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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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habe nur den Zweck, etwaige Anforderungen anderer Leute, welche die Armee
mißbrauchen wollten, von vornherein unmöglich zu machen. Daß hiermit kein
Anderer als der Präsident gemeint sei, war klar und die Versammlung be¬
stätigte es durch ihren Jubel. Louis Napoleon aber ließ nun den Wortlaut
jenes Tagesbefehls veröffentlichen, und Changarnier sah sich dadurch in der
peinlichsten Weise bloßgestellt. Damit aber nicht genug. Das Ministerium
war durch Changarnier's Erklärungen geradezu verdächtigt; da es aber nicht
wagte, seine Absetzung auszusprechen, so trat es ab und machte einem
dreisteren Cabinete Platz. In diesem übernahm General Reynault de
Se. Jean d'Ange'ip das Kriegsministerium und die erste Maßregel des¬
selben war die Absetzung Changarnier's und die Theilung seines bisherigen
Commandos unter die Generale Baraguay d'Hilliers und Perrot. -- Das
neue Ministerium freilich bestand nur 14 Tage, da ihm die Nationalversamm¬
lung wegen der Entlassung Changarnier's ein Mißtrauensvotum ertheilte;
diese selbst aber blieb aufrecht erhalten und das war ein bedeutender Erfolg
für den Präsidenten. Denn die einzige bedrohliche Chance, welche er sich
gegenüber sah, war die Bildung eines Parlamentsheers unter Changarnier.
Damit hatte es nun gute Wege.

In dem neuen "Uebergangsministerium aus Fachmännern" erhielt Gene¬
ral Randon das Portefeuille des Kriegs. Aber man bedürfte, um einen
entscheidenden Schlag zu thun, einer Anzahl von Generalen von zweifelloser
und blinder Ergebenheit. Sah man sich unter den vorhandenen Befehls¬
habern um, so schienen die älteren nicht verwegen genug, die jüngeren aber
saßen meist als Frondeurs im Parlament. "Eine durch und durch kaiserliche
Idee triumphirte über diese Schwierigkeit, und der unermüdliche Ritter des
Napoleonismus, Persigny, gwg mit Enthusiasmus an die Verwirk¬
lichung des vom Präsidenten hingeworfenen Wortes: "Wenn wir
Generale machten!?"*) Der Commandant Fleury, Sohn eines Pariser
Kaufmanns, ein ächter "Mveur", der einer der ersten Offiziere war, die sich
Louis Napoleon völlig ergeben hatten undden dieser deshalb zu seinem Ordonnanz¬
offizier ernannt hatte, wurde nach Algerien gesandt "auf Remonte nach
Generalen und Offizieren", die keinen Anstand nehmen würden, zu jedem
Plane die Hand zu bieten. Er hatte keine große Mühe dabei. Die Aus¬
sicht, Carriere zu machen und reiche Belohnungen zu empfangen, die Ab¬
neigung gegen den Parlamentarismus, die Reminiscenzen des Kaiserthums
wirkten für ihn zusammen. Se. Arnaud. de Cotte, Espinasse, Marulaz,
Rochefort. Feray, Dulac. d'Allonville, Gardarens de Boisse, Herbillon und
Canrovert gehören zu den in dieser Zeit Gewordenen.**) Um ihren Namen




") P. Mayer - Geschichte des 2. December.
') El'bei.

habe nur den Zweck, etwaige Anforderungen anderer Leute, welche die Armee
mißbrauchen wollten, von vornherein unmöglich zu machen. Daß hiermit kein
Anderer als der Präsident gemeint sei, war klar und die Versammlung be¬
stätigte es durch ihren Jubel. Louis Napoleon aber ließ nun den Wortlaut
jenes Tagesbefehls veröffentlichen, und Changarnier sah sich dadurch in der
peinlichsten Weise bloßgestellt. Damit aber nicht genug. Das Ministerium
war durch Changarnier's Erklärungen geradezu verdächtigt; da es aber nicht
wagte, seine Absetzung auszusprechen, so trat es ab und machte einem
dreisteren Cabinete Platz. In diesem übernahm General Reynault de
Se. Jean d'Ange'ip das Kriegsministerium und die erste Maßregel des¬
selben war die Absetzung Changarnier's und die Theilung seines bisherigen
Commandos unter die Generale Baraguay d'Hilliers und Perrot. — Das
neue Ministerium freilich bestand nur 14 Tage, da ihm die Nationalversamm¬
lung wegen der Entlassung Changarnier's ein Mißtrauensvotum ertheilte;
diese selbst aber blieb aufrecht erhalten und das war ein bedeutender Erfolg
für den Präsidenten. Denn die einzige bedrohliche Chance, welche er sich
gegenüber sah, war die Bildung eines Parlamentsheers unter Changarnier.
Damit hatte es nun gute Wege.

In dem neuen „Uebergangsministerium aus Fachmännern" erhielt Gene¬
ral Randon das Portefeuille des Kriegs. Aber man bedürfte, um einen
entscheidenden Schlag zu thun, einer Anzahl von Generalen von zweifelloser
und blinder Ergebenheit. Sah man sich unter den vorhandenen Befehls¬
habern um, so schienen die älteren nicht verwegen genug, die jüngeren aber
saßen meist als Frondeurs im Parlament. „Eine durch und durch kaiserliche
Idee triumphirte über diese Schwierigkeit, und der unermüdliche Ritter des
Napoleonismus, Persigny, gwg mit Enthusiasmus an die Verwirk¬
lichung des vom Präsidenten hingeworfenen Wortes: „Wenn wir
Generale machten!?"*) Der Commandant Fleury, Sohn eines Pariser
Kaufmanns, ein ächter „Mveur", der einer der ersten Offiziere war, die sich
Louis Napoleon völlig ergeben hatten undden dieser deshalb zu seinem Ordonnanz¬
offizier ernannt hatte, wurde nach Algerien gesandt „auf Remonte nach
Generalen und Offizieren", die keinen Anstand nehmen würden, zu jedem
Plane die Hand zu bieten. Er hatte keine große Mühe dabei. Die Aus¬
sicht, Carriere zu machen und reiche Belohnungen zu empfangen, die Ab¬
neigung gegen den Parlamentarismus, die Reminiscenzen des Kaiserthums
wirkten für ihn zusammen. Se. Arnaud. de Cotte, Espinasse, Marulaz,
Rochefort. Feray, Dulac. d'Allonville, Gardarens de Boisse, Herbillon und
Canrovert gehören zu den in dieser Zeit Gewordenen.**) Um ihren Namen




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/52>, abgerufen am 22.07.2024.