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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Im neuesten deutschen Geschichte,
i.
Wurfen.")

Das Leben Bunsen's, von seiner überlebenden Wittwe geschrieben, hat
allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und große Anerkennung sich ver¬
dient. Mit warmer Pietät, aus unmittelbarster Bekanntschaft heraus, wird
hier ein Mann uns geschildert, der in staatlichen und kirchlichen Angelegen¬
heiten eine Rolle gespielt, der auch als Gelehrter mit Achtung genannt zu
werden pflegte, ein Mann der in politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen
Kreisen sich viele Freunde erworben. Und indem die Wittwe des verstorbenen
Ministers aus seinen eigenen Aufzeichnungen, aus seinen Briefen ihre per¬
sönlichen Erinnerungen ergänzte und vervollständigte, bietet sie uns ein Buch,
das gerne und viel gelesen worden ist. Das englische Original ist nun auch
durch Professor Nippold ins Deutsche übersetzt und überarbeitet. Die deut¬
sche Ausgabe ist mehr wie eine Uebersetzung. Gerade über die politische Thä¬
tigkeit Bunsen's hat dem Uebersetzer noch vieles neue und werthvolle Material
zu Gebote gestanden. Und wenn man auf den Werth des Inhaltes hin das
Leben Bunsen's ansieht, so wird Jeder der deutschen vor der englischen Aus¬
gabe den Vorzug geben müssen. Die literarische Verarbeitung dagegen ist
eine recht ungeschickte. Es wird zuerst immer ein Abschnitt des englischen
Buches mit dem in der englischen Ausgabe schon gedruckten urkundlichen
Materials übersetzt, und dann folgen die Zusätze die der deutsche Herausgeber
zu machen im Stande war. Sollte einmal das englische Original als Ganzes
ungestört erhalten werden, so war dies nicht wohl zu ändern. Aber es ist
doch sehr die Frage ob nicht eine etwas feinere Behandlung das ganze Buch
für den deutschen Leser genießbarer gemacht hätte. sachlicher wäre jedenfalls



') Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen. Aus seinen Briefen und nach
eigener Erinnerung geschildert von seiner Wittwe. Deutsche Ausgabe, durch neue Mittheilungen
vermehrt von Friedrich Nippold. I.Jugendzeit und römische Wirksamkeit (1808). II.
Schweiz und England (18V9). III. England und Deutschland (1871). Leipzig, F. A. Brock¬
haus.
Grenzboten IV. 1872. H
Im neuesten deutschen Geschichte,
i.
Wurfen.")

Das Leben Bunsen's, von seiner überlebenden Wittwe geschrieben, hat
allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und große Anerkennung sich ver¬
dient. Mit warmer Pietät, aus unmittelbarster Bekanntschaft heraus, wird
hier ein Mann uns geschildert, der in staatlichen und kirchlichen Angelegen¬
heiten eine Rolle gespielt, der auch als Gelehrter mit Achtung genannt zu
werden pflegte, ein Mann der in politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen
Kreisen sich viele Freunde erworben. Und indem die Wittwe des verstorbenen
Ministers aus seinen eigenen Aufzeichnungen, aus seinen Briefen ihre per¬
sönlichen Erinnerungen ergänzte und vervollständigte, bietet sie uns ein Buch,
das gerne und viel gelesen worden ist. Das englische Original ist nun auch
durch Professor Nippold ins Deutsche übersetzt und überarbeitet. Die deut¬
sche Ausgabe ist mehr wie eine Uebersetzung. Gerade über die politische Thä¬
tigkeit Bunsen's hat dem Uebersetzer noch vieles neue und werthvolle Material
zu Gebote gestanden. Und wenn man auf den Werth des Inhaltes hin das
Leben Bunsen's ansieht, so wird Jeder der deutschen vor der englischen Aus¬
gabe den Vorzug geben müssen. Die literarische Verarbeitung dagegen ist
eine recht ungeschickte. Es wird zuerst immer ein Abschnitt des englischen
Buches mit dem in der englischen Ausgabe schon gedruckten urkundlichen
Materials übersetzt, und dann folgen die Zusätze die der deutsche Herausgeber
zu machen im Stande war. Sollte einmal das englische Original als Ganzes
ungestört erhalten werden, so war dies nicht wohl zu ändern. Aber es ist
doch sehr die Frage ob nicht eine etwas feinere Behandlung das ganze Buch
für den deutschen Leser genießbarer gemacht hätte. sachlicher wäre jedenfalls



') Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen. Aus seinen Briefen und nach
eigener Erinnerung geschildert von seiner Wittwe. Deutsche Ausgabe, durch neue Mittheilungen
vermehrt von Friedrich Nippold. I.Jugendzeit und römische Wirksamkeit (1808). II.
Schweiz und England (18V9). III. England und Deutschland (1871). Leipzig, F. A. Brock¬
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[0089] Im neuesten deutschen Geschichte, i. Wurfen.") Das Leben Bunsen's, von seiner überlebenden Wittwe geschrieben, hat allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und große Anerkennung sich ver¬ dient. Mit warmer Pietät, aus unmittelbarster Bekanntschaft heraus, wird hier ein Mann uns geschildert, der in staatlichen und kirchlichen Angelegen¬ heiten eine Rolle gespielt, der auch als Gelehrter mit Achtung genannt zu werden pflegte, ein Mann der in politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen sich viele Freunde erworben. Und indem die Wittwe des verstorbenen Ministers aus seinen eigenen Aufzeichnungen, aus seinen Briefen ihre per¬ sönlichen Erinnerungen ergänzte und vervollständigte, bietet sie uns ein Buch, das gerne und viel gelesen worden ist. Das englische Original ist nun auch durch Professor Nippold ins Deutsche übersetzt und überarbeitet. Die deut¬ sche Ausgabe ist mehr wie eine Uebersetzung. Gerade über die politische Thä¬ tigkeit Bunsen's hat dem Uebersetzer noch vieles neue und werthvolle Material zu Gebote gestanden. Und wenn man auf den Werth des Inhaltes hin das Leben Bunsen's ansieht, so wird Jeder der deutschen vor der englischen Aus¬ gabe den Vorzug geben müssen. Die literarische Verarbeitung dagegen ist eine recht ungeschickte. Es wird zuerst immer ein Abschnitt des englischen Buches mit dem in der englischen Ausgabe schon gedruckten urkundlichen Materials übersetzt, und dann folgen die Zusätze die der deutsche Herausgeber zu machen im Stande war. Sollte einmal das englische Original als Ganzes ungestört erhalten werden, so war dies nicht wohl zu ändern. Aber es ist doch sehr die Frage ob nicht eine etwas feinere Behandlung das ganze Buch für den deutschen Leser genießbarer gemacht hätte. sachlicher wäre jedenfalls ') Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen. Aus seinen Briefen und nach eigener Erinnerung geschildert von seiner Wittwe. Deutsche Ausgabe, durch neue Mittheilungen vermehrt von Friedrich Nippold. I.Jugendzeit und römische Wirksamkeit (1808). II. Schweiz und England (18V9). III. England und Deutschland (1871). Leipzig, F. A. Brock¬ haus. Grenzboten IV. 1872. H

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/89>, abgerufen am 22.07.2024.