, um sofort das Schloß Perollo's in seine
Gewalt zu bekommen.

Dieses Schloß, am äußersten Nordende der Stadt gelegen, umfaßte einen
weiten Bezirk, den man "das Quartier der Altstadt" nannte. Der Donjon
oder Hauptthurm erhob sich in der Nähe desjenigen Stadttheiles, welches die
Porte San Niccolo heißt. Ein anderer Thurm befand sich nach Westen



") Amado, Ferranre Lucchesi, Erasmo Loria, Calogero Calandrini, Coka BaSco, Gian
Pietro Jnfontanctta, Pietro Gilibcrto und Cesare Jmbeagna.
Grenzvoten 187S. I. 22

gänge des Perollo'schen Schlosses zu versperren, während Luna selbst nebst
den ihn begleitenden Edelleuten*) mit fliegenden Fahnen durch die Port« Pa¬
lermo in die Stadt einziehen wollte. — Er führte auch seine Absicht aus und
zog am frühen Morgen des 19. Juli in weißer Rüstung, auf einem präch¬
tigen Schimmel, seine Kugelbüchse vor sich quer über dem Sattel, unter
lautem Geschrei und Trompetenschall in Sciacca ein. Alle Einwohner fuhren
aus dem Schlafe empor und wurden von ahnungsvollem Schrecken ergriffen.
Der Stadthauptmann Federigo Perollo, der Oheim Giacomo's, der einzige
der ganzen Familie, der sich in jenem Augenblicke nicht im Schlosse befand,
hüllte sich bei dem ersten Lärm in einen Fischermantel und floh unbemerkt
nach Mazzara. Die Schöffen (Lriurati) von Sciacca ließen ihr Amt im Stich
und verschwanden gleichfalls aus der Stadt.

Die erste Sorge des Grafen Luna war, die Straßen zwischen dem Schlosse
Perollo's und dem von Statella bewohnten Hause besetzen und versperren zu
lassen, um so die Verbindung zwischen ihnen abzuschneiden und gegenseitigen
Succurs zu hindern. Seine Leute griffen demgemäß zuvörderst die Wohnung
Statella's an. Dieser nebst den Gerichtsbeamten und seinem ganzen Gefolge
schloß sich in den daranstehenden Thurm ein. Die Angreifer plünderten und
verwüsteten sein Haus, verbrannten die Untersuchungs-Proceßacten und wandten
sich dann gegen den Thurm, indem sie von Statella unter lauten Schmähungen
und Drohungen die Uebergabe desselben verlangten. Er aber rief ihnen von
oben zu, sie sollten in ihm die Majestät des Kaisers respectiren, in dessen
Namen er sein Amt ausübe, und forderte zugleich die Schöffen und Bürger
auf, ihm zu helfen. Die Angreifer erbrachen inzwischen die Thür des Thur¬
mes und stürmten die Treppe hinauf, wobei Statella, der ihnen mit ge¬
schwungenem Degen muthig entgegentrat, von einem Steine am Kopf ge¬
troffen, und von dem Anführer der Griechen, Giorgio Comito, in der Brust
durchbohrt, seinen Tod fand. Auch seine Begleiter wurden sämmtlich nieder¬
gehauen. Die Gattin Statella's, die ihn muthig mit ihrem eigenen Leibe zu
schützen suchte, lag, aus mehreren Wunden blutend, zu seinen Füßen. Die
nackten Leichname der Getödteten warf man auf die Straße hinab. Der Graf
ließ hierauf zum Sammeln blasen, um sofort das Schloß Perollo's in seine
Gewalt zu bekommen.

Dieses Schloß, am äußersten Nordende der Stadt gelegen, umfaßte einen
weiten Bezirk, den man „das Quartier der Altstadt" nannte. Der Donjon
oder Hauptthurm erhob sich in der Nähe desjenigen Stadttheiles, welches die
Porte San Niccolo heißt. Ein anderer Thurm befand sich nach Westen



") Amado, Ferranre Lucchesi, Erasmo Loria, Calogero Calandrini, Coka BaSco, Gian
Pietro Jnfontanctta, Pietro Gilibcrto und Cesare Jmbeagna.
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[0177] gänge des Perollo'schen Schlosses zu versperren, während Luna selbst nebst den ihn begleitenden Edelleuten*) mit fliegenden Fahnen durch die Port« Pa¬ lermo in die Stadt einziehen wollte. — Er führte auch seine Absicht aus und zog am frühen Morgen des 19. Juli in weißer Rüstung, auf einem präch¬ tigen Schimmel, seine Kugelbüchse vor sich quer über dem Sattel, unter lautem Geschrei und Trompetenschall in Sciacca ein. Alle Einwohner fuhren aus dem Schlafe empor und wurden von ahnungsvollem Schrecken ergriffen. Der Stadthauptmann Federigo Perollo, der Oheim Giacomo's, der einzige der ganzen Familie, der sich in jenem Augenblicke nicht im Schlosse befand, hüllte sich bei dem ersten Lärm in einen Fischermantel und floh unbemerkt nach Mazzara. Die Schöffen (Lriurati) von Sciacca ließen ihr Amt im Stich und verschwanden gleichfalls aus der Stadt. Die erste Sorge des Grafen Luna war, die Straßen zwischen dem Schlosse Perollo's und dem von Statella bewohnten Hause besetzen und versperren zu lassen, um so die Verbindung zwischen ihnen abzuschneiden und gegenseitigen Succurs zu hindern. Seine Leute griffen demgemäß zuvörderst die Wohnung Statella's an. Dieser nebst den Gerichtsbeamten und seinem ganzen Gefolge schloß sich in den daranstehenden Thurm ein. Die Angreifer plünderten und verwüsteten sein Haus, verbrannten die Untersuchungs-Proceßacten und wandten sich dann gegen den Thurm, indem sie von Statella unter lauten Schmähungen und Drohungen die Uebergabe desselben verlangten. Er aber rief ihnen von oben zu, sie sollten in ihm die Majestät des Kaisers respectiren, in dessen Namen er sein Amt ausübe, und forderte zugleich die Schöffen und Bürger auf, ihm zu helfen. Die Angreifer erbrachen inzwischen die Thür des Thur¬ mes und stürmten die Treppe hinauf, wobei Statella, der ihnen mit ge¬ schwungenem Degen muthig entgegentrat, von einem Steine am Kopf ge¬ troffen, und von dem Anführer der Griechen, Giorgio Comito, in der Brust durchbohrt, seinen Tod fand. Auch seine Begleiter wurden sämmtlich nieder¬ gehauen. Die Gattin Statella's, die ihn muthig mit ihrem eigenen Leibe zu schützen suchte, lag, aus mehreren Wunden blutend, zu seinen Füßen. Die nackten Leichname der Getödteten warf man auf die Straße hinab. Der Graf ließ hierauf zum Sammeln blasen, um sofort das Schloß Perollo's in seine Gewalt zu bekommen. Dieses Schloß, am äußersten Nordende der Stadt gelegen, umfaßte einen weiten Bezirk, den man „das Quartier der Altstadt" nannte. Der Donjon oder Hauptthurm erhob sich in der Nähe desjenigen Stadttheiles, welches die Porte San Niccolo heißt. Ein anderer Thurm befand sich nach Westen ") Amado, Ferranre Lucchesi, Erasmo Loria, Calogero Calandrini, Coka BaSco, Gian Pietro Jnfontanctta, Pietro Gilibcrto und Cesare Jmbeagna. Grenzvoten 187S. I. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/177>, abgerufen am 24.08.2024.