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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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daß er glaubt, im Verlaufe seines Geschäfts den größten Nutzen für sich zu
finden. Ich glaube ferner, daß in den weitaus meisten Fällen der bisherige
Eigner besser weiß, was er abgiebt, als die Uebernehmer, was sie kaufen.

Aehnlich verhält es sich mit den neuen Bank-Gründungen -- indem die
Gründer sich von vornherein eine Prämie von ö--20 und mehr Procenten
von den Liebhabern solcher Actien zahlen lassen -- dazu dann als Verwal¬
tungsräthe ihre Tantieme jährlich verdienen und durch ihren Einfluß noch
manchen indirecten Vortheil genießen, -- lassen sie sich von dem Publicum
ihre Ideen recht ansehnlich bezahlen und wenn man jetzt immer dieselben
Firmen unter den Gründungs-Consortien findet, so kann man sich kaum der
Ansicht erwehren, daß sie sich selbst nicht allzu sehr um das fernere Wohl und
Wehe ihrer Kinder kümmern können, da diese Herren fast alle selbst auch ganz
bedeutende Geschäfte für ihre alleinige Rechnung führen. In früherer Zeit,
wo den Actien-Unternehmungen fast nur solche Geschäfte zufielen, zu deren
Betrieb das Vermögen der Einzelnen nicht ausreichte, übernahmen die Urheber
solcher Etablissements auch zugleich die moralische Verpflichtung, ihre besten
Kräfte und Erfahrungen auf das Gelingen derselben zu verwenden, dies kann
man bei vielen Schöpfungen der Neuzeit kaum erwarten, denn dazu haben
die meisten modernen Gründer zu viel auf ihre Schultern genommen. De߬
halb sollten kleinere Kapitalisten nicht im blinden Vertrauen auf die Namen
der Gründer bauen, sondern sich immer nur an die Unternehmer selbst halten
und ihre Hände davon lassen, wenn sie selbst nicht ein ausreichendes Urtheil
über deren Rentabilität und Solidität haben.

Auch glaube ich, daß man sich über die behauptete Entwertung des
Geldes mit der festen Erwartung trösten kann, daß darin in nicht allzu ferner
Zeit ein Umschwung eintreten wird. -- denn entweder wird die Concurrenz
den Werth der Papiere und des Geldes wieder in normale Verhältnisse führen,
oder irgend ein nuevo^ra event erschüttert das Vertrauen, welches die Grund¬
bedingung für derartige Conjuncturen ist, und dann wird eine Zeit kommen,
wo alle Papiere, -- wenn auch nicht, wie die Times neulich meinte, werth¬
los, so doch in durchaus verändertem Werthverhältnisse zum Gelde stehen. --
Denn darüber mag sich ein Jeder beruhigen, daß die Entwerthung des Geldes
nicht in enormer Production von Gold und Silber seinen Grund hat. -- in
den Hauptproductionsländern hat die Gewinnung von Edelmetallen eher ab¬
genommen als das Gegentheil. --

Der einzige Grund liegt in der Speculation. welche momentan gar keine
Grenzen zu kennen scheint.

Sie fand durch den Friedensschluß und die Veränderung, welche die
Kriegscontribution in der financiellen Lage Frankreichs und Deutschlands
brachte, eine brillante Gelegenheit sich zu rühren und immer weiter zu eilt-


daß er glaubt, im Verlaufe seines Geschäfts den größten Nutzen für sich zu
finden. Ich glaube ferner, daß in den weitaus meisten Fällen der bisherige
Eigner besser weiß, was er abgiebt, als die Uebernehmer, was sie kaufen.

Aehnlich verhält es sich mit den neuen Bank-Gründungen — indem die
Gründer sich von vornherein eine Prämie von ö—20 und mehr Procenten
von den Liebhabern solcher Actien zahlen lassen — dazu dann als Verwal¬
tungsräthe ihre Tantieme jährlich verdienen und durch ihren Einfluß noch
manchen indirecten Vortheil genießen, — lassen sie sich von dem Publicum
ihre Ideen recht ansehnlich bezahlen und wenn man jetzt immer dieselben
Firmen unter den Gründungs-Consortien findet, so kann man sich kaum der
Ansicht erwehren, daß sie sich selbst nicht allzu sehr um das fernere Wohl und
Wehe ihrer Kinder kümmern können, da diese Herren fast alle selbst auch ganz
bedeutende Geschäfte für ihre alleinige Rechnung führen. In früherer Zeit,
wo den Actien-Unternehmungen fast nur solche Geschäfte zufielen, zu deren
Betrieb das Vermögen der Einzelnen nicht ausreichte, übernahmen die Urheber
solcher Etablissements auch zugleich die moralische Verpflichtung, ihre besten
Kräfte und Erfahrungen auf das Gelingen derselben zu verwenden, dies kann
man bei vielen Schöpfungen der Neuzeit kaum erwarten, denn dazu haben
die meisten modernen Gründer zu viel auf ihre Schultern genommen. De߬
halb sollten kleinere Kapitalisten nicht im blinden Vertrauen auf die Namen
der Gründer bauen, sondern sich immer nur an die Unternehmer selbst halten
und ihre Hände davon lassen, wenn sie selbst nicht ein ausreichendes Urtheil
über deren Rentabilität und Solidität haben.

Auch glaube ich, daß man sich über die behauptete Entwertung des
Geldes mit der festen Erwartung trösten kann, daß darin in nicht allzu ferner
Zeit ein Umschwung eintreten wird. — denn entweder wird die Concurrenz
den Werth der Papiere und des Geldes wieder in normale Verhältnisse führen,
oder irgend ein nuevo^ra event erschüttert das Vertrauen, welches die Grund¬
bedingung für derartige Conjuncturen ist, und dann wird eine Zeit kommen,
wo alle Papiere, — wenn auch nicht, wie die Times neulich meinte, werth¬
los, so doch in durchaus verändertem Werthverhältnisse zum Gelde stehen. —
Denn darüber mag sich ein Jeder beruhigen, daß die Entwerthung des Geldes
nicht in enormer Production von Gold und Silber seinen Grund hat. — in
den Hauptproductionsländern hat die Gewinnung von Edelmetallen eher ab¬
genommen als das Gegentheil. —

Der einzige Grund liegt in der Speculation. welche momentan gar keine
Grenzen zu kennen scheint.

Sie fand durch den Friedensschluß und die Veränderung, welche die
Kriegscontribution in der financiellen Lage Frankreichs und Deutschlands
brachte, eine brillante Gelegenheit sich zu rühren und immer weiter zu eilt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/85>, abgerufen am 30.06.2024.