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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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aber ungünstiger gestaltet werden würden, haben gezeigt, daß die Durchstechung
des Isthmus von Korinth eine Ausgabe von zehn bis zwölf Millionen Drach¬
men (die Drachme -- 7V" Silbergroschen) erfordern würde. Griechenland
könnte keine geringere Subvention als sechs Millionen gewähren; denn nur
mit einer solchen Beihülfe würde es leicht sein, eine Gesellschaft zusammenzu¬
bringen, welche sich der Ausführung der nöthigen Arbeiten unterzöge. Aber
Neuhellas hat diese sechs Millionen nicht übrig, es müßte sie also sich borgen.
Nehmen wir nun an, daß es eine Anleihe zum Curse von 86 und zu 8 Pro¬
cent Zinsen ausschriebe, (zu andern Bedingungen bekommt es kein Geld) und
daß es nur 200.000 Drachmen jährlich zur Amortisation der Anleihe bestimmte,
so würde es sein Budget mit mehr als 700,000 Drachmen per Jahr für
ziemlich lange Zeit belasten. Eine solche Verpflichtung aber zu übernehmen,
ist die griechische Regierung bei dem gegenwärtigen kläglichen Stande ihrer
Finanzen platterdings nicht im Stande.

Griechenland könnte aber ferner auch nicht die Zinsen der auf das Unter¬
nehmen zu verwendenden Kapitalien garantiren. Denn dieselben würden we¬
nigstens in den ersten Jahren viel zu große Summen erfordern, um nicht das
Budget des Landes, welches seit geraumer Zeit ein nicht unerhebliches Deficit
aufweist, in sehr fühlbarer, ja unerträglicher Weise zu belasten.

Diese Rücksichten fallen um so mehr ins Gewicht, als Griechenland aus
einer Durchstechung des Isthmus keine sehr beträchtlichen Vortheile ziehen
würde. Leicht läßt sich darthun, daß die andern Nationen, die in der Levante
Seehandel treiben, namentlich Oesterreich, Rußland, die Türkei, Frankreich und
Italien aus einem solchen Unternehmen mehr Nutzen haben würden, als die
Kaufleute und Rheder von Griechenland. Die Schiffe jener hätten dann nicht
mehr das Kap Matapan zu umsegeln, sie würden ihren Curs nach dem Canal
nehmen. Sie würden dann mehre Tage Proviant und Heuer sparen, und die
Fahrzeuge würden, namentlich im Winter, weit weniger Gefahren ausgesetzt
sein, da die Reise rascher vor sich gehen und man nicht mehr genöthigt sein
würde, das stürmische und von Nebeln heimgesuchte Meer von Candia zu
Passiren. Der Handel würde sich eine andere Bahn und einen andern Mittel¬
punkt (statt Syra einen Ort am Isthmus) suchen, aber lebhafter werden, und
die Einnahmen der Zollstätten von Triest, Marseille. Brindisi, Salonik, Kon¬
stantinopel und Odessa würden sich beträchtlich steigern. Alles das unterliegt
kaum einem Zweifel. Dagegen würden die Vortheile, die den Griechen aus
der Verlegung der Seehandelsstraße mehr nach Norden erwüchsen, erst in
zweiter Reihe stehen, und was es am Isthmus gewönne, würde ihm nothwen¬
dig in Syra verloren gehen.

Griechenland hat also an der Sache nur ein mäßiges und kein solches
Interesse, für welches es Opfer zu bringen verpflichtet wäre. Rechnet Lesseps


aber ungünstiger gestaltet werden würden, haben gezeigt, daß die Durchstechung
des Isthmus von Korinth eine Ausgabe von zehn bis zwölf Millionen Drach¬
men (die Drachme — 7V» Silbergroschen) erfordern würde. Griechenland
könnte keine geringere Subvention als sechs Millionen gewähren; denn nur
mit einer solchen Beihülfe würde es leicht sein, eine Gesellschaft zusammenzu¬
bringen, welche sich der Ausführung der nöthigen Arbeiten unterzöge. Aber
Neuhellas hat diese sechs Millionen nicht übrig, es müßte sie also sich borgen.
Nehmen wir nun an, daß es eine Anleihe zum Curse von 86 und zu 8 Pro¬
cent Zinsen ausschriebe, (zu andern Bedingungen bekommt es kein Geld) und
daß es nur 200.000 Drachmen jährlich zur Amortisation der Anleihe bestimmte,
so würde es sein Budget mit mehr als 700,000 Drachmen per Jahr für
ziemlich lange Zeit belasten. Eine solche Verpflichtung aber zu übernehmen,
ist die griechische Regierung bei dem gegenwärtigen kläglichen Stande ihrer
Finanzen platterdings nicht im Stande.

Griechenland könnte aber ferner auch nicht die Zinsen der auf das Unter¬
nehmen zu verwendenden Kapitalien garantiren. Denn dieselben würden we¬
nigstens in den ersten Jahren viel zu große Summen erfordern, um nicht das
Budget des Landes, welches seit geraumer Zeit ein nicht unerhebliches Deficit
aufweist, in sehr fühlbarer, ja unerträglicher Weise zu belasten.

Diese Rücksichten fallen um so mehr ins Gewicht, als Griechenland aus
einer Durchstechung des Isthmus keine sehr beträchtlichen Vortheile ziehen
würde. Leicht läßt sich darthun, daß die andern Nationen, die in der Levante
Seehandel treiben, namentlich Oesterreich, Rußland, die Türkei, Frankreich und
Italien aus einem solchen Unternehmen mehr Nutzen haben würden, als die
Kaufleute und Rheder von Griechenland. Die Schiffe jener hätten dann nicht
mehr das Kap Matapan zu umsegeln, sie würden ihren Curs nach dem Canal
nehmen. Sie würden dann mehre Tage Proviant und Heuer sparen, und die
Fahrzeuge würden, namentlich im Winter, weit weniger Gefahren ausgesetzt
sein, da die Reise rascher vor sich gehen und man nicht mehr genöthigt sein
würde, das stürmische und von Nebeln heimgesuchte Meer von Candia zu
Passiren. Der Handel würde sich eine andere Bahn und einen andern Mittel¬
punkt (statt Syra einen Ort am Isthmus) suchen, aber lebhafter werden, und
die Einnahmen der Zollstätten von Triest, Marseille. Brindisi, Salonik, Kon¬
stantinopel und Odessa würden sich beträchtlich steigern. Alles das unterliegt
kaum einem Zweifel. Dagegen würden die Vortheile, die den Griechen aus
der Verlegung der Seehandelsstraße mehr nach Norden erwüchsen, erst in
zweiter Reihe stehen, und was es am Isthmus gewönne, würde ihm nothwen¬
dig in Syra verloren gehen.

Griechenland hat also an der Sache nur ein mäßiges und kein solches
Interesse, für welches es Opfer zu bringen verpflichtet wäre. Rechnet Lesseps


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[0151] aber ungünstiger gestaltet werden würden, haben gezeigt, daß die Durchstechung des Isthmus von Korinth eine Ausgabe von zehn bis zwölf Millionen Drach¬ men (die Drachme — 7V» Silbergroschen) erfordern würde. Griechenland könnte keine geringere Subvention als sechs Millionen gewähren; denn nur mit einer solchen Beihülfe würde es leicht sein, eine Gesellschaft zusammenzu¬ bringen, welche sich der Ausführung der nöthigen Arbeiten unterzöge. Aber Neuhellas hat diese sechs Millionen nicht übrig, es müßte sie also sich borgen. Nehmen wir nun an, daß es eine Anleihe zum Curse von 86 und zu 8 Pro¬ cent Zinsen ausschriebe, (zu andern Bedingungen bekommt es kein Geld) und daß es nur 200.000 Drachmen jährlich zur Amortisation der Anleihe bestimmte, so würde es sein Budget mit mehr als 700,000 Drachmen per Jahr für ziemlich lange Zeit belasten. Eine solche Verpflichtung aber zu übernehmen, ist die griechische Regierung bei dem gegenwärtigen kläglichen Stande ihrer Finanzen platterdings nicht im Stande. Griechenland könnte aber ferner auch nicht die Zinsen der auf das Unter¬ nehmen zu verwendenden Kapitalien garantiren. Denn dieselben würden we¬ nigstens in den ersten Jahren viel zu große Summen erfordern, um nicht das Budget des Landes, welches seit geraumer Zeit ein nicht unerhebliches Deficit aufweist, in sehr fühlbarer, ja unerträglicher Weise zu belasten. Diese Rücksichten fallen um so mehr ins Gewicht, als Griechenland aus einer Durchstechung des Isthmus keine sehr beträchtlichen Vortheile ziehen würde. Leicht läßt sich darthun, daß die andern Nationen, die in der Levante Seehandel treiben, namentlich Oesterreich, Rußland, die Türkei, Frankreich und Italien aus einem solchen Unternehmen mehr Nutzen haben würden, als die Kaufleute und Rheder von Griechenland. Die Schiffe jener hätten dann nicht mehr das Kap Matapan zu umsegeln, sie würden ihren Curs nach dem Canal nehmen. Sie würden dann mehre Tage Proviant und Heuer sparen, und die Fahrzeuge würden, namentlich im Winter, weit weniger Gefahren ausgesetzt sein, da die Reise rascher vor sich gehen und man nicht mehr genöthigt sein würde, das stürmische und von Nebeln heimgesuchte Meer von Candia zu Passiren. Der Handel würde sich eine andere Bahn und einen andern Mittel¬ punkt (statt Syra einen Ort am Isthmus) suchen, aber lebhafter werden, und die Einnahmen der Zollstätten von Triest, Marseille. Brindisi, Salonik, Kon¬ stantinopel und Odessa würden sich beträchtlich steigern. Alles das unterliegt kaum einem Zweifel. Dagegen würden die Vortheile, die den Griechen aus der Verlegung der Seehandelsstraße mehr nach Norden erwüchsen, erst in zweiter Reihe stehen, und was es am Isthmus gewönne, würde ihm nothwen¬ dig in Syra verloren gehen. Griechenland hat also an der Sache nur ein mäßiges und kein solches Interesse, für welches es Opfer zu bringen verpflichtet wäre. Rechnet Lesseps

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/151>, abgerufen am 24.08.2024.