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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Sprüchwörter, die in seinen Quellen laut der dabei bemerkten Abkürzungen
aus anderen Sprachen oder Dialekten übersetzt find, mit Hinzufügung der
Quelle für hochdeutsch ausgegeben, während, vielleicht wenige Zeilen darunter,
das Original mitgetheilt wird, wie z.B. Bd. II S. 1024 Ur. 4, S. 1289 Ur.
392 und an unzähligen anderen Stellen. Es ist dies ein Verfahren, dessen
Bezeichnung man jedem Unparteiischen überlassen kann.

Citate haben sicherlich nur Werth, wenn sie richtig, nicht wenn sie falsch
und erfunden sind, und wenn die Bücher, auf welche sie hinweisen, wirkliche
Quellenwerke sind. Wenn aber Herr Wärter bei allgemein bekannten
Sprichwörtern, die in keiner Sammlung fehlen können, nicht blos die älte¬
sten Quellen, in denen sie zuerst auftraten, sondern 20 bis 30 Autoren hin¬
tereinander nennt, in deren Büchern sie vorkommen und unter ihnen selbst
solche anführt, welche nie eine deutsche Sprichwörter-Sammlung herausge¬
geben haben, so ist das ein völlig unnützes Bemühen. Ebenso sind sehr
viele der Erläuterungen Herrn Wärter's theils völlig überflüssige Gemeinplätze
wie z. B. Bd. II S. 440 bei Ur. 60 (Jeder muß in seiner Haut bleiben)
Die Bemerkung "Nicht blos im physiologischen, sondern auch, da Anschau¬
ungen nicht untheilbar sind, im philosophischen Sinne wahr", theils ent¬
schieden falsch, wie denn z. B. Herr Wärter aus dem Herzog "Fridl mit der
leeren Tasche" von Tirol einen Kaiser macht*) und die Entstehung der bekannten
Redensart: "Er kommt wie Ziethen aus dem Busch" aus den Freiheitskriegen
herleitet (Bd. II S. 602), statt aus der Schlacht bei Torgau im siebenjäh¬
rigen Kriege. Diese Methode des Herrn Wärter würde sich nur erklären
lassen, wenn sein Hauptstreben darauf gerichtet wäre, nicht ein wirklich gutes
und gediegenes Werk zu liefern, sondern ein massenhaft großes. Nur so
ließe sich begreifen, daß kritiklos Alles aufgenommen ist, was hineinpaßt oder
nicht hineingehört, oder daß wir dasselbe Sprichwort oft zwei- selbst drei¬
mal wiederholt finden**) und daß, entgegen dem in der Vorrede (S. XI.)
ausgesprochenen Grundsatz: "Wenn ein und dasselbe Sprichwort hochdeutsch
und mundartlich in völliger Sinngleichheit vorlag, so nahm ich es vorherr¬
schend mundartlich auf und verwies auf die hochdeutsche Quelle, falls ich eine
solche kannte," fast immer die mundartlichen Sprichwörter und ihre Ueber¬
setzungen getrennt im Texte mitgetheilt werden.

So sehen wir denn in dem als deutsches Sprichwörter-Lexikon
angekündigten Werke, welches "ein Hausschatz für das deutsche Volk" werden
sollte, einen sich in's Unendliche ausdehnenden Schatz Wärter'scher




") S. 421 Bd. II. Ur. 7S1 (Das Haus mit dem goldenen Dache).
") Z. B. bei "Haus" (Bd. II.) das französische Raison kairs se komme 5 tsirs auf S.
400, 402 und 416, und das italienische' Lass mia ceo. auf S. 409 u. 410.

Sprüchwörter, die in seinen Quellen laut der dabei bemerkten Abkürzungen
aus anderen Sprachen oder Dialekten übersetzt find, mit Hinzufügung der
Quelle für hochdeutsch ausgegeben, während, vielleicht wenige Zeilen darunter,
das Original mitgetheilt wird, wie z.B. Bd. II S. 1024 Ur. 4, S. 1289 Ur.
392 und an unzähligen anderen Stellen. Es ist dies ein Verfahren, dessen
Bezeichnung man jedem Unparteiischen überlassen kann.

Citate haben sicherlich nur Werth, wenn sie richtig, nicht wenn sie falsch
und erfunden sind, und wenn die Bücher, auf welche sie hinweisen, wirkliche
Quellenwerke sind. Wenn aber Herr Wärter bei allgemein bekannten
Sprichwörtern, die in keiner Sammlung fehlen können, nicht blos die älte¬
sten Quellen, in denen sie zuerst auftraten, sondern 20 bis 30 Autoren hin¬
tereinander nennt, in deren Büchern sie vorkommen und unter ihnen selbst
solche anführt, welche nie eine deutsche Sprichwörter-Sammlung herausge¬
geben haben, so ist das ein völlig unnützes Bemühen. Ebenso sind sehr
viele der Erläuterungen Herrn Wärter's theils völlig überflüssige Gemeinplätze
wie z. B. Bd. II S. 440 bei Ur. 60 (Jeder muß in seiner Haut bleiben)
Die Bemerkung „Nicht blos im physiologischen, sondern auch, da Anschau¬
ungen nicht untheilbar sind, im philosophischen Sinne wahr", theils ent¬
schieden falsch, wie denn z. B. Herr Wärter aus dem Herzog „Fridl mit der
leeren Tasche" von Tirol einen Kaiser macht*) und die Entstehung der bekannten
Redensart: „Er kommt wie Ziethen aus dem Busch" aus den Freiheitskriegen
herleitet (Bd. II S. 602), statt aus der Schlacht bei Torgau im siebenjäh¬
rigen Kriege. Diese Methode des Herrn Wärter würde sich nur erklären
lassen, wenn sein Hauptstreben darauf gerichtet wäre, nicht ein wirklich gutes
und gediegenes Werk zu liefern, sondern ein massenhaft großes. Nur so
ließe sich begreifen, daß kritiklos Alles aufgenommen ist, was hineinpaßt oder
nicht hineingehört, oder daß wir dasselbe Sprichwort oft zwei- selbst drei¬
mal wiederholt finden**) und daß, entgegen dem in der Vorrede (S. XI.)
ausgesprochenen Grundsatz: „Wenn ein und dasselbe Sprichwort hochdeutsch
und mundartlich in völliger Sinngleichheit vorlag, so nahm ich es vorherr¬
schend mundartlich auf und verwies auf die hochdeutsche Quelle, falls ich eine
solche kannte," fast immer die mundartlichen Sprichwörter und ihre Ueber¬
setzungen getrennt im Texte mitgetheilt werden.

So sehen wir denn in dem als deutsches Sprichwörter-Lexikon
angekündigten Werke, welches „ein Hausschatz für das deutsche Volk" werden
sollte, einen sich in's Unendliche ausdehnenden Schatz Wärter'scher




») S. 421 Bd. II. Ur. 7S1 (Das Haus mit dem goldenen Dache).
") Z. B. bei „Haus" (Bd. II.) das französische Raison kairs se komme 5 tsirs auf S.
400, 402 und 416, und das italienische' Lass mia ceo. auf S. 409 u. 410.
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[0119] Sprüchwörter, die in seinen Quellen laut der dabei bemerkten Abkürzungen aus anderen Sprachen oder Dialekten übersetzt find, mit Hinzufügung der Quelle für hochdeutsch ausgegeben, während, vielleicht wenige Zeilen darunter, das Original mitgetheilt wird, wie z.B. Bd. II S. 1024 Ur. 4, S. 1289 Ur. 392 und an unzähligen anderen Stellen. Es ist dies ein Verfahren, dessen Bezeichnung man jedem Unparteiischen überlassen kann. Citate haben sicherlich nur Werth, wenn sie richtig, nicht wenn sie falsch und erfunden sind, und wenn die Bücher, auf welche sie hinweisen, wirkliche Quellenwerke sind. Wenn aber Herr Wärter bei allgemein bekannten Sprichwörtern, die in keiner Sammlung fehlen können, nicht blos die älte¬ sten Quellen, in denen sie zuerst auftraten, sondern 20 bis 30 Autoren hin¬ tereinander nennt, in deren Büchern sie vorkommen und unter ihnen selbst solche anführt, welche nie eine deutsche Sprichwörter-Sammlung herausge¬ geben haben, so ist das ein völlig unnützes Bemühen. Ebenso sind sehr viele der Erläuterungen Herrn Wärter's theils völlig überflüssige Gemeinplätze wie z. B. Bd. II S. 440 bei Ur. 60 (Jeder muß in seiner Haut bleiben) Die Bemerkung „Nicht blos im physiologischen, sondern auch, da Anschau¬ ungen nicht untheilbar sind, im philosophischen Sinne wahr", theils ent¬ schieden falsch, wie denn z. B. Herr Wärter aus dem Herzog „Fridl mit der leeren Tasche" von Tirol einen Kaiser macht*) und die Entstehung der bekannten Redensart: „Er kommt wie Ziethen aus dem Busch" aus den Freiheitskriegen herleitet (Bd. II S. 602), statt aus der Schlacht bei Torgau im siebenjäh¬ rigen Kriege. Diese Methode des Herrn Wärter würde sich nur erklären lassen, wenn sein Hauptstreben darauf gerichtet wäre, nicht ein wirklich gutes und gediegenes Werk zu liefern, sondern ein massenhaft großes. Nur so ließe sich begreifen, daß kritiklos Alles aufgenommen ist, was hineinpaßt oder nicht hineingehört, oder daß wir dasselbe Sprichwort oft zwei- selbst drei¬ mal wiederholt finden**) und daß, entgegen dem in der Vorrede (S. XI.) ausgesprochenen Grundsatz: „Wenn ein und dasselbe Sprichwort hochdeutsch und mundartlich in völliger Sinngleichheit vorlag, so nahm ich es vorherr¬ schend mundartlich auf und verwies auf die hochdeutsche Quelle, falls ich eine solche kannte," fast immer die mundartlichen Sprichwörter und ihre Ueber¬ setzungen getrennt im Texte mitgetheilt werden. So sehen wir denn in dem als deutsches Sprichwörter-Lexikon angekündigten Werke, welches „ein Hausschatz für das deutsche Volk" werden sollte, einen sich in's Unendliche ausdehnenden Schatz Wärter'scher ») S. 421 Bd. II. Ur. 7S1 (Das Haus mit dem goldenen Dache). ") Z. B. bei „Haus" (Bd. II.) das französische Raison kairs se komme 5 tsirs auf S. 400, 402 und 416, und das italienische' Lass mia ceo. auf S. 409 u. 410.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/119>, abgerufen am 24.08.2024.